Donnerstag, Oktober 10


Streaming-Tipps

Mit Kate Winslet, Jodie Foster, Nicole Kidman und Julianne Moore besetzen Schauspielerinnen im fortgeschrittenen Alter die Hauptrollen in den aktuellen Serien.

1. Jodie Foster in «True Detective Night Country»

Alle jene, die Krimis verfallen sind und gern vom sicheren Hafen des eigenen Wohnzimmers aus mit unverhohlener Begeisterung in die Abgründe menschlichen, kriminellen Handelns blicken, kennen die amerikanische HBO-Serie, die Anfang des Jahres mit einer neuen und damit vierten Staffel auf Sendung ging. Jede Staffel von «True Detective» stellte ein eigenes Duo an unbequemen, aber immer interessanten Ermittelnden, die an seltsam-entrückt wirkenden Schauplätzen perfide Serienmörder oder Schwerverbrecher jagten.

Die vierte Staffel, besetzt mit der Polizeichefin Liz Danvers (Jodie Foster) und ihrer Kollegin Navarro (Kali Reis), spielt in der fiktiven Stadt Ennis in Alaska während der Polarnächte. Sie beginnt mit einem kurzen und letztmaligen Erscheinen von Sonnenlicht kurz vor Weihnachten. Während der sechs Episoden ist es dunkel und eisig, unwirtlich und trostlos.

Ennis hat nicht viel mehr zu bieten als eine Forschungsstation (deren ausschliesslich männliche Besatzung nackt im Eis den Tod findet und zu einer Leichenskulptur gefroren dem Ermittlungsteam die Arbeit liefert), Umweltverschmutzung, eine Mine, Armut, Arbeitslosigkeit und Rassismus. In Ennis bekommt wirklich niemand etwas geschenkt, alle Charaktere dieser Staffel sind auf ihre Weise hartgesotten, rau und abgeklärt.

Jodie Foster spielt ihre Rolle erschütternd unaufgeregt und ungekünstelt: Die Frustration, Einsamkeit, Obsession sind ihr Ausdruck eines (Über-)Lebens in der Unwirtlichkeit dieser Gegend als unkorrumpierbare Ermittlerin. Hoffnung ist für sie scheinbar nur noch eine Floskel. Die Eingeborene Navarro, trotz der ganzen Härte mit Feingefühl, Weichheit und Empathie ausgestattet, weiss immerhin noch, wann und unter welchen Umständen gerade diese Eigenschaften gefragt sind.

Beide sind Getriebene, keine Freundinnen, aber sie bilden eine Art Schicksalsgemeinschaft, die sich irgendwann auf ein Ziel einigen kann. Reibungsverluste nehmen beide so selbstverständlich in Kauf wie die ewige Dunkelheit der Polarnächte.

Zum Binge-Watching mag die Serie nur bedingt geeignet sein, manch einem mag sie zudem zu mystisch und spirituell erscheinen. Die beiden Ermittlerinnen aber sind zu fesselnd in ihrer schauspielerischen Leistung, als dass man aussteigt. Und natürlich: In dieser fatalen Düsternis und Kälte wird am Ende doch noch so etwas wie ein wärmendes Licht erscheinen.

«True Detective Night Country» mit Jodie Foster in der Hauptrolle ist die vierte Staffel der Mystery-Krimiserie und läuft, wie auch die Staffeln eins bis drei, auf Sky.

Text: Ulrike Hug

2. Julianne Moore in «Mary and George»

Schon zu Beginn der Serie wird klar: Das wird nicht einfach zwischen Mutter und Sohn. Die Geschichte beginnt im Jahr 1592, als die Hebammen bei der Geburt das Baby fallen lassen. Anschliessend teilt Mary Villiers (gespielt von Julianne Moore) ihm mit, es sei nichts wert, denn es sei nur ihr zweiter Sohn. Es folgt ein Zeitsprung. Der nun jugendliche George will sich erhängen. Seine Mutter verhindert dies. Sie möchte ihn nach Frankreich schicken, mit seinem guten Aussehen und als Mann könne er «die Welt erobern».

Mary selbst ist eine Aufsteigerin, vor ihrer Heirat war sie ein Dienstmädchen, nun ist sie das Oberhaupt einer zutiefst dysfunktionalen Familie, in der es weniger Liebe und Hoffnung gibt denn Abhängigkeiten.

Die Kostüm-Schmonzette ist geprägt von Gewalt, physisch wie psychisch. Auch mit Sexszenen wird nicht gegeizt. Über all dem schwebt die schauspielerische Leistung von Julianne Moore, die als böse Helikoptermutter von gestern überzeugend unterhält – und immer wieder überrascht und erschreckt. Man fragt sich lange, ob es ihr gelingen wird, den renitenten George zum Liebling des Königs zu machen.

«Mary and George», eine Staffel (sieben Folgen, die letzte verfügbar am 28. März), auf Sky.

Text: Malena Ruder

3. Kate Winslet in «The Regime»

Kate Winslet kann man nichts abschlagen. Sie bietet als Schauspielerin etwas an, dessen man sich nicht entziehen will: Unterhaltung, Überraschung und Authentizität, manchmal alles miteinander. In der Miniserie «The Regime» spielt sie Kanzlerin Elena Vernham und ist damit Oberchefin des autokratisch geführten Staates ohne Namen im Herzen von Europa. Sie spielt eine Diktatorin, die all das vereint, was heutige Populismus-Politiker wie Trump, Putin und Le Pen oder tote Diktatoren wie Nicolae Ceausescu oder Stalin mal waren, gerne wären oder leider eben schon sind.

Sieben Jahre ist Elena Vernham in der Serie bereits im Dienst. Sie ist hypochondrisch (unsichtbare Pilzsporen haben sich im Regierungspalast festgesetzt), boshaft-unsicher, manipulierend (was ja nicht davor feit, selbst manipuliert zu werden), durchgeknallt, klein und gross gleichermassen. Die Mischung macht, dass man stellenweise gar mit ihr fühlt. Etwa, wenn ein Lispeln ihren Redeschwall unkontrolliert durchdringt, wenn sie an die heilende und anti-toxische Kraft von Kartoffeldampf glaubt oder ihre Kleider so eng sitzen, dass man hofft, sie bekommt noch genügend Luft.

«Ich, ich, ich!», ruft es in jeder Sekunde. Elena ist eine Egomanin, wie sie schärfer und kompromissloser nicht gezeichnet werden kann. Die Politsatire ist etwas zwischen Operette und klamaukigem Kostümfilm, in dem Zuckerrüben und Kobaltvorkommen den Inhalt politischen Agierens bestimmen. Das kann zuweilen viel Spektakel sein, in Anbetracht der politischen Weltlage allerdings ist es das keinesfalls. Der ganze Irrsinn ist schwer zu ertragen – im realen Leben und auch in «The Regime». Winslet führt grandios vor, womit wir unter Umständen noch rechnen müssen.

Die HBO-Miniserie «The Regime» hat vor kurzem auf Sky gestartet. Wöchentlich wird eine Episode freigeschaltet.

Text: Ulrike Hug

4. Nicole Kidman in «Expats»

Die Amazon-Serie «Expats» erzählt von einer Gruppe von Frauen, die aus den USA nach Hongkong ausgewandert sind und durch einen Schicksalsschlag verbunden werden. In der Hauptrolle ist Margaret, gespielt von Nicole Kidman, die einst als Landschaftsarchitektin tätig war, in Hongkong jedoch nur noch das Anhängsel ihres Mannes ist, das sie niemals hatte sein wollen.

Sie alle leben auf dem Peak – wörtlich: Sie wohnen auf einem begrünten Berg mit Blick auf die Stadt; und metaphorisch: Die titelgebenden Expats gehören zum modernen Geldadel und müssen sich in einer fremden Kultur zurechtfinden.

Eine Fremde bleibt vor allem Margaret, die nach dem plötzlichen Verschwinden ihres jüngsten Sohnes während eines nächtlichen Marktausflugs kaum mehr in ihr zuvor schon trostloses Leben zurückfinden kann.

Nicole Kidmans Rolle als Margaret erinnert unweigerlich an Celeste Wright, die unter häuslicher Gewalt leidende Ehefrau und Mutter, die Kidman in der faszinierenden HBO-Serie «Big Little Lies» spielt: Beide Frauen sind stinkreich, schön, aber todunglücklich. Doch beide wollen sie die Haltung, den Schein gegen aussen bewahren, so gut es nur geht. Ein grosser Kraftakt, vor allem für Margaret.

Für beide Rollen ist Kidman, deren Gesicht und Haltung auch im echten Leben stets kühl, distanziert wirken, die perfekte Besetzung. Sie scheint gleichzeitig vereist, kontrolliert und doch so stark verletzt und traurig. Gerade deshalb kann man sie auch noch heute zu den besten Schauspielerinnen der Welt zählen.

«Expats» basiert auf dem von Janice Y. K. Lee verfassten Buch «The Expatriates» und läuft auf Amazon Prime Video. Alle Episoden sind online.

Text: Sonja Siegenthaler

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