Ein bekannter Fernsehmoderator wird antisemitisch verunglimpft, und die Verantwortlichen schieben die Schuld auf die künstliche Intelligenz. Dabei hat Frankreichs Linksaussenpartei La France insoumise schon lange ein Problem mit den Juden.
Cyril Hanouna ist – da scheiden sich die Geister – in Frankreich wahlweise ein genialer Entertainer oder ein gefährlicher Demagoge. Zwischen 1,3 und 2 Millionen Franzosen schauen pro Abend seine krawallige Unterhaltungssendung «Touche pas à mon poste!» (Rühr meine Glotze nicht an!), die immer für einen Eklat sorgt und von Montag bis Freitag im Privatsender CStar ausgestrahlt wird.
Der Moderator mit tunesisch-jüdischen Wurzeln streitet darin zusammen mit seinen aufgedrehten Co-Moderatoren und Studiogästen über aktuelle Fernsehprogramme, Promi-Skandale und gesellschaftliche Kontroversen. Es wird viel geflucht, wild durcheinandergeredet und improvisiert; wobei ganz so anarchistisch wie in früheren Jahren, als Hanouna einem Kollegen Nudeln in die Boxershorts kippte, geht es in der Sendung schon lange nicht mehr zu.
Reizfigur für die Linke
Hanounas Stil ist derb, laut, antiintellektuell – und gelegentlich brennt dem Fünfzigjährigen auch schon einmal die Sicherung durch. So wie im November 2022, als er den Abgeordneten Louis Boyard von der Linksaussenpartei La France insoumise (Unbeugsames Frankreich) bei sich im Studio hatte. Boyard kritisierte damals ausgerechnet Vincent Bolloré, den konservativen Medienunternehmer, in dessen eigenem Sender, worauf ihn Hanouna mit Ausdrücken wie «Idiot», «Trottel» und «Stück Scheisse» vom Set jagte.
Bolloré kontrolliert über den Konzern Vivendi die Canal-Plus-Gruppe, zu der auch CStar gehört. Frankreichs Medienaufsichtsbehörde verhängte nach dem Vorfall eine Rekordstrafe von 3,5 Millionen Euro gegen den Sender, der damals noch C8 hiess. Für den Medienmogul und Multimilliardär Bolloré dürfte die Geldbusse verschmerzbar gewesen sein. Auch der Beliebtheit Hanounas schadete die Sache nicht. Für die Parteigänger von La France insoumise (LFI) aber wurde der angeblich weit rechts stehende Moderator danach endgültig zur Reizfigur.
Und so tauchte kürzlich online ein Plakat auf, mit dem jemand aus den Reihen der Partei seine tiefste Verachtung gegenüber Hanouna zum Ausdruck brachte. Es ist ein Aufruf von LFI zu landesweiten Demonstrationen «gegen die extreme Rechte, ihre Ideen und ihre Ableger». Doch das auf dem Plakat abgebildete, von Hass zerfressene Gesicht des Moderators, das bedrohlich aus der Dunkelheit hervortritt, weckt unweigerlich Assoziationen zum antisemitischen Filmklassiker «Der ewige Jude». So offensichtlich ist die Ähnlichkeit zur Nazi-Bildersprache der 1940er Jahre, dass die Internationale Liga gegen Rassismus und Antisemitismus auf X kommentierte: «LFI rezykliert antijüdische Ikonografie.»
Avec cette affiche, il ne reste plus aucun doute : LFI recycle l’iconographie antijuive, de la Libre Parole de Drumont à la nazification des juifs par l’antisionisme radical, en passant par le Stürmer des nazis.
Cette représentation incarnée du juif maléfique, qui, dans l’ombre,… pic.twitter.com/00TqjYXaGg— Licra (@_LICRA_) March 12, 2025
Selbst der linke Journalist und Medienkritiker Daniel Schneidermann kritisierte die «Unbeugsamen». Es gebe doch so viele Fotos, die Hanouna als das zeigten, was er sei, nämlich eine «aufgeblasene faschistoide Figur», so schrieb er auf X. Man müsse seinen Unterstützern nicht auch noch eine Angriffsfläche bieten. «Antisemitischer Dreck bleibt Dreck, auch wenn er sich gegen einen Gegner richtet», kommentierte die sozialistische Senatorin Laurence Rossignol.
«Dann halten Sie den Mund!»
Bei La France insoumise reagierte man ungehalten. Die Antisemitismusvorwürfe, erklärte die Partei, seien «übelriechende Anschuldigungen», die hauptsächlich von «Rechtsradikalen und ihren Medien» in die Welt getragen würden. Man habe auf den Demo-Plakaten im Übrigen auch andere prominente Medienleute wie den CNews-Moderator Pascal Praud abgebildet, «die zur Verbreitung rechtsextremer Ideen beitragen».
