Freitag, April 25


Modekritik

Die Kostüme des Modedesigners Jonathan Anderson für den neuen Film von Luca Guadagnino wurden mit Vorfreude (und ausufernden Red-Carpet-Looks) erwartet. Doch: Sie sind überraschend gewöhnlich.

Das erste Logo in «Challengers» erscheint wenige Sekunden nach Filmstart auf der Leinwand. Es ist in ein Tennishemd eingenäht, rot umrahmt und proklamiert mit Bestimmtheit: Uniqlo. In den nächsten zwei Stunden und zwölf Minuten folgt in ähnlicher Manier ein veritables Logofest. Nike, schreien die Kleider, Adidas, rufen sie. Chanel, Impatto (was auch immer das ist), Juicy Couture. Stanford! On! Loewe!

CHALLENGERS - Official Trailer 2 - Warner Bros. UK & Ireland

Es ist verlockend, die Mode im neuen Spielfilm von Luca Guadagnino auf ihre Sponsoringmöglichkeiten zu reduzieren, auf den kleinsten gemeinsamen Nenner – so, wie das im Tennis tatsächlich oft getan wird. Besonders angesichts dessen, dass der erfolgsverwöhnte Jonathan Anderson, der hier zum ersten Mal als Kostümdesigner wirkt, gleichzeitig der Kreativdirektor von Loewe, seinem eigenen Label JW Anderson und Kooperationen mit Uniqlo und On ist. Aber das wäre zu einfach. Denn Jonathan Anderson ist interessanter als das.

Mehr als ökonomische Allianzen

«Challengers» ist der achte Spielfilm des «Call Me by Your Name»-Regisseurs Guadagnino. Hauptschauplatz ist ein zweitrangiges Tennisturnier, 2019, in einem Country Club in New Rochelle, New York. Patrick Zweig (Josh O’Connor) und Art Donaldson (Mike Faist), ehemals dicke Freunde, duellieren sich im intensiven Final vor den Augen Tashi Duncans (Zendaya). Schon vor den vielen Rückblenden zu ihren gemeinsamen Anfangszeiten als Teenie-Tennishoffnungen verraten die Kleider der nun etwa Dreissigjährigen etwas darüber, wo sie im Leben stehen.

Patrick hat sich zu sehr auf sein Talent verlassen und zu wenig auf harte Arbeit und steht nun vor der letzten Chance, seiner Karriere nochmals Aufschwung zu verleihen. Er trägt ein wildes Mischmasch aus verschiedenen Sportkleidermarken. Seine Schuhe sind abgenutzt, aber sein Lächeln ist gewinnend. Ihm gegenüber steht der ganz in Weiss gekleidete Art, ein Bild der stillen Disziplin in Uniqlo-gesponserter Garderobe (der Gedanke an das Markengesicht Roger Federer kommt einem schnell). Der Grand-Slam-Champion möchte diese Saison wieder einmal das US Open gewinnen, verliert aber derzeit sogar gegen Spieler unter seinem Niveau.

Weiche Stoffe für wunde Körper

Im Publikum sitzt Tashi, eigentlich das grösste Tennistalent des Dreiergespanns. Seit ihrer nie ganz geheilten Verletzung ist sie die Coachin und Ehefrau von Art. Wenn ihr Körper schon nicht mehr makellos ist – die Narbe der Verletzung zieht sich über ihr Knie wie über ihr ganzes Leben –, dann kann es zumindest ihre Kleidung sein. Sie trägt im Film eine Bluse aus leuchtender Seide, einen Cashmere-Pullover, ein asymmetrisches Hemdkleid von Loewe, zirka 2017. Ein Slip-Dress sieht mit hastig darübergeworfenem T-Shirt und zu Turnschuhen plötzlich aus wie ein Tenniskleid.

