Freitag, Oktober 18

Beim angekündigten Verkauf von Hotelplan reihen sich Pleiten, Pech und Pannen aneinander. Bereits sagen prominente mögliche Käufer ab.

Das Fernweh ist am stärksten, wenn die Nächte lang und die Tage kalt sind. Im tiefen Winter haben Reisebüros Hochkonjunktur. Im Januar und Februar planen viele Schweizerinnen und Schweizer ihre grossen Sommer- und Herbstferien. Von den Reisebüros werden sie mit aufwendigen Kampagnen umworben.

Dieses Jahr wird die Buchungssaison aber von einem gewaltigen Knall aufgerüttelt: Hotelplan, die Nummer eins im Schweizer Reisemarkt, soll verkauft werden. Das gab die Noch-Besitzerin Migros vor zwei Wochen bekannt. Man wolle Hotelplan die Möglichkeit geben, sich ausserhalb der Migros «besser entwickeln» zu können.

Hotelplan ist eine Ikone des Migros-Universums, die vom Gründer Gottlieb Duttweiler persönlich erschaffen wurde. In der Reise-Industrie schüttelt man aber nicht nur den Kopf, weil die Migros diese nun abstösst. Sondern auch, weil sie das Geschäft ihrer Reisetochter – ob nun bewusst oder unbewusst – erheblich schwächt.

Mehrere Branchen-Insider sagen, dass Ende Januar der «dümmstmögliche Zeitpunkt» gewesen sei, eine solche Botschaft zu überbringen. Denn das Reisegeschäft funktioniert über Vorauskasse und basiert auf Vertrauen: Kundinnen und Kunden zahlen vorab Tausende von Franken und lösen ihre Ferien erst Monate später ein. Da ist Unsicherheit sprichwörtlich Gift fürs Geschäft.

Schwache Verhandlungsposition

Einen vergleichbaren Fall hat es schon einmal gegeben: Am 14. Januar 2015 teilte Heinz Karrer, damals Präsident des Schweizer Kuoni-Konzerns, mit, dass er dessen Reisegeschäft verkaufen wollte. Ein involvierter Manager erinnert sich: «Die Leute haben nicht mehr bei uns gebucht, weil sie nicht wussten, ob ihre Ferien noch sicher sind.» Woche für Woche fielen die Umsätze, was potenzielle Käufer abgeschreckt habe. Am Ende sei Kuoni, heute eine Marke der zum deutschen Detailhändler Rewe gehörenden DER Touristik, deutlich unter Wert verkauft worden.

Die Migros-Manager hätten das wissen können. Hotelplan bot damals Hand für eine Schweizer Lösung und hätte gerne Teile von Kuoni übernommen. Bekanntlich kam es anders. Nun macht die derzeitige Migros-Führung um Mario Irminger, Präsident der Migros-Generaldirektion, denselben Fehler – und mindert dadurch möglicherweise den Wert von Hotelplan.

Ohnehin hat sich die Migros von Beginn an in eine schwache Verhandlungsposition gebracht. Statt in aller Ruhe im Hintergrund auf Käufersuche zu gehen, hat sie offensiv kommuniziert, dass sie Hotelplan nicht mehr haben will. Das Reisebusiness passe nicht zum Handelsgeschäft.

So ist ein Rückzug kaum mehr möglich, was es potenziellen Investoren erlaubt, den Preis zu drücken. Kommt hinzu, dass die Migros-Spitze Hotelplan als ganze Gruppe verkaufen will, auch wenn «eine Aufteilung nicht grundsätzlich» ausgeschlossen sei.

Die Detailhändlerin lässt mitteilen, dass es wohl «nie einen idealen Zeitpunkt fürs Kommunizieren» eines solchen Entscheids gebe. Sie versichert jedoch: «Sämtliche Geschäfte und Marken laufen wie bisher zuverlässig weiter. Das garantiert die Migros.»

Aus Hotelplan-Kreisen hört man, dass das Unternehmen zufrieden sei mit dem Buchungsstand. Man könne aber auch nicht wissen, wie es gewesen wäre, wenn die Migros zu einem anderen Zeitpunkt kommuniziert hätte. Vor dem Bekanntwerden der Verkaufsabsichten hatte Hotelplan einen guten Lauf. Es wird im März einen Rekordgewinn bekanntgeben.

Klar ist jetzt schon, dass es ein schwieriger Verkaufsprozess werden wird. Auch die Migros räumt ein, dass er «längere Zeit in Anspruch» nehmen werde. Das liegt vor allem daran, dass es keine naheliegenden Käufer gibt. Tui, der weltweit grösste Reisekonzern aus Deutschland, hat sich seit der Übernahme von Imholz-Reisen im Jahr 2006 eine starke Präsenz in der Schweiz aufgebaut. Das Unternehmen will mögliche Kaufabsichten nicht kommentieren. Aus dem Inneren hört man, dass das Interesse eher gering sei.

Bereits gibt es offizielle Absagen. Die türkisch-deutsche Anex-Gruppe, zu der Neckermann Reisen und Bucher Reisen gehören, antwortet auf Anfrage der «NZZ am Sonntag»: «Es besteht von unserer Seite kein Interesse an einem Einstieg bei der Hotelplan-Gruppe beziehungsweise Teilen davon.» Auch die zum Clan des Andermatt-Investors Samih Sawiris gehörende FTI Touristik winkt ab, wie man aus Unternehmenskreisen hört.

Migros muss Wort halten

Die Kuoni-Besitzerin DER Touristik, die in der Schweiz rund 70 Filialen führt, lässt immerhin durchblicken, dass man sich alle Optionen offenhalte. Man nehme die Verkaufsabsichten zur Kenntnis. «Wie die Migros selbst kommuniziert hat, steht dieser Prozess noch ganz am Anfang», schreibt ein Kuoni-Sprecher.

Für all diese Firmen sind wohl nur Teile von Hotelplan interessant. Etwa der Ferienhaus-Spezialist Interhome, der in der Reisebranche als «Perle» gilt. Die Migros oder die späteren Besitzer müssten Hotelplan filetieren. Für die Migros würde das den Verkaufserlös erhöhen, aber der Imageschaden wäre gewaltig.

Es gibt aber auch gute Argumente dafür, Hotelplan in der heutigen Form zu belassen. Für ein Reiseunternehmen ist es nämlich ziemlich gut diversifiziert. Läuft es im Badeferiengeschäft einmal nicht, kann das durch britische Winterferiengäste aufgefangen werden. Aktuell macht die grosse Nachfrage im Freizeitmarkt wett, dass die Geschäftsreisen schwächeln. Basis von Hotelplan ist ohnehin der starke Heimmarkt mit Schweizer Touristen. Die sind im Ausland sehr beliebt, weil sie spendabel sind: hier noch eine Massage, dort den teureren Wein. Sie sind oft der Türöffner für gute Hotel-Deals.

Damit ist Hotelplan ein ideales Projekt für ein Konglomerat aus Übersee, das sich in Europa ein neues Geschäft aufbauen will. Solche Firmen gibt es, nur sind sie hierzulande wenig bekannt. Zum Beispiel Flight Centre, das grösste australische Reiseunternehmen. Oder der Flughafenoperateur Dnata aus Dubai, der auch bereits ein kleines Standbein im Tourismus hat.

Die Migros kann den Kuoni-Deal also durchaus noch versöhnlich über die Bühne bringen: Wenn sie Hotelplan en bloc an einen Investor verkauft, der, statt das Messer anzusetzen, in das Unternehmen investiert. Voraussetzung dafür ist, dass die Migros Wort hält – und auf maximalen Verkaufserlös verzichtet.

Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»

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