Freitag, Oktober 11

Der Regierungsrat erläutert seine Kriterien für die Priorisierung von Investitionen. Mitglieder des Kantonsrats fordern Transparenz.

Der Kanton Zürich kann seine Investitionen nicht mehr aus eigenen Mitteln stemmen. Um die Neuverschuldung einzudämmen, sollen gewisse Projekte priorisiert und andere zurückgestellt werden. Darüber informierte Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) Ende August mit dem Budget 2025. Erst auf Nachfrage nannte er unter anderem das Tram Affoltern und die Kantonsschule im Knonauer Amt, als Beispiele aus einer «Riesenliste» aufgeschobener Vorhaben.

Wenig verwunderlich stiess ihr weiterer Inhalt auf grosses Interesse. Doch nun stellt die Regierung klar: Die Liste zu den Priorisierungen ist eine Grundlage für ihre eigenen Entscheidungen und «nicht öffentlich». Der Regierungsrat bezieht sich auf den Passus im Gesetz zum Öffentlichkeitsprinzip, wonach Einschränkungen möglich sind, wenn die Bekanntgabe einer Information «den Meinungsbildungsprozess des öffentlichen Organs beeinträchtigt».

Das lässt darauf schliessen, dass das Aufschieben von Investitionen in der Regierung selber zu schwierigen Diskussionen führte. Stocker bemerkte an der Budget-Medienkonferenz, diese Aufgabe sei nicht einfach und auch nicht schön. Nach seiner Ankündigung gingen aus dem Kantonsrat drei dringliche Anfragen ein.

Der Regierungsrat nützte die Frist von fünf Wochen nicht aus und publizierte die Antworten bereits am Donnerstag. Darin führt er die bereits bekannten Kriterien für die Priorisierung von Investitionen auf. Was auf jeden Fall in die Finanzplanung kommt: wenn etwa bereits Kredite bewilligt sind oder der Aufschub zu Sicherheitsrisiken führt. Und welche Bewertungen zu einem Aufschub führen können, etwa wie viel oder wenig Geld bereits für ein Projekt ausgegeben worden ist.

Aber eben, die Liste selber und eine Antwort darauf, wieso etwa der Bau der Kantonsschule Affoltern aufgeschoben wird, gehen daraus nicht hervor. Ist eine Investition zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe zwingend nötig oder nicht, und dient sie eher dem Werterhalt oder der Wertvermehrung? Über diese weiteren Kriterien kann man im Einzelfall geteilter Meinung sein.

Recht auf Information

Die Fragesteller aus dem Parlament sind denn auch unzufrieden. Tobias Mani (EVP, Wädenswil) ist der Erstunterzeichner der dringlichen Anfrage, mit der vom Regierungsrat generell mehr Transparenz gefordert wurde. «Dass die Regierung die Liste aufgeschobener Investitionen nicht öffentlich macht, geht gar nicht», sagt er gegenüber der NZZ.

Nicht nur er als Parlamentarier, sondern die Öffentlichkeit überhaupt habe ein Recht auf genauere Informationen, betont Mani. An einigen Orten warte die Bevölkerung seit Jahren auf die Realisierung von Projekten mit grosser Bedeutung.

Für Daniel Sommer (EVP, Affoltern am Albis), Erstunterzeichner der dringlichen Anfrage zur Kantonsschule im Ämtler Bezirkshauptort, fiel die Antwort der Regierung wie erwartet und unbefriedigend aus. Insbesondere bestehe ein Widerspruch zu Aussagen der Bildungsdirektion und des Mittelschul- und Berufsbildungsamtes an einem Orientierungsabend vor einem Jahr in Affoltern am Albis.

Damals habe es geheissen, die Zahl der Schülerinnen und Schüler steige stärker an als erwartet. Deshalb sei der Bedarf an dem Gymnasium ausgewiesen, sagt Sommer. Die Stadt Affoltern sei sogar aufgefordert worden, vorwärtszumachen mit der Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen am vorgesehenen Standort. Das habe sie im Frühling mit einer Anpassung der Bauordnung auch getan.

