Donnerstag, Oktober 3

Mögliche Fälle von Diskriminierung müssten besser dokumentiert werden, fordert rot-grün. Die Bürgerlichen reden von «Bürokratiewahnsinn».

Wenn in Zürich über Personenkontrollen diskutiert wird, sind für die Linken die Meinungen schnell gemacht. Immer wieder, so der Vorwurf, gebe es bei der Stadtpolizei Fälle von Racial Profiling: Personen würden einzig aufgrund ihrer Hautfarbe oder anderer äusserlicher Merkmale festgehalten, was diskriminierend sei.

Exemplarisch steht für rot-grün der Fall Mohamed Wa Baile: Der Schweizer kenyanischer Herkunft ging bis vor den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg, weil er überzeugt war, im Jahr 2015 bei einer Personenkontrolle im Hauptbahnhof Zürich ein Opfer von Racial Profiling geworden zu sein. Im Februar dieses Jahres folgte dann der Rüffel aus Strassburg: Die Gerichte in der Schweiz hätten nicht genügend geprüft, ob Wa Baile tatsächlich diskriminiert worden sei.

In Zürich wird seit Jahren über Massnahmen gegen angebliches Racial Profiling gestritten. Eine Forderung ist schon mehrmals aufgetaucht: Die Stadtpolizei solle bei Personenkontrollen Quittungen ausstellen, damit die Kontrollen «bewusster» durchgeführt und die Angehaltenen ausreichend über den Grund der Kontrolle informiert würden.

In der Quittung festgehalten werden sollten unter anderem minimale Angaben zur kontrollierten und der kontrollierenden Person, dem Zeitpunkt der Kontrolle sowie dem Grund. Nun hat die AL einen neuen Anlauf mit einer parlamentarischen Initiative genommen, die am Mittwochabend im Stadtparlament behandelt. Das Quittungssystem sollte in die Allgemeine Polizeiverordnung aufgenommen werden.

Nur: Das Stadtparlament verfügt gar nicht über die Kompetenz, die Polizei mit einer ebensolchen Bestimmung zu ergänzen. Dies hat ein Gutachten ergeben, das die Geschäftsleitung des Gemeinderats in Auftrag gegeben hat. Personenkontrollen sind abschliessend im Kantons- und Bundesgesetz geregelt.

AL: Kontrollen nicht nach Bauchgefühl durchführen

Somit war schon zu Beginn der Debatte am Mittwoch im Rat klar: Die Einführung eines Quittungssystems ist aus formalen Gründen nicht möglich, und die parlamentarische Initiative wird deshalb abgelehnt. Dennoch entbrannte im Rat eine ausschweifende und teils emotionale Diskussion über angebliche Diskriminierung vonseiten der Polizei.

Michael Schmid (AL) sagte, die Quittungen brächten auch für die Polizistinnen und Polizisten Vorteile, denn sie ermöglichten ihnen eine «faire, rechtsstaatlich korrekte und effektive» Arbeit. Kontrollen dürften nicht nach Bauchgefühl durchgeführt werden.

Severin Meier (SP) erklärte, seine Partei respektiere das Gutachten und werde sich in der Abstimmung enthalten, auch wenn dies der politischen Haltung der SP «diametral» widerspreche. Die Polizei müsse Racial Profiling als Problem ernst nehmen und weitere Massnahmen dagegen ergreifen. Ähnlich klang es vonseiten der GLP.

Gar nichts von den Quittungen hielten die Bürgerlichen. Andreas Egli (FDP) räumte ein, dass es eine Sensibilisierung brauche bei der Frage nach missbräuchlichen Kontrollen. Doch in den letzten Jahren sei einiges bei der Polizei gegangen.

Tatsächlich werden bei der Stadtpolizei seit Februar 2018 Personenkontrollen in einer App dokumentiert und Ort, Datum, Uhrzeit, Begründung des Anhaltens, Kontrollergebnis sowie eine Identifikation der kontrollierenden Person festgehalten; Personendaten werden aus Gründen des Datenschutzes nicht erhoben. Zudem sollen demnächst Bodycams eingeführt werden. «Die bringen wirklich etwas», sagte Egli.

Kantons- und Bahnpolizei könnten keine Belege ausstellen

Die SVP kritisierte, dass man der Stadtpolizei strukturellen Rassismus vorwerfe – zu Unrecht. Die Einführung von Quittungen sei ein reiner «Bürokratiewahnsinn», sagte Derek Richter. Überdies sei die Wirkung von Quittungen sehr begrenzt. Dies, weil die Kantons- und Bahnpolizei – sie sind ebenfalls auf Stadtgebiet unterwegs – keine Belege ausstellen könnten.

Als nach über einer halben Stunde Beratung Samuel Balsiger (SVP) auf den Drogenhandel in Zürich zu sprechen kam, der von Nigerianern dominiert werde und das eigentliche Problem sei, riss dem Ratspräsidenten Guy Krayenbühl (GLP) kurz der Geduldsfaden: «Können wir bitte auf die Quittungen zurückkommen?»

Es dauerte dann noch weitere zehn Minuten bis zur Abstimmung, die Klarheit brachte: Auch in Zukunft wird die Polizei bei Personenkontrollen keine Quittungen ausstellen. Das Thema ist damit aber noch nicht gegessen. Die SP hat ein Postulat eingereicht mit der Forderung, der Stadtrat müsse weitere Massnahmen gegen Racial Profiling prüfen.

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