Freitag, Oktober 18

Am 24. November entscheiden die Stimmberechtigten in der Stadt über den Neubau des ältesten Flussübergangs von Zürich.

Es sieht derzeit nicht danach aus, als würde der Neubau der Rathausbrücke vor der kommunalen Abstimmung vom 24. November viel zu reden geben. Das ist eigentlich erstaunlich. Denn im Verlauf der Planung sind die Kosten deutlich auf 58 Millionen Franken gestiegen. Und das Projekt wird den Limmatraum mitten in der Zürcher Altstadt während Jahren in eine Baustelle verwandeln.

Es geht um den ältesten Übergang über die Limmat, der bis 1838 als einziger befahrbar war. Er war lange eine der wichtigsten Verkehrsachsen in der Stadt, das Limmatquai entstand erst im 19. Jahrhundert. Ausserdem diente die Rathausbrücke als Marktplatz. Deshalb ist heute in der Bevölkerung die Bezeichnung Gemüsebrücke gebräuchlicher.

Nun ersetzt man dieses Bauwerk nicht zum Vergnügen. Eine ganze Reihe von Sachzwängen begleitete das Vorhaben, von dem seit über zwanzig Jahren die Rede ist. Insbesondere ist der Oberbau der 1973 nach Plänen des Architekten Manuel Pauli errichteten Brücke schon länger sanierungsbedürftig.

Baustein für den Hochwasserschutz

Dazu kommen die Bedürfnisse des Kantons. Die Rathausbrücke ist der Engpass im Abfluss des Zürichsees. Deshalb soll dort die Flusssohle um etwa zwei Meter abgesenkt werden. Um die Kapazität der Limmat zu erhöhen, ist zudem die Zahl der heute fünf Pfeiler zu reduzieren. Diese Rahmenbedingungen lassen sich nur mit einem vollständigen Ersatz der Brücke umsetzen.

Spätestens seit den Hochwassern von 2005 ist klar, dass nach einem Starkregen im Gebiet Einsiedeln die Sihl den Westen von Zürich zu grossen Teilen überschwemmen könnte, mit Schäden in Milliardenhöhe. Bereits mit dem Bau des Bahnhofs Löwenstrasse erhielt die Sihl unter dem Hauptbahnhof mehr Platz. Fertiggestellt ist der Schwemmholzrechen oberhalb von Langnau am Albis, der von einem Hochwasser mitgerissene Baumstämme auffangen soll.

Derzeit wird als wichtigste Massnahme vom Sihltal her ein Entlastungsstollen nach Thalwil gebohrt, mit dem sich ein Hochwasser zum Teil in den Zürichsee leiten lässt. Das macht Anpassungen an der Limmat wie die Erneuerung des Wehrs am Platzspitz erforderlich.

Doch weshalb ist es wichtig, die Abflusskapazität der Limmat beim Rathaus zu erhöhen? Sollte der Stollen aus dem Sihltal einmal zum Einsatz kommen, erhöht das den Pegel des Zürichsees nach den Unterlagen des Kantons nämlich nur um etwa 5 Zentimeter.

Doch geht es nicht nur um diese 5 Zentimeter. In diesem Moment weist der Zürichsee wahrscheinlich ohnehin bereits einen hohen Wasserstand auf, und gleichzeitig steigt auch der Grundwasserspiegel. Dauert dieser Zustand längere Zeit an, kann dies laut Auskunft der Baudirektion verdeckte Schäden in Gebäuden und unterirdischen Anlagen um den See nach sich ziehen.

Ist der Seepegel 15 bis 20 Zentimeter höher als normal, ist es deshalb entscheidend, dass er rasch wieder sinken kann. Deshalb gab der Bau des Entlastungsstollens den Ausschlag, das Nadelöhr Rathausbrücke zu beheben und die Abflusskapazität gegenüber heute um etwa 10 Prozent zu erhöhen.

Beschattung kaum machbar

Das bereits 2019 nach einem Wettbewerb ausgewählte Siegerprojekt sieht eine Rathausbrücke vor, die schlanker ist als heute und sich trapezförmig vom Rathaus und von der Wache der Kantonspolizei zum vorgelagerten Haus zum Schwert hin verbreitert. Sie wird zwischen den Widerlagern am Ufer nur noch auf zwei Pfeilern ruhen.

Die Brücke wird je nach Sichtweise aufgeräumt oder kahl sein. So verschwinden, was viele bedauern, der heutige Kiosk und die kleinen Läden. Das hat mit rechtlichen Zwängen zu tun. Es geht um Bauen im Gewässerraum, weshalb der dafür zuständige Kanton feste Anlagen oder Aufbauten nicht bewilligen kann.

Das beschränkt auch Möglichkeiten einer Beschattung. Im Gemeinderat wurde eine «Wüste aus Stein und Beton» befürchtet. Auch wenn sie Gemüsebrücke heisst, ist eine Begrünung aus statischen Gründen unmöglich. Dafür wird die Anzahl Bäume auf dem Weinplatz am linken Ufer von zwei auf vier erhöht.

Die Rathausbrücke soll aber weiterhin ein Treffpunkt für die Bevölkerung sein, mit Sitzbänken und einer neuen Beleuchtung. Food-Trucks etwa bleiben möglich. Die freie Mitte der Brücke könne weiterhin für den Wochenmarkt, das beliebte Karussell und andere Veranstaltungen genutzt werden, so wird in den Abstimmungsunterlagen versichert.

Die neue Brücke braucht eine Bewilligung des Kantons. Das dürfte kein Problem sein, er ist ja am verbesserten Hochwasserschutz interessiert. Zum Projekt gehören auch ökologische Ersatzmassnahmen, und selbstverständlich wird die Fachstelle Unterwasserarchäologie die Flusssohle beim Ausbaggern sorgfältig nach Fundstücken absuchen.

Im Grundsatz unbestritten

Obwohl vieles vorgegeben ist, führte die neue Brücke im politischen Prozess zu Diskussionen. Vor allem wegen der Kosten: Anfänglich war von 30 Millionen Franken die Rede. Durch Anpassungen und die Erkenntnis, dass während der Bauzeit eine Ersatzbrücke nötig ist, erhöhten sie sich auf rund 58 Millionen Franken. Etwa 8 Millionen übernimmt der Kanton.

Zweifellos bringt die Baustelle während Jahren erhebliche Beeinträchtigungen an einer empfindlichen Stelle der Stadt mit sich. Für einen Anwohner, der in einer Zuschrift kein gutes Haar am Projekt lässt, besticht dieses einzig durch Biederkeit, Achtlosigkeit und durch den hohen Preis.

Im Zürcher Gemeinderat blieb jedoch die Notwendigkeit des Brückenbaus im Grundsatz unbestritten. Die AL versprach, am Thema Beschattung dranzubleiben, die SVP lehnte die Vorlage als einzige Fraktion ab: Eine Brücke sei günstiger zu haben. Der Rat hiess im Juli das Geschäft mit 101 gegen 11 Stimmen gut. Die Bauarbeiten beginnen 2026 und dauern bis 2029.

Kein Thema mehr ist die Koordination mit dem Umbau des Rathauses. Parlamentsdebatten, während unmittelbar daneben eine Brücke gebaut wird, erachtete man als untragbar. Die kantonalen und die eidgenössischen Kommissionen für Denkmalpflege kritisierten aber den Einbau eines neuen Sitzungssaales, was dieses Projekt verzögert. Das Rathaus kann im Innern auch noch saniert werden, wenn die Brücke, die seinen Namen trägt, bereits neu erstellt ist.

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