Freitag, Oktober 18


Auf Promotions-Tour

Weit vor den Oscars machen Stars vermehrt mit ihren Looks auf Filme und ihre Figuren aufmerksam. Das geht so weit, dass sie auch ausserhalb der Leinwand optisch in ihre Rollen schlüpfen – dafür gibt es nun sogar einen Begriff.

Über viele Jahre gab es für die meisten Hollywoodstars keinen wichtigeren Modemoment als die Oscars. Die berühmte Filmpreisverleihung stellte aufgrund ihrer historischen und wirtschaftlichen Bedeutung für die Filmbranche einen Höhepunkt des Eventkalenders in Los Angeles dar. Man wusste: Jeder ist gespannt, jeder schaut hin, jeder am Rande des roten Teppichs stehende Reporter stellt die Frage: Wen tragen Sie? Im Anschluss wurde gezittert, wer auf der «Best»- und wer auf der «Worst Dressed»-Liste landen würde.

Doch gerade im Hinblick auf den modischen Auftritt eines Celebrity und wie dieser der Selbstvermarktung nützt, erscheint die Oscar-Verleihung, die in diesem Jahr am Sonntag, 10. März, stattfindet, zunehmend als nur ein Event von vielen.

Schauspielerinnen und Schauspieler sind im Grunde das ganze Jahr damit beschäftigt, mit aufsehenerregenden Looks auf sich aufmerksam zu machen, ob auf Filmfestivals, Modewochen und Partys, in Talkshows oder selbst beim «Coffee Run» in Beverly Hills. Vor allem Promotionstouren, für die Stars durch die Welt reisen und ihre neuen Filme vermarkten, gleichen längst eigenen Modenschauen.

Die Stars bleiben in ihrer Filmrolle

Eines der besten Beispiele war Margot Robbies Pink-Parade während der Pressetour zum Film «Barbie» im vergangenen Jahr: Die Schauspielerin trug nicht nur Rosa in unzähligen Schattierungen, viele Looks waren von den Outfits echter Barbie-Puppen inspiriert. Zurzeit wiederum kriegten sich Modemedien kaum mehr ein vor Begeisterung über die Looks des Casts des neuen «Dune II»-Films, bestehend aus Zendaya, Timothée Chalamet, Austin Butler und Florence Pugh. Gemeinsam tourte die Gruppe von einer Metropole zur nächsten, stets gekleidet in extravaganten Designer-Looks, die oft die Ästhetik des Films widerspiegelten.

So begeisterte Zendaya mit einem Kleid der britischen Designerin Torishéju Dumi, das durch die drapierten Stoffrollen und erdigen Farbtöne perfekt zu Zendayas «Dune»-Rolle der Wüstenkriegerin passte. Und vergangene Woche zog die Schauspielerin die Aufmerksamkeit auf sich mit einem silbernen Panzerlook – ein Vintage-Outfit aus der Herbst/Winter-Couture-Kollektion 1995 von Mugler. Die Rüstung wird so zur Reverenz an ihren Filmcharakter: die junge Kriegerin Chani in Dune.

«Method Dressing» nannte die US-«Vogue» in einem Artikel aus dem vergangenen Jahr die immer selbstverständlicher werdende Praxis unter Schauspielern, ihre Looks bei öffentlichen Auftritten thematisch an den Film anzupassen, den sie gerade vermarkten. Timothée Chalamet hat man diesem Jahr schon mehrmals in der Farbe Lila gesehen, eine Referenz auf die Figur des Willy Wonka, die der 28-Jährige im Film «Wonka» spielt.

Die Darstellerin der Arielle in Disneys Neuverfilmung der «Kleinen Meerjungfrau» von 2023 Halle Bailey setzte mit ihrer Garderobe für die Pressetour auf schimmernde Meeresfarben und Bustierkleider mit Meerjungfrauen-Linie.

