Der Offroad-Klassiker erscheint in Neuauflage. Unter der fast unveränderten Karosserie ist nun jedoch neben den konventionellen auch ein vollelektrischer Antriebsstrang verfügbar – mit erstaunlichen Offroad-Fähigkeiten.

Vor fünfzig Jahren kraxelten Mercedes-Ingenieure zum ersten Mal mit einem G-Klasse-Prototyp steile, unbefestigte Hänge hoch. Vier Jahre später war das erste Serienmodell startbereit. Als Offroad-Spezialist war das Auto einzig der extremen Geländetauglichkeit verpflichtet.

Kräftige Motorisierung, ein verwindungssteifer Leiterrahmen sowie Allradantrieb mit Reduktionsgetriebe und allen nötigen Sperrdifferenzialen mussten her. Sein Äusseres fiel entsprechend der Vorgabe «form follows function» kompromisslos aus: hoher Einstieg für grosse Bodenfreiheit, senkrechte Fenster rundum für optimale Sicht, robuste Türen und Türfallen für sicheres Einsteigen in jedem Gelände.

Gestartet wurde das grosse Offroad-Abenteuer 1979 mit Vier-, Fünf- und Sechs-Zylinder-Diesel- und Benzinmotoren, die sich mit 72 bis 150 PS noch mit bescheidener Leistung zufriedengaben. Interessiert am neuen G-Modell waren vorerst vor allem Militärverbände, Kommunen, Förster und Jäger. Für Bauern dagegen passte das in der Schweiz als Puch G angebotene Fahrzeug mit Preisen ab 33 100 Franken meistens nicht ins Budget.

Lifestyle-Offroad-Liebhaber gesellten sich erst später zur Fan-Gemeinde – spätestens dann, als die Mercedes-Sportabteilung AMG das potente Derivat G 63 zu den Händlern brachte. Und dass die G-Klasse heute vielfach auch als Kindertaxi verwendet wird, kümmert die Entwickler anscheinend wenig. Sie setzen immer noch alles daran, Fahrzeuge mit ausserordentlichen Geländeeigenschaften auf die Räder zu stellen.

G steht für Geländewagen

Nun erscheint der Mercedes-Klassiker in Neuauflage. Die ikonische Karosserieform bleibt erhalten. Noch immer erinnert die Silhouette an eine Lego-Konstruktion, noch immer denkt man beim Betätigen der rustikalen Türfallen an eine Kühlschranktüre, und noch immer poliert man nach der Fahrt durch Schlamm und Pfützen beim Aussteigen unweigerlich mit den Hosenbeinen den Türschweller. Geblieben sind auch das Ersatzrad an der Hecktür und die aufgesetzten Blinker.

Mit dem aktuellen Infotainment-System des Konzerns wird die G-Klasse zudem nun digitaler. Zur Serienausstattung gehört auch die Augmented-Reality-Navigation, die auf dem Display grafische Hinweise in Live-Bilder der Frontkamera einblendet. Das wirkt eindrücklich, bringt aber auf der Fahrt keinen grossen Nutzen. Dafür bietet das Offroad-Cockpit in den Displays einen guten Überblick über die relevanten Infos für das Fahren abseits befestigter Strassen.

Ausserdem gibt es Schaltflächen für den Schnellzugriff auf Funktionen, die für den Geländebetrieb wichtig sind. Über das Offroad-Menu lässt sich auch die Funktion «Transparente Motorhaube» aufrufen. Sie ermöglicht einen virtuellen Blick nach vorne unter das Fahrzeug.

Auf dem Geländepfad erfährt man rasch, dass das Auto die Modellbezeichnung G für Geländewagen zu Recht trägt. Sowohl langsam über scheinbar unüberwindbare felsige Abschnitte als auch schnell auf der Offroad-Piste liefert der G sehr eindrückliche Fahrerlebnisse. So, dass man weder an der Steigfähigkeit von 100 Prozent noch an der möglichen Schräglage von 35 Grad und an den Wattiefen von 70 bis 85 Zentimetern zweifelt.

Der Elektroantrieb bietet neue Vorteile

Einen starken Eindruck hat auf den ersten G-Klasse-Probefahrten der G 580 EQ hinterlassen. Die Elektroversion übernimmt – mit einigen Modifikationen – den bewährten verwindungssteifen Leiterrahmen der Modelle mit Verbrennungsmotor, platziert dazwischen die 116-kWh-Batterie. Diese ermöglicht Reichweiten von bis zu 473 Kilometern, musste jedoch bei Thermo-Management sowie Schlag- und Kratzfestigkeit umfassend angepasst werden. Als Schutzschild unter dem Akku dient eine 2,6 Zentimeter dicke und 57 Kilogramm schwere Platte aus Carbon-Verbundmaterial, die mit mehr als 50 Stahlschrauben am Leiterrahmen befestigt ist.

Angetrieben wird der Elektro-G von vier individuell ansteuerbaren Einzelmotoren. Sie entwickeln eine Höchstleistung von 432 kW sowie ein maximales Drehmoment von 1164 Nm. Mit der Torque-Vectoring-Regelung kann das Antriebsmoment vollvariabel auf die einzelnen Räder verteilt werden. So lassen sich virtuelle Differenzialsperren realisieren.

Da sich das Drehmoment in Sekundenbruchteilen genau dort aufbaut, wo es gebraucht wird, fährt die elektrische G-Klasse auch in schwierigstem Gelände souverän bergauf und bergab. Zusammen mit der Geländeuntersetzung, also einer besonders kurzen Gangauslegung, werden nicht nur herausragende Fahreigenschaften, sondern auch besondere Funktionen ermöglicht.

Mit G-Turn beispielsweise ist ein Wenden des Fahrzeugs auf losem Untergrund fast auf der Stelle möglich. Wenn die beiden Räder auf der einen Seite vorwärts und die gegenüberliegenden Räder rückwärts drehen, ist der Wendekreisdurchmesser nur unwesentlich grösser als die Fahrzeuglänge.

Auch mit der Funktion G-Steering kann ein deutlich kleinerer Wendekreis erreicht werden, weil durch eine gezielte Antriebsmomentregelung der einzelnen Räder das Fahrzeug um das kurveninnere Hinterrad dreht.

Dank der Offroad-Kriechen-Funktion in drei Geschwindigkeitsstufen bewältigt der Elektroantrieb selbständig schwierigste Streckenabschnitte im Gelände. Der Fahrer kann sich dann voll auf das Lenken konzentrieren.

Die Batterie der elektrischen G-Klasse lässt sich sowohl mit Wechselstrom als auch mit Gleichstrom laden. An der Wallbox wandelt der 11-kW-Onboard-Lader den Strom im Fahrzeug um, und Schnellladen ist mit Ladeleistungen von bis zu 200 kW möglich. Dann beträgt die Ladezeit von 10 bis 80 Prozent rund 32 Minuten.

Es gibt auch konventionelle Antriebe

Wer nach wie vor auf Verbrennermodelle setzt, der hat die Wahl zwischen Dieseln und Benzinern, die dank Mildhybrid über eine Rückgewinnungsfunktion für die Bremsenergie verfügen. Die Modelle G 450 d und G 500 liefern aus sechs Zylindern und je drei Litern Hubraum Maximalleistungen von 367 und 449 PS sowie Offroad-freundliche Höchstdrehmomente von 750 und 560 Nm. Der Motor des Topmodells G 500 stammt von AMG und arbeitet mit Abgasturbolader und elektrischem Zusatzverdichter.

In Bezug auf das Leistungsniveau und das Fahrerlebnis eine Stufe höher angesiedelt ist der Mercedes-AMG G 63. Er vertraut auf einen aufgeladenen 4-Liter-V8 und sorgt mit 850 Nm und 585 PS Antriebskraft für sportwagenähnliche Fahrleistungen. Im AMG-Modell sorgt das Fahrwerk mit aktiver Wankstabilisierung und adaptiver Dämpfung sowohl für optimierte Fahrdynamik als auch für mehr Komfort. Mit der Länge von 4,87 Metern und dem Gewicht von 2640 Kilogramm ist er rund fünf Zentimeter länger und mehr als 100 Kilogramm schwerer als G 450 d und G 500. Gegenüber dem elektrischen G 580 EQ ist er dagegen um mehr als 400 Kilogramm leichter.

Preislich startet die neue G-Klasse bei 150 900 (G 450 d) und 161 900 Franken (G 500), während für den G 63 mindestens 234 900 Franken fällig werden. Mit dem Basispreis von 162 900 Franken hält sich die E-Variante G 580 EQ angenehm zurück. Das mit viel Zusatzausstattung aufgewertete Sondermodell Edition One kostet allerdings 210 800 Franken.

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