Vor allem Tashis Accessoires zeigen ihren mit ihrem Ehemann angehäuften Reichtum auf wenig subtile Art und Weise: Espadrilles mit fettem Chanel-Logo, eine grosse «Flamenco Bag» von Loewe mit Elefanten-Anhänger. An ihrem Arm klimpern zwei «Love»-Armreife von Cartier, nur aufgebrochen durch eine Kette aus Plastikchrälleli, die den Namen der gemeinsamen Tochter buchstabieren. Diamantenbesetzte Halsketten ergänzen nun das goldene Kreuz, das seit ihrer Kindheit an ihrem Hals hängt.

Kleidung mit Kalkül

Tashis Stil ist eine Art gehobener Normcore. Ihr grösstes modisches Wagnis ist der asymmetrische Kragen ihres Hemdkleids. Das steht im krassen Gegensatz zu den Looks, die Zendaya zur Pressetour für «Challengers» trug, viele davon auch von Jonathan Anderson entworfen: Stilettos, deren Absatz einen Tennisball zu durchstechen schienen, oder ein grünes Glitzerkleid, verziert mit dem Schatten eines Tennisspielers. Die Pressetour-Garderobe war plakativ und häufig mit einem Augenzwinkern versehen. So, wie man es sich von Anderson gewohnt ist.

Im Film bleiben die Tennisbälle auf dem Platz. Das ist so kalkuliert, wie Tashi selbst es ist. «Sie ist der Beweis dafür, dass Erfolg etwas mit sich bringt, das die Menschen letztlich zur Konformität treibt», sagte Jonathan Anderson im Interview mit dem «W Magazine» über die Protagonistin: «Wenn man immer erfolgreicher wird, kommt man an einen Punkt, an dem alle anderen Erfolgreichen das gleiche Gepäck oder den gleichen Schmuck haben.» Im Gegensatz zu Zendaya ist Tashi keine Stilikone, obwohl sie objektiv sehr gut aussieht.

Auch sonst ist die präzise Mode im Film durch und durch unspektakulär und sehr amerikanisch: Besonders in den Rückblenden dominieren Funktionskleidung, Poloshirts, Chino-Shorts und schattenspendende Kopfbedeckungen. Oft sind die Kleider für die Zuschauenden weniger wichtig als die Körper, die darunter angedeutet sind. Das ist dem Fokus auf Sport geschuldet, klar, aber vor allem auch der ständig auf- und abgedrehten erotischen Spannung von «Challengers». Stoffe werden vom Wind verweht, von Händen weggerissen und von Schweiss getränkt, bis sie tropfen.

T-Shirt des Anstosses

Dass der Film wie erwartet dem Tenniscore-Trend neuen Aufschwung verleihen wird, ist deswegen unwahrscheinlich. Das ist auch nicht das Ziel. «Kostümdesign macht auch deshalb Spass, weil es nichts mit dem persönlichen Geschmack des Regisseurs oder des Kostümdesigners zu tun hat. Es geht wirklich um die Figuren und darum, wie sie voreinander und vor der Kamera wirken», sagte Luca Guadagnino im Interview mit «W».

Die Ausnahme ist ein Kleidungsstück, das wie ein Damoklesschwert über dem Dreiergespann hängt. Das T-Shirt mit der fast hämischen Aufschrift «I TOLD YA» – «Ich habe es dir gesagt» – taucht in mehreren Schlüsselszenen auf, wird erst von Tashi und dann von Patrick getragen.

Es ist eine fast exakte Kopie eines T-Shirts, das der Präsidentensohn John F. Kennedy Jr. in den neunziger Jahren trug. Mit seiner kryptischen Aussage und seiner «Old Money»-Provenienz passt es perfekt in den Film. Da ist es auch keine Überraschung, dass es nun bei Loewe für 280 Franken erhältlich ist. Was wäre schliesslich ein Tennisfilm ohne Fan-Artikel?

«Challengers – Rivalen» läuft seit dem 25. April 2024 in den Schweizer Kinos.

Exit mobile version