Um den Anschuldigungen «ein Ende zu setzen», erklärte sich die Partei bereit, das Bildmaterial auszutauschen. Doch als ein Journalist von France 3 den LFI-Frontmann Jean-Luc Mélenchon vor laufender Kamera noch einmal direkt fragte, ob das Plakat antisemitisch sei, verlor dieser völlig die Fassung. «Wer sind Sie, um mir diese Frage zu stellen? Beschuldigen Sie mich? Dann halten Sie den Mund!», fuhr Mélenchon den Reporter an. Müsse man jetzt auch noch die «extreme Rechte» fragen, was veröffentlicht werden dürfe, und was nicht? Er selbst, so Mélenchon, werde schliesslich auch ständig karikiert.
Question : que se serait-il passé si le @RNational_off avait utilisé l’iconographie anti juive des années 30 et de la Shoah autour du « Juif Süss » et de la propagande nazie pour cibler une personnalité juive comme @FranceInsoumise l’a fait avec @Cyrilhanouna ? C’est très simple… pic.twitter.com/MxZmCqI0w3
— Haziza Frédéric (@frhaz) March 12, 2025
Hanouna kündigte unterdessen juristische Schritte gegen La France Insoumise an und sprach von einer «karikaturhaften Verzerrung» seines Gesichts, die absichtlich so gestaltet sei. «Das ist kein Angriff auf mich allein, sondern auf alle Juden in Frankreich», sagte er in seiner Sendung. Aber die grösste Posse sollte erst noch kommen. Schuld an dem Fehler, den der LFI-Abgeordnete Paul Vannier am vergangenen Freitag schliesslich doch noch einräumen wollte, sei eigentlich gar nicht seine Partei – sondern die KI.
Entworfen worden sei das Plakat nämlich nicht von Menschenhand, sondern mithilfe des KI-Tools «Grok» von Elon Musk. Und dort gebe es, sagte Vannier, bekanntlich viele «widerliche Inhalte», die auf die Ideologie des Tech-Milliardärs zurückzuführen seien. Diese Software überhaupt zu nutzen, sei ein Fehler gewesen. Nicht im eigenen Kopf, sondern durch einen Algorithmus, so die implizite Botschaft des LFI-Politikers, sei das antisemitische Framing entstanden.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Partei des linken Randes (die bei den Parlamentswahlen 2024 die meisten Sitze innerhalb des linken Lagers bekam) mit antisemitischen Vorwürfen konfrontiert wird. Keine politische Kraft in Frankreich positioniert sich einerseits so lautstark gegen Rassismus und Fremdenhass, bleibt beim Thema Judenhass jedoch zweideutig oder verbreitet sogar Verschwörungstheorien.
Ausfälle gegen jüdische Verbände
Ihr Gründer Mélenchon, der sich sonst gerne als kompromisslosen Humanisten inszeniert, nannte den jüdischen Dachverband CRIF vor einigen Jahren eine «aggressive Gemeinschaft, die den Rest des Landes belehren will». Dem jüdischen Rechtsaussenpolitiker Éric Zemmour warf er vor, selber antisemitische Klischees zu reproduzieren, da dieser die Assimilation von Minderheiten fordere und damit gegen eine angeblich jüdische Tradition der Abgrenzung verstosse.
Erst recht aber gilt Israel den LFI-Parteigängern als das Böse schlechthin. Die Europaabgeordnete Rima Hassan, eine Tochter palästinensischer Flüchtlinge, behauptete erst kürzlich wieder, dass die Hamas bei den Terrorattacken gegen israelische Zivilisten am 7. Oktober 2023 aus «völkerrechtlicher Sicht legitime Massnahmen» ergriffen habe. Man müsse die Gewalt der Hamas ja immer im Kontext des Kampfes eines «kolonialisierten Volkes gegen seine Besatzer» begreifen. Israel, so Hassan in einem Interview, sei «eine Monstrosität» und ein «genozidales Regime», das palästinensische Gefangene «von Hunden vergewaltigen lässt».
Zwischen Hassan und Hanouna könnten die ideologischen Gegensätze nicht grösser sein – sie steht für radikale Anklage gegen Israel, er für die Verteidigung jüdischen Lebens in Frankreich. Es spricht Bände, dass die antisemitische Abgeordnete trotzdem oder genau deswegen zu den Aushängeschildern ihrer Partei zählt.