Mittwoch, März 12

Die Mailänder Mode- und Lifestyle-Marke Fiorucci verband Disco mit Mode, machte Einkaufen zu einem popkulturellen Erlebnis und wurde zu einer Institution der 1970er und 1980er Jahre. Sie präsentiert auch heute noch Prêt-à-porter-Kollektionen – ihre goldenen Zeiten aber liegen lange zurück.

Mailand verwandelt sich während der Modewoche in ein wildes Treiben aus gut gekleideten Menschen, die in Windeseile die neusten Kollektionen der grossen italienischen Designer bestaunen. Wer eine Auszeit braucht, findet in der Triennale di Milano statt einem Blick in die Modezukunft einen in die Vergangenheit. Die Kunst- und Designausstellung «Elio Fiorucci» widmet sich dem berühmten, 2015 verstorbenen Trendscout und Unternehmer. Eine Hommage an vergangene Zeiten – oder erlebt Fiorucci tatsächlich ein Comeback?

Einkaufen wurde dank Fiorucci zum Erlebnis

Im Jahr 1935 wurde Elio Fiorucci in Mailand geboren. Er lernte in dem Pantoffel-Geschäft seines Vaters, wie wichtig es ist, Trends vorauszusehen und vor allen anderen der Kundschaft anbieten zu können. Eine Reise nach London diente dann als Inspirationsquelle für sein später neue Massstäbe setzendes Unternehmen.

Das war zur Zeit des von Diana Vreeland, der einstmaligen Chefin der amerikanischen «Vogue», benannten «Youthquake» in den 1960er Jahren, ein Wandel hatte die Modewelt geprägt: Statt von der Elite wurden die modischen Strömungen nun von der Strasse bestimmt, von den jungen Menschen, die rebellierten und sich ausprobierten. Auch Elio Fiorucci wollte sich diesem Beben anschliessen. Er beschloss, seinen eigenen Laden zu eröffnen.

1967 eröffnete er sein erstes Geschäft, in der Galleria Passarella. Mailand wurde von einer neuen, knallbunten Neon-Ästhetik überrollt. In einem Disco-Ambiente konnte sich die Kundschaft bei lauter Musik und grellen Lichtern Vintage-Mode und poppig bedruckten T-Shirts widmen, Kaffee trinken oder Burger essen. Fiorucci bot nicht nur eine Einkaufsmöglichkeit, sondern ein Erlebnis und wurde zu einem beliebten Treffpunkt der Mailänder Jugend. Musik, Kunst, Mode und Architektur – all das liess sich an einem einzigen Ort geniessen. Nicht umsonst gilt Elio Fiorucci als der Erfinder des Concept-Stores.

Der Fiorucci-Laden, das «Studio 54 für tagsüber»

Das Konzept ging auf, und die «Fioruccis» sprossen bald nur so aus dem Boden. Ein besonderer Standpunkt wurde der Ableger in New York City. Entworfen von bedeutenden italienischen Architekten wie Franco Marabelli, etablierte er sich zu einem Lieblingsort von Künstlern und Intellektuellen. Keith Haring, Jean-Michel Basquiat und Truman Capote gehörten hier zu der Klientel, bald wurde die Filiale als das «Studio 54 für tagsüber» bezeichnet. Hier auch lancierte Andy Warhol sein «Interview Magazine».

«Ich war bei Fiorucci, und es macht so viel Spass dort. Es ist genau das, was ich mir immer gewünscht habe – alles aus Plastik», liest sich ein Tagebucheintrag Andy Warhols aus dem Jahr 1983. Fiorucci gehörte zu den ersten Marken, die innovative Materialien nutzten und Schuhe, Taschen und Schmuck aus Plastik anboten. In den Geschäften fanden sich Mode-Highlights aus aller Welt – Monokinis aus Brasilien, Glasperlen aus New Mexico, Leoparden-Print, schrille Regenmäntel und -stiefel. Und bald auch die ersten Stretchjeans überhaupt, in den lautesten Farben, hauteng.

Junge Trendsetter und Stylisten spürten die neusten globalen Hits in Klubs und Strassenszenen auf und etablierten sie bei Fiorucci. Eine Kollaboration mit Disney ging die Marke ein und brachte nach der Veröffentlichung des Films «Flashdance» eine Kollektion aus Bodies, Beinwärmern, Leggings und Schweissbändern auf den Markt. Fioruccis Stil ergab sich aus der perfekten Mischung von Hippiekultur und Pop-Art und verkörperte die unkonventionelle Stimmung des Londons der 1960er Jahre – genau so, wie es sich der Gründer gewünscht hatte.

Die 1970er und 1980er Jahre galten als Fioruccis Hochzeit. Die Marke wurde zu einer popkulturellen Institution, expandierte wie wild. Vibrierende, grafische Prints, eine spielerische Leichtigkeit, ironische Kommunikation und provokative Kampagnen – Fiorucci war überall. Die Autorin Eve Babitz schrieb ein Buch über das damals schon legendäre Modelabel, Madonna sang zum fünfzehnten Geburtstag, und der Künstler Keith Haring gestaltete eine Fiorucci-Jeanshose und ganze Geschäftsräume in seinem Graffiti-ähnlichen Stil.

Aufgrund geschäftlicher Herausforderungen, Markenübernahmen und sich verändernder Marktbedingungen in den 1990er Jahren musste Elio Fiorucci das Unternehmen jedoch verkaufen.

Erhaltung des kultigen Erbes

Das berühmte Fiorucci-Logo zeigt die stilistische Neuinterpretation eines viktorianischen Bildes zweier Engel und wurde von dem Architekten Italo Lupi entworfen. Vor einigen Jahren blitzte es plötzlich wieder überall auf: Kappen, Taschen, T-Shirts und Sweatshirts – der Schriftzug und das Symbol der Marke wurden an Stars und auf der Strasse gesichtet. 2015 hatte das Unternehmerpaar Janie und Stephen Schaffer Fiorucci übernommen und einen Relaunch initiiert. Grosshändler wie Selfridges und Zalando boten die Mode an – ein Comeback? Ja, jedoch keines von langer Dauer.

Wenig später wechselte die Marke erneut den Eigentümer. Seit 2023 ist Alessandro Pisani Geschäftsführer, die kreative Leitung liegt bei Francesca Murri, die schon bei Gucci und Ferragamo Mode designt hat. Der Fokus solle nun auf der Erhaltung des kultigen Erbes liegen, weniger in Richtung Merchandise gehen, sondern einen künstlerischen Anspruch verfolgen, so Pisani. Die Preise sollten steigen, die Qualität und damit auch das Segment, in das Fioruccis Produkte eingeordnet werden. Doch bis jetzt lässt der grosse Erfolg auf sich warten.

Klassische Silhouetten zu wilden Prints: die Interpretation von Elio Fioruccis Erbe im Jahr 2025.

Auch während dieser Mailänder Modewoche präsentierte Fiorucci seine neue Kollektion in einer Modenschau. Murris Entwürfe griffen bekannte Motive wie Prints und Plastik auf und kombinierten sie mit klassischen Silhouetten wie Blazern, Jeansjacken und Cardigans. Doch zwischen Vintage-Ästhetik, Lacklederkleid und Sport-Elementen scheint sich das neue Fiorucci noch nicht gefunden zu haben. Ob es jemals wieder zu alter Strahlkraft zurückfindet oder ob das Label nur als Erinnerung an Elio Fioruccis Erbe bestehen bleibt, bleibt abzuwarten.

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