Sonntag, April 27

Ein internationales Schachturnier in den Alpen wird von Todesfällen überschattet. «Zugzwang» heisst der starke Fall, bei dem längst nicht alles schwarz-weiss ist.

Die vermeintliche Tote im dampfenden Pool des Nobelhotels ist schön wie ein romantisches Gemälde. Der Rücken zartgliedrig, das Haar an der Wasseroberfläche schlingpflanzenhaft drapiert. Dann holt sie Luft, steigt aus dem Becken, greift nach der Champagnerflasche, tritt an die Brüstung – und fällt in die Tiefe.

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Nur die Riesen des Wettersteingebirges sind Zeugen. Die Sekundantin der «Königin» des Schachs, Natalie Laurent, ist tot. Die Favoritin aus Frankreich verliert damit ihre wichtigste Unterstützerin, das Turnier der Weltspitze hat seinen ersten Skandal. Und das ist nur der Anfang.

Mit seinen ersten Szenen glückt der «Tatort»-Folge «Zugzwang» ein Auftakt, der an Qualität schwer zu überbieten ist. Geschmacksicher wie James Bond. Beunruhigend wie ein Poem von Lord Byron. Jede Kameraeinstellung ein Täuschungsmanöver genauso wie die Story selbst.

Geschlechterkampf auf dem Brett

Kaum sind die Ermittler aus dem fernen München zur Stelle, ist klar: Der Präsident des Weltverbands, Kamran Hasanov, ein schuftiger Chauvi aus Aserbaidschan, ist über den Tod der Frau als Erster glücklich: «Die Schlampe» Laurent erhält mit dem Tod ihrer Mitarbeiterin einen heftigen Hieb. «Sie hat das Schach kaputtgemacht! Sie hat alles kaputtgemacht!» Denn nicht Schach werde hier gespielt, sondern ein Geschlechterkampf ausgetragen. Die französisch-frivole Laurent (Roxane Duran) greift die Weltspitze an, das männliche Monopol über den Weltmeistertitel!

Schach ist eine Männer-Hochburg, in der Schweiz beispielsweise sind lediglich 7,5 Prozent der Spieler weiblich. Liegt es daran, dass Frauen «furchtbare Schachspieler sind», wie der Weltmeister Bobby Fischer behauptet hat. Oder daran, wie Ivo Batic (Miroslav Nemec) weisst: «Frauen einfach Besseres mit ihrer Zeit zu tun haben?»

Für den Frauenhasser Hasanov (Husam Chadat) ist es so oder so klar: «Schachspieler sind die klügsten Menschen.» Frauen könnten nicht denken und seien nicht aggressiv. Die Figur aus einer fernen Zeit ist die einzige unterkomplexe Knallcharge unter vielschichtigen Charakteren, die alle ihr Interesse an Laurent haben. Bei weiteren Anschlägen im Hotel taucht eine Turmfigur vor der Zimmertür auf, die phallische Symbolik spricht für sich. Der Kreis der Verdächtigen weitet sich in den Zuschauerraum aus.

Welche Rolle spielt der Veranstalter des Turniers, der mit der Agent Provocateur Laurent Kasse macht? Und gerne den Posten von Hasanov übernähme. Dieser aber hat seine männerherrliche Rechnung ohne Laurent gemacht, er bezahlt seine Einstellung mit dem Leben: Die Französin spielt nicht nur weltmeisterlich Schach, sondern mit ihren Gegnern auch weltmeisterlich Katz und Maus.

Domina-Montur

Laurent ist der perfekte Angstgegner. Provokation und Psychologie von Kopf bis Fuss: ein joviales Zwinkern für den Rivalen, wenn sie zart wie eine Limoges-Figur in den Saal tritt; ihr Outfit halb Négligé, halb Domina-Montur. «Dame schlägt König» lautet ihre knallharte Überzeugung, mit der sie die männliche Schachwelt zum Schwitzen bringt.

Doch es kursieren Gerüchte: Laurent soll bei Online-Partien betrogen haben. So auch ihren stärksten Konkurrenten am Brett, Teddy Boyle (Max Befort). Ihm gerät regelmässig die kunstblonde Frisur aus der Form, wenn er der Französin gegenübersitzt. Und stimmt es, dass Lilit Kayserian, die tote Sekundantin, bereit war, gegen ihre Chefin auszusagen?

Alle Sympathien gelten der «Königin», alle Abneigung gilt dem Schachzirkus. Auch das kann in die Irre führen. In der Taktik des Täuschens um der Gerechtigkeit willen ist Natalie Laurent jedenfalls unbestreitbar ein Vorbild für ihr ganzes Geschlecht.

«Tatort» aus München, «Zugzwang», am Sonntag, 27. 4., 20.05 / 20.15 Uhr, SRF 1 / ARD.

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