So steuern Stars über die Mode, wie sie wahrgenommen werden sollen

Vor allem das «Barbie»-Beispiel hat gezeigt, wie sehr die modische Ausstattung einer Pressetour die Vorfreude auf einen Film anheizen kann. Für die Stars selbst ist es jedoch fast noch wichtiger, sich selbst und ihre Persönlichkeit in Szene zu setzen. Mode hat sich dabei zu einem extrem effektiven Werkzeug entwickelt. Der frühere Disney-Kinderstar Zendaya hat sich mit avantgardistischen Outfits vom Image des massentauglichen braven Teenagers befreit und gilt als eine der bestgekleideten Schauspielerinnen ihrer Generation.

Anne Hathaway musste sich bei all ihrem Erfolg über viele Jahre auch zahlreiche Lästereien der Internet-Community anhören, die sie brav, unauthentisch oder steif fanden. Seit sie mit der Stylistin Erin Walsh zusammenarbeitet und in dem Zuge mutigere und trendgetriebene Looks trägt – von knallpinken Valentino-Minikleidern hin zu schwarzem Leder von Versace – wird sie nicht mehr als hübsche und strebsamer Mainstream-Gesicht gesehen, sondern als Frau mit Persönlichkeit.

Und wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Brad Pitt mal auf einem Event mit einem Rock für Aufsehen sorgt und ganz lässig die wichtige Botschaft vermittelt: Was ist schon dabei?

Bei all diesen Auftritten spielen natürlich Celebrity-Stylisten eine entscheidende Rolle. Der Stylist Law Roach, der zum Beispiel für Zendaya und Céline Dion arbeitet, beschreibt seine Zunft gerne als die eines «Image-Architekten». Die Idee: mit Kleidern, Taschen und Schuhen konstruieren Star und Stylist gemeinsam eine Fassade, die nach aussen hin transportieren soll, wer die VIP sind (oder wie sie gesehen werden wollen).

Wer ein modisches Statement abgibt, über den wird gesprochen

Jedes Outfit ist heute das Ergebnis eines aufwendigen Prozesses, bei dem zahlreiche Faktoren berücksichtigt werden, von der Bedeutung des Designers bis zur politischen Haltung. Das ist ein riesiger Unterschied zu den Gewohnheiten der Vergangenheit, als ein Star wie Jodie Foster im Jahr 1989 das Kleid, in dem sie einen Oscar in Empfang nahm, ganz alleine und ohne jede Beratung in irgendeiner Boutique in Rom gekauft haben soll.

Aber damals gab es ja auch noch kein Social Media. Denn weil besonders gelungene Looks sofort viral gehen, hat die Zusammenarbeit zwischen Celebrity und Stylist das Potenzial, über den Erfolg einer Karriere zu entscheiden. So wird der Schauspieler Jacob Elordi, der derzeit in den Filmen «Priscilla» und «Saltburn» zu sehen ist, derzeit auch deswegen so angehimmelt, weil er mit gerade einmal 25 Jahren das Stilgefühl eines erfahrenen «GQ»-Redaktors aufweist.

Wer sich gut anzieht oder zumindest ein denkwürdiges modisches Statement abgibt, über den wird gesprochen, der bleibt in Erinnerung, der hat die Follower auf seiner Seite – und damit im besten Fall auch Regisseure, Produzenten und zahlkräftige Werbepartner aus der Luxusbranche.

Die Oscars haben sich in dem Kontext zu einem Event entwickelt, bei dem die interessantesten Entwürfe eher im Showroom hängen bleiben. Die meisten Stars setzen auf «Old Hollywood»-Glamour, auf Glitzer und Blumenstickereien, klassische Farben und Bustier-Silhouetten und weite Röcke.

Natürlich wird der rote Teppich weiterhin akribisch analysiert und jeder Look auseinandergenommen. Doch wirklich wegweisend ist das modische Geschehen dort nicht mehr. Es gibt zu viele andere Plattformen, Events und Gelegenheiten, bei denen Stars und ihre Stylisten heute alles geben, um den einen Look zu erschaffen, der in Erinnerung bleibt und aus der Bilderflut auf Instagram heraussticht.

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