Dienstag, Februar 4

Etliche Absagen, interne Kämpfe und immer wieder irritierende Alleingänge: Die Mitte erinnert in den Wochen vor der Bundesratswahl an ein Laientheater. Versuch einer Rekonstruktion.

Diese Woche begann für die Mitte-Partei so, wie die vergangene geendet hatte: chaotisch. Am Montagvormittag, wenige Stunden vor Ablauf der Bewerbungsfrist für die Bundesratswahl, gab es halbstündlich Neuigkeiten.

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Die Baselbieter Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter sagte in einem Beitrag auf X, sie wolle nicht Bundesrätin werden. Aus Zürich hiess es, dass sich auch Nationalrätin Nicole Barandun gegen eine Kandidatur entschieden habe. Im Tessin hatte die Mitte zu einer Pressekonferenz eingeladen und damit kurzfristig Spekulationen ausgelöst. Die kantonale Parteiprominenz sprach dann aber nur über regionale Themen – und grinste dabei wie eine Clique von Lausbuben.

Eine halbe Stunde später gab die Mitte Schweiz schliesslich bekannt, dass sich offiziell nur zwei Kandidaten zur Wahl stellen. Der St. Galler Nationalrat und Bauernpräsident Markus Ritter sowie der Zuger Regierungsrat Martin Pfister. Man hört, dass er sich erst im letzten Moment entschieden habe. Fragen beantwortet er derzeit keine.

Und am Nachmittag wiederholte der Parteipräsident Gerhard Pfister vor den Medien, dass er eine wilde Wahl «nie» annehmen werde.

Nach wochenlangem Suchen hat die Partei doch noch zwei Kandidaten gefunden und damit die Minimalanforderungen an eine Bundesratspartei erfüllt. Immerhin.

Doch sie bleibt hinter ihrem Selbstverständnis und ihren Machtansprüchen zurück.

Die Mitte-Frauen überschätzten ihren Einfluss

Laut Parteiprogramm hält die Mitte das ganze Land zusammen. Doch in den vergangenen vier Wochen glich sie einem Laientheater, in dem das Chaos Regie führt.

Vor einem Monat trat der Parteipräsident Pfister beim traditionellen Dreikönigsgespräch der Mitte vor die Medien und kündigte seinen Rücktritt an. Die Medien hatten vermutet, er wolle sich in eine gute Ausgangslage für die nächste Bundesratswahl bringen. Doch der Eindruck täuschte.

Innerhalb von wenigen Tagen wurde Pfister von der eigenen Partei desavouiert – präziser: von den Mitte-Frauen.

Diese sind es auch, die die unglücklichsten Rollen in diesem laienhaften Stück spielen. Seit Amherds Rücktrittsankündigung forderten die Mitte-Frauen – ungewöhnlich aggressiv für eine Partei der Kompromisse – eine weibliche Kandidatur. Für den Bundesrat und das Parteipräsidium.

Christina Bachmann-Roth, die Präsidentin der Mitte-Frauen, sagte im «Blick» – als sich noch alle Favoriten zurückhielten: «Dem Parlament ist klar, dass eine Frauenminderheit das Land nicht korrekt repräsentiert. Es würde, wenn die Mitte etwa Gerhard Pfister und eine Frau nominiert, die Frau wählen.» Kurz darauf sagte die Vizepräsidentin Yvonne Bürgin in der «Arena», dass sie sich jemand «Jüngeres» auf dem Ticket wünsche.

In den Medien kursierten zudem Vorwürfe gegen Pfister und die Generalsekretärin Gianna Luzio – das Duo habe die atmosphärischen Störungen in der Parteizentrale zu verantworten. Andrea Gmür, die Favoritin der Mitte-Frauen für die Bundesratswahl, sagte: «Wenn bis zur Bundesratswahl die Sache nicht geklärt ist, geht das nicht mit Herrn Pfister auf dem Ticket.»

Wenig später erklärte Pfister, er wäre ein unglücklicher Bundesrat. Er zog sich zurück, so wie bald auch Martin Candinas, Philipp Matthias Bregy und Benedikt Würth.

Und die Frauen? Taten es den Männern gleich: Die Favoritinnen Isabelle Chassot und Heidi Z’graggen verzichteten. Und setzten die Mitte-Frauen damit unter Druck, da diese sich bereits forsch in eine missliche Lage hineinkommuniziert hatten. Nun hätten sie heruntertemperieren müssen, da sie noch immer ohne eine Kandidatin dastanden.

Stattdessen kritisierten sie weiter eigene Parteikollegen. Als Markus Ritter vergangene Woche seine Kandidatur bekanntgab, sagte er in holprigem Französisch, dass sich die Frauen in der Mitte eher weniger für das VBS interessierten. Die Mitte-Frauen bezeichneten diese Äusserung als Affront gegen Amherd und die Sicherheitspolitikerin Gmür.

Nachdem die Mitte-Frauen aber keine eigene Kandidatin gefunden haben, wirken diese Äusserungen bestenfalls wie eine Selbstüberschätzung: Wieso fordert man unmissverständlich einen Platz auf dem Ticket, bevor man sicher ist, dass es Kandidatinnen gibt? Warum setzte man öffentlich alles auf Gmür? Warum wartete diese so lange bis zur Absage? Offenbar hat es Frauen gegeben, die sich eine Kandidatur zumindest hätten vorstellen können – aber den Entscheid der Luzernerin abwarten wollten. Dann wurde die Zeit zu knapp.

Ehrgeizige Männer irritierten

Die Aufregung um eine weibliche Kandidatur mag die Haupthandlung in diesem kleinen Drama gewesen sein, aber das Stück hatte noch viel mehr zu bieten. Auf einmal, so schien es, wollten nach knapp einer Dekade unter Pfister, der stets die Macht auf sich vereint hatte, alle ihren Auftritt haben. Das Vakuum, das er und auch Amherd hinterlassen, sorgte für sonderbare Auftritte.

Der Zuger Ständerat Peter Hegglin hatte sich bereits 2019 um einen Bundesratssitz beworben, stolperte aber über seine fehlende Sprachkompetenz. Am Wochenende sagte er dann in den Medien, man habe ihn zwar nicht angefragt, aber sollte er «wild» gewählt werden, würde er die Wahl annehmen. Am Montag krebste Hegglin wieder zurück.

Auch viele Regierungsräte, die zwischendurch als Kandidaten gehandelt wurden, liessen sich für ihren Entscheid auffallend viel Zeit, brachten dann aber zum Ausdruck, dass sie gar nicht kandidieren wollten.

Am deutlichsten zeigte sich dies im Fall des Walliser Staatsrates Christophe Darbellay. Anfang Januar beantwortete er tagelang keine Medienanfragen, dann sagte er im Westschweizer Fernsehen, dass er sich eine Kandidatur überlege. In der «Rundschau» deutete er vergangene Woche schliesslich an, dass er wohl nicht kandidiere. Doch am Sonntagabend lud er die nationalen Medien in einen kleinen Unterwalliser Weiler.

Dort sprach er minutenlang über seine Gedankengänge, so lange und ausführlich, dass er Erwartungen weckte. Um dann doch zu sagen, dass er lieber Staatsrat und Familienvater in der Peripherie als Bundesrat in Bern sei.

An dieser Argumentation gibt es Zweifel. Aus der Mitte-Partei heisst es, der Machtpolitiker Darbellay habe seine Chancen auf den Bundesrat ernsthaft ausgelotet. Für diesen Mittwoch hatte der Vorstand der Unterwalliser Mitte bereits eine Sitzung angesetzt. Die Partei wollte über einen Ersatz für Darbellay in den Staatsratswahlen sprechen. Am 2. März findet der erste Wahlgang statt.

Offenbar, so erzählt man sich, sei eine Kandidatur für den Bundesrat doch zu riskant gewesen für Darbellay. Also sagte er Nein und setzte den Wahlkampf für den Staatsrat fort. Am Montagmorgen verteilte er am Bahnhof von Sitten wieder Gipfeli.

Der Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy schrieb in einer Mitteilung der Partei am selben Tag: «Die Schweiz steht vor grossen Herausforderungen. Mehr denn je brauchen wir Politikerinnen und Politiker, die in der Lage sind, Blockaden zu überwinden und den Zusammenhalt der Schweiz zu gewährleisten.»

Es ist einer dieser typischen Mitte-Sätze. Es geht um Blockaden und um nicht weniger als den Zusammenhalt der Schweiz. Doch jüngst war eher der Zusammenhalt der Mitte gefährdet.

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