Montag, September 30

Aktien aus dem zuvor heissgelaufenen Technologiesektor erleiden Verluste, während der Rest des Marktes mit Avancen glänzt. Small Caps in den USA vollziehen einen rekordverdächtigen Sprung. Was steckt dahinter?

Über die fünf Handelstage zwischen dem 10. und dem 17. Juli hat der amerikanische Leitindex S&P 500 rund 0,8% verloren, der MSCI World handelt unverändert. Der Blick auf die Oberfläche der breiten Indizes suggeriert also weitgehende Ruhe an den Aktienmärkten.

Doch unter der Oberfläche hat im Wochenverlauf eine Verlagerung stattgefunden, wie sie seit Jahren oder sogar Jahrzehnten nicht mehr zu beobachten war. Einen Hinweis darauf liefert die folgende Grafik:

Der S&P 500 Equal Weight Index (grüne Kurve), in dem alle fünfhundert amerikanischen Standardwerte das gleiche Gewicht erhalten, hat innerhalb von fünf Handelstagen markant zugelegt und ein Rekordhoch erreicht. Der Russell 2000, der Index der kleinkapitalisierten US-Werte (Small Caps, rote Kurve), hat rund 10% gewonnen – nachdem er zuvor im bisherigen Jahresverlauf nicht vom Fleck gekommen war und eine wachsende Unterperformance zum S&P 500 (blau) zeigte.

Noch extremer fällt der Vergleich zwischen dem Russell 2000 und dem «Magnificent Seven»-Index aus, der zu gleichen Teilen aus Apple, Microsoft, Nvidia, Amazon, Tesla, Alphabet und Meta Platforms besteht: Die Small Caps haben über fünf Handelstage 10% gewonnen, während die Tech-Kolosse 7,2% verloren haben.

Noch nie in der Geschichte seines Bestehens seit 1979 hat der Russell 2000 im Vergleich zum Nasdaq 100, der von den grossen Tech-Werten dominiert wird, eine derart grosse Überperformance innerhalb von fünf Handelstagen gezeigt.

Die Marktbreite, die im Verlauf der vergangenen Wochen bedrohlich dünn geworden war, hat damit wieder deutlich zugenommen. Die Magnificent Seven, Aktien aus dem Halbleitersektor (u.a. Nvidia, Broadcom, AMD) sowie Wachstums-Darlings wie Eli Lilly oder Costco in den USA sowie Novo Nordisk und ASML in Europa – die zuvor die Hausse praktisch im Alleingang getragen hatten – haben Verluste erlitten, während der Rest des Marktes mit Avancen glänzt. «Unter der Oberfläche entstehen neue Bewegungen an den Aktienmärkten», urteilt der Marktbeobachter Alfons Cortés.

Doch was hat diese heftigen Verlagerungen ausgelöst?

Wie immer an den Börsen lassen sich Preisbewegungen nie monokausal erklären. Besonders im Halbleitersektor ist es in den vergangenen Monaten unter dem Eindruck des Hypes um das Thema künstliche Intelligenz zu einer Blasenbildung gekommen. Nun hat eine Konsolidierung eingesetzt.

Unter zusätzlichen Druck geriet der Sektor am Mittwoch, als die Agentur Bloomberg unter Berufung auf informierte Kreise berichtete, die Biden-Regierung plane eine Verschärfung der Exportbestimmungen für Halbleiter und Halbleiter-Equipment nach China. Dabei soll auch der Druck auf die Niederlande und Japan erhöht werden, ihre Exporte einzuschränken. Zulieferer wie ASML aus den Niederlanden sowie Tokyo Electron aus Japan haben im Nachgang der Meldung Verluste von mehr als 10% erlitten.

Ein Auslöser der Sektorverschiebung war zudem die Publikation der Inflationsdaten in den USA vor einer Woche. Der Teuerungsdruck hat stärker nachgelassen als erwartet, die Rendite zehnjähriger Treasury Notes ist mittlerweile auf unter 4,15% gesunken. Noch Anfang Juli hatte sie beinahe 4,5% erreicht. Dieser Zinsrückgang beflügelte unter anderen klassische «Long Duration»-Aktien in der Biotech-Branche, die zuvor arg gebeutelten US-Regionalbanken sowie den gesamten Immobilien- und Bausektor – kurz gesagt alle Unternehmen, die davon profitieren, wenn die Zinsen sinken.

Es ist unmöglich, zu sagen, wie lange diese Entwicklung anhält. Derzeit kann nur die Feststellung geäussert werden, dass erstens die Marktbreite wieder zunimmt und zweitens die zuvor heissgelaufenen Tech-Werte, besonders in der Chip-Industrie, eine Konsolidierung verdauen müssen.

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