Samstag, September 28

Die kartellrechtlichen Bedenken bezüglich der Übernahme der Ita Airways durch die Lufthansa sind nach weiteren Zugeständnissen offenbar ausgeräumt. Eine offizielle Bestätigung durch die EU wird für die nächsten Tage erwartet.

Die Lufthansa kann nun wohl doch bei Ita Airways einsteigen. Das berichten gut informierte Branchenkreise. Eine offizielle Bestätigung der EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die das Vorhaben kartellrechtlich prüft, steht jedoch noch aus.

Das Vorhaben stand lange auf der Kippe. Brüssel prüft das Projekt, das mehrmals vor dem Scheitern stand, seit vielen Monaten. Lufthansa, Ita Airways und der italienische Staat, der die Gesellschaft zu 100 Prozent kontrolliert, hatten vor etwa einem Jahr den Einstieg der deutschen Luftfahrtgesellschaft angekündigt. Für den Erwerb von zunächst 41 Prozent will die Lufthansa 325 Millionen Euro zahlen. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die vollständige Übernahme geplant. Der gesamte Kaufpreis wird mit 829 Millionen Euro angegeben.

Bedenken wegen Transatlantikrouten

Nach Ansicht des Verkehrsexperten Andrea Giuricin von der Mailänder Universität Bicocca, war letztlich das Entgegenkommen der Lufthansa bei den Interkontinentalverbindungen entscheidend. Das Unternehmen ist bereit, italienische Passagiere auch zu Flugdrehscheiben von Konkurrenten wie Air France-KLM, British Airways und Iberia zu fliegen, also nach Paris, Amsterdam, London und Madrid. Vestager äusserte mehrmals Bedenken, dass der Wettbewerb auf den Transatlantikrouten nach Nordamerika durch die Übernahme zum Nachteil der Reisenden beeinträchtigt werde.

Die Lufthansa wies diese Bedenken stets zurück. Überschneidungen gebe es nur wegen der Kooperation mit Lufthansa-Partnern wie United Airlines oder Air Canada in der Star Alliance. Das deutsche Unternehmen war nicht bereit, eigene Verbindungen aufzugeben oder die Allianz gar zu verlassen. Denn dadurch wären ökonomische Nachteile entstanden. Für Verkehrsexperte Giuricin war Vestagers Argument ohnehin nicht überzeugend. Schliesslich sei der italienische Markt sehr wettbewerbsintensiv.

Zu den Zugeständnissen der Lufthansa, die in Italien bereits mit ihrer Tochter Air Dolomiti präsent ist, gehört auch die Aufgabe von insgesamt 30 bis 34 Slots am Flughafen Mailand-Linate. Diese Verbindungen gehen an die Billig-Airlines Easyjet und Volotea. Ausserdem darf Ita Airways erst in zwei Jahren der Star Alliance beitreten.

Rom als neues Drehkreuz

Der italienische Markt wird von Billig-Airlines beherrscht. Klarer Marktführer ist Ryanair. Ita kommt auf etwas mehr als zehn Prozent. Für die Lufthansa ist Italien bereits jetzt schon der zweitwichtigste Markt. Lufthansa ist in Italien vor allem am Ausbau des Frachtgeschäfts und des Flughafens Rom Fiumicino als Drehkreuz Richtung Afrika, Südamerika und Asien interessiert.

Mit Ita würden die Deutschen, die auch an der portugiesischen Tap interessiert sind, ihre Position in Europa weiter ausbauen. Zur Lufthansa gehören zudem bereits die Swiss, Austrian Airlines und Brussels Airlines. Kritiker sehen jedoch die Gefahr, dass Rom politischen Einfluss nehmen könnte, wenn in Italien kritische Entscheidungen anstehen.

Das jüngste Entgegenkommen Brüssels könnte ebenfalls politische Gründe haben. Sowohl Italiens Wirtschafts- und Finanzminister Giancarlo Giorgetti, als auch der Lufthansa-CEO Carsten Spohr und Ita-Präsident Antonio Turicchi waren mehrmals in Brüssel zu Besuch. Rom vermutete stets, dass Paris das Vorhaben hintertreibt. Wettbewerbskommissarin Vestager wies diese Vermutung jedoch wiederholt zurück. Es gehe darum, Preiserhöhungen für die Verbraucher zu verhindern.

Gewerkschaften für Übernahme

Matteo Salvini, Chef der rechtsnationalen Lega und Vize-Premier, der die EU ohnehin als Wurzel allen Übels betrachtet, befeuerte die anti-europäische Stimmung, indem er die Ablehnung des Vorhabens als «schweren Angriff auf Italien, einen feindlichen Akt, den wir nicht einfach hinnehmen würden» bezeichnete. Auch die Gewerkschaften befürworten die Übernahme von Ita durch die Lufthansa. Sie gehen davon aus, dass die Integration etwa 18 Monate dauern wird.

Verkehrsexperte Giuricin hält das Projekt sowohl aus Sicht der Lufthansa, als auch aus der Warte von Ita und der Verbraucher für sinnvoll. «Wäre es zu Fall gekommen, hätte die Gefahr bestanden, dass Ita Konkurs anmelden muss.» Ita sei zu klein und habe selbst in dem für die Branche guten Jahr 2023 einen Verlust von fünf Millionen Euro geschrieben. Giuricin glaubt, dass der Steuerzahler zudem ohne eine Übernahme weiteres Geld nachschiessen müsste.

Die frühere Alitalia hat den Steuerzahler im Laufe der Jahrzehnte nach Schätzungen bereits rund 16 Milliarden Euro gekostet. Ita ging im Oktober 2021 an den Start und ist offiziell nicht Rechtsnachfolgerin der Alitalia, obwohl sie mit dieser weitgehend identisch ist. Brüssel genehmigte deshalb weitere 1,3 Milliarden Euro an Hilfen, die bereits ausbezahlt wurden.

Die italienische Airline ist jedoch mit einem Umsatz von 2,4 Milliarden Euro und 85 Flugzeugen ein Zwerg im Vergleich zu den Branchenriesen und drohte, im Wettbewerb mit den Grossen und den low-cost-Konkurrenten zerrieben zu werden. Ohne ein Bündnis könnte Ita auf Dauer nicht überleben. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben noch 420 Millionen Euro in der Kasse. Für den Kauf neuer Flugzeuge hat sich Ita ausserdem Finanzierungen von 240 Millionen Euro gesichert. Für dieses Jahr werden Erlöse von 3,4 Milliarden Euro sowie ein Nettogewinn angepeilt.

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