Die Volksinitiative zur massiven Verbilligung der externen Kinderbetreuung fällt beim Bundesrat klar durch. Die Arbeitgeber hingegen sind im Dilemma.

Das Volk kommt nicht zur Ruhe. Kaum ist ein Abstimmungssonntag vorbei, drängen schon die nächsten Themen auf die Agenda. Ein wichtiger Treiber sind linke Volksinitiativen, die den Bürgern via Forderungen nach staatlichen Zusatzmilliarden das Blaue vom Himmel versprechen.

Diesen März hat das Volk Zusatzmilliarden für die AHV-Renten dankend angenommen. Vor Wochenfrist hat das Volk Zusatzmilliarden für die Verbilligung von Krankenkassenprämien abgelehnt. Hängig sind weitere eingereichte Lockvogel-Volksinitiativen für Zusatzmilliarden zu einem Klimafonds (steckt zurzeit im Bundesrat) und zur flächendeckenden Subventionierung der externen Kinderbetreuung (Kita-Initiative).

Der Bundesrat hat am Freitag seine Botschaft zur Kita-Initiative ans Parlament geschickt. Auch diese Initiative will mit der grossen Kelle anrichten. Alle Eltern sollen ihre Kinder ab dem Alter von drei Monaten bis Ende der Grundschule in eine massiv subventionierte externe Kinderbetreuung schicken können – auch wenn die Eltern nicht erwerbstätig sind.

Die Kantone müssen das Angebot sicherstellen, und der Bund soll zwei Drittel der Kosten übernehmen. Zur Finanzierung des verbleibenden Drittels dürfen die Kantone die Eltern an den Kosten beteiligen, sofern sie die Tarife an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen knüpfen und die Tarife 10 Prozent des Elterneinkommens nicht überschreiten. Die Initiative soll laut den Urhebern die Gleichstellung der Geschlechter stärken, die Chancen von Kindern mit schwierigen Familienverhältnissen verbessern und den Fachkräftemangel lindern.

Auch der Bundesrat ist für einen Subventionsausbau für die externe Kinderbetreuung, doch er lehnt die Initiative ab. Er nennt vor allem zwei Gründe: Die Förderung der externen Kinderbetreuung solle primär Sache der Kantone und Gemeinden bleiben, und die Kosten der Initiative seien für den Bund angesichts der angespannten Finanzlage und der vielen anderen Zusatzansprüche «nicht tragbar». Die jährlichen Kosten der Initiative schätzt die Regierung für das erste Jahr auf 2,3 Milliarden Franken, mit möglicherweise deutlichem Anstieg danach.

Déjà-vu