Wenn ein Provisorium für die Kantonsschule Affoltern auf das Schuljahr 2028/29 bereitstehen soll, seien ab 2025 erste Beträge in der Finanzplanung vorzusehen, fordert Sommer. Vor kurzem hat die Standortförderung Knonauer Amt den Regierungsrat in einem offenen Brief dazu aufgerufen, an der Mittelschule Affoltern und einem verlässlichen Plan zu ihrer Realisierung festzuhalten.

Gar nicht glücklich über die Antwort der Regierung zum Tram Affoltern ist Felix Hoesch (SP, Zürich), Erstunterzeichner der entsprechenden Anfrage: «Das ist der Beginn einer Verzögerung, die sich dramatisch auswirken könnte.» Das Tramprojekt habe noch andere Hürden zu nehmen, wie eine Volksabstimmung und die Erledigung von Beschwerden: «Da ist es gefährlich, bereits in der kantonalen Investitionsplanung die Finanzierung hinauszuschieben.»

Laut Hoesch, Mitglied der kantonsrätlichen Verkehrskommission, steht auch viel Geld auf dem Spiel. Es bestehe die Aussicht, dass sich der Bund zu etwa einem Drittel (also mit rund 170 Millionen Franken) an den Kosten für das Tram Affoltern beteilige, im Rahmen der 4. Generation der Agglomerationsprogramme. Das aber nur, wenn der Baubeginn spätestens im März 2029 erfolgt. Das hält auch die Regierung in ihrer Antwort fest.

Unzufrieden ist Hoesch ebenso über die Antwort zum Restaurant Frieden, das dem Tram Affoltern buchstäblich im Weg steht. Im Moment besteht nämlich die Aussicht, dass eine Verschiebung und damit Rettung des Gebäudes von privater Seite finanziert wird. Die Verträge hätten aber Fristen und bei einer grossen Verzögerung könne die private Hilfe hinfällig werden, sagt Hoesch.

Mehr Klarheit zum Prozess

Zurückhaltender tönt es aus jenen Kommissionen, die sich primär mit kantonalen Investitionen befassen. Barbara Franzen (FDP, Niederweningen), die Präsidentin der Kommission für Planung und Bau, findet es zunächst wichtig, dass die Regierung mit den Antworten auf die dringlichen Anfragen Klarheit darüber schafft, welche Kriterien bei der Priorisierung angewendet wurden. Nun könne der Prozess besser nachvollzogen werden.

Franzen erwähnt als Beispiel, wie zum Tram Affoltern ausgeführt werde, dass eine Verschiebung verkraftbar sei, da der zusätzliche Verkehr im Aussenquartier mit einem verdichteten Busbetrieb aufgefangen werden könne. Und sie betont, es seien keine Planungen gestoppt worden.

Umgekehrt seien erste betroffene Projekte durch Finanzdirektor Ernst Stocker eher beiläufig bekanntgemacht worden, sagt Franzen. Insofern sei es verständlich, dass betroffene Regionen wie das Knonauer Amt aufgescheucht worden seien und deren politische Vertretungen nun näher Aufschluss verlangten.

Auch sie kenne die ominöse Liste aufgeschobener Projekte nicht, versichert die Kommissionspräsidentin. Diese werde noch zu reden geben. In ihrer Kommission bestehe schon die Erwartung, dass man sie einmal zu Gesicht bekomme.

Auch in der Finanzkommission wird das Thema weiter diskutiert. Ihr Präsident Karl Heinz Meyer (SVP, Neerach) stellt aber fest, man habe eine gewisse Intransparenz der Abläufe und in der Kommunikation durch die Regierung festgestellt, was zu Unverständnis geführt habe. Die Finanzkommission werde bis zur Budgetberatung im Dezember die Frage der Investitionen zweifellos genau anschauen.

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