Freitag, Januar 31

Erst schien es, als ob niemand aus der Partei in die Regierung wollte. Nun steigt in Teilen der Mitte die Anspannung und in anderen die Ambition.

Die Mitte-Partei steht vor entscheidenden Augenblicken. Am Montag gibt sie bekannt, welche Kandidaten sich für einen Platz auf dem Bundesratsticket bewerben.

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Am Sonntagabend lädt Christophe Darbellay, Walliser Staatsrat und vormaliger CVP-Präsident, zu einer Pressekonferenz. Nach Charrat, einem Ortsteil von Martigny, nahe dem Epizentrum seiner Macht. Dort will Darbellay bekanntgeben, ob er zur Wahl antritt oder nicht.

Die Luzerner Ständerätin Andrea Gmür ist eine weitere Favoritin. Doch sie verhält sich derzeit ruhig. Anfragen lässt sie von der Combox beantworten. Bisher hat erst der St. Galler Nationalrat und Bauernpräsident Markus Ritter seine Kandidatur öffentlich gemacht.

Tagelang meldete niemand in der Mitte ernsthafte Ambitionen auf den Bundesratssitz von Viola Amherd an. Es schien, als ob die Partei wenige Jahre nach ihrer Umbenennung in eine Sinnkrise schlittere.

Doch jetzt, wenige Tage vor Ablauf der Frist, ist die Mitte doch noch in Bewegung geraten.

Vorgezogene Vereidigung

Am Dienstag lud der Bauernpräsident Markus Ritter Medienvertreter aus dem ganzen Land nach St. Gallen und erklärte, dass er im Verteidigungsdepartement aufräumen würde und erst gehen möchte, wenn er die Verwaltung sauber hinterlassen könne. Es klang wie eine vorgezogene Vereidigung.

Ein Bonmot zu den Bundesratswahlen besagt: Wer sich zuerst bewegt, verliert. Ritter verhielt sich so, als habe er davon nie gehört. Er kritisierte – untypisch für Bundesratskandidaten – sogar Parteikollegen.

In St. Gallen sagte Ritter über fehlende weibliche Kandidaturen, dass sich die Mitte-Frauen eben nicht für das Verteidigungsdepartement interessieren würden. Die Mitte-Frauen bezeichneten diese Aussage als Affront gegen die abtretende VBS-Chefin Viola Amherd und gegen Andrea Gmür, die Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission im Ständerat. Darauf krebste Ritter zurück.

Doch in den Medien und in Bundesbern regte sich seit seinem Auftritt Skepsis. Ritter wäre ein weiterer Vertreter mit bäuerlichem Hintergrund in der Landesregierung. Es mehren sich Stimmen, die eine Alternative wünschen. Der Name Andrea Gmür wird oft als erster genannt.

Wer erlöst die Mitte-Frauen?

Gmür ist in einem Milieu von selbstbewussten Mitte-Männern aufgewachsen. Ihr Vater war St. Galler CVP-Ständerat, ein konservatives Schwergewicht. Sie selbst soll aber immer wieder mit machtbewussten Mitte-Männern gehadert haben. Mit ihren männlichen Kollegen im Ständerat, mit dem Parteipräsidenten Pfister.

Nachdem die Mitte-Frauen mehrfach und offensiv eine weibliche Kandidatur auf dem Ticket der Mitte gefordert haben, ist der Druck auf Gmür gestiegen, für das Amt zu kandidieren.

Bereits vergangene Woche hat Gmür angekündigt, dass sie sich erst an diesem Wochenende entscheiden wird. Doch bei den Mitte-Frauen kommt Nervosität auf. Sie hatten forsch auf eine weibliche Kandidatur gepocht und den Mitte-Präsidenten Gerhard Pfister attackiert. Zudem haben mit Isabelle Chassot und Heidi Z’Graggen bereits zwei Favoritinnen auf ihrer Liste abgesagt. Sollte Gmür es ihnen gleichtun und keine andere Frau kandidieren wollen, droht eine Blamage.

Aber auch Gmür ist nicht unbestritten: Kritiker sagen, dass Gmür als Fraktionspräsidentin gescheitert sei, ein Amt, dass sie nur ein Jahr lang ausübte. Unterstützerinnen verweisen dagegen auf ihre gute Arbeit als Kommissionspräsidentin.

In diesem aufgeregten Zustand der Unklarheit versuchen gewisse Mitte-Frauen, den Druck auf Gmür bereits zu reduzieren. Sie argumentieren im Hintergrundgespräch etwa, dass die Mitte in der Landesregierung jahrelang ausschliesslich Frauen gestellt habe. Doch anderen Frauen ist das zu wenig: Sie suchen konkret nach Alternativen zu Gmür.

Ins Spiel gebracht wird etwa die Baselbieter Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter. Allerdings heisst es aus der Mitte, Schneider-Schneiter wolle nicht unbedingt, sie würde aber nötigenfalls einspringen. Immer wieder fällt auch der Name von Nicole Barandun, Nationalrätin aus Zürich. Sie schreibt auf Anfrage, dass sie sich erst am Montag äussern wolle.

Die beiden Frauen gelten als letzte Optionen des liberalen, proeuropäischen Lagers in der Mitte und wären das Gegenteil zum konservativen Bauernpräsidenten Ritter. Doch intern dürften sie es schwer haben, für viele in der Mitte-Fraktion stehen sie zu weit links.

Darbellay, der Landesvater

Diese Gemengelage könnte der Walliser Staatsrat Christoph Darbellay für sich nutzen. Darbellay gilt als moderat konservativ und stammt aus einer christlichsozialen Familie. Er hat als langjähriger Nationalrat und ehemaliger CVP-Präsident Erfahrung im Parlament. Aber als solcher war er mitverantwortlich für die Abwahl des SVP-Patrons Christoph Blocher – oder inszenierte sich nachträglich zumindest so.

Die SVP bildet im Parlament die grösste Fraktion und dürfte sich noch gut daran erinnern. Hinzu kommt, dass er vor einigen Jahren öffentlich in die Kritik geriet, weil er als Vertreter der Familienpartei CVP ein uneheliches Kind gezeugt hat.

Sicher ist, wenn es Darbellay ernst meint, braucht er für die Wahl in den Bundesrat Verbündete. Vielleicht hofft er auf Beat Rieder und Philipp Matthias Bregy, zwei einflussreiche Walliser, welche die Geschicke der Mitte-Partei mitprägen. Doch Bregy ist gemeinsam mit Gerhard Pfister Co-Präsident der Findungskommission und hält sich mit Äusserungen über Kandidaten zurück.

Beat Rieder ist als Anwalt von Amtes wegen ein verschwiegener Politiker. Zudem gehört er zu einer einflussreichen Gruppe von Mitte-Ständeräten, die in der kleinen Kammer regelmässig Entscheide aus dem Nationalrat übersteuern und sich als Korrektiv zu ihrer Partei und dem gesamten Parlament versteht. In Bern heisst es, Rieders Wunschkandidat sei eigentlich Benedikt Würth gewesen. Zudem soll er die Arbeit von Markus Ritter sehr schätzen.

Will Christophe Darbellay Bundesrat werden, braucht er aber Unterstützer vom Kaliber Bregy-Rieder. Allerdings gibt es ein Hindernis für allfällige Ambitionen. Am 2. März finden im Wallis Staatsratswahlen statt, Darbellay befindet sich mitten im Wahlkampf.

Am vergangenen Mittwoch veranstaltete der EHC Visp ein gemütliches Beisammensein für 300 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Medien. Auch Beat Rieder, Philipp Matthias Bregy und Christophe Darbellay waren anwesend. Die Mitte Wallis bot die gesamte Parteiprominenz auf. Sie demonstriert damit: Im Wallis geschieht nichts ohne uns.

Will Darbellay sein Selbstverständnis als Walliser Landesvater wirklich aufgeben, und hat er zwischen zwei Gläsern Wein bei Bregy und Rieder seine Chancen auf einen Bundesratssitz ausgelotet? Vorstellbar ist vieles bei Christophe Darbellay.

Über die alte CVP hiess es, dass sie vom Streben ihrer Akteure nach Macht angetrieben und zusammengehalten werde. In den vergangenen Wochen war bei der Mitte-Partei wenig von diesem Geist zu sehen. Nun könnte die Partei diesen Eindruck innerhalb eines Wochenendes korrigieren. Vorausgesetzt: Neben Ritter stellen sich auch noch Darbellay und eine Frauenvertreterin zur Wahl.

Der Drang zur Macht hätte die Partei wie schon zu Zeiten der alten CVP belebt. Wenigstens bis zur Wahl bliebe dann allerdings noch die Frage offen, bei welchen Kräften innerhalb der neuen Mitte die Macht tatsächlich liegt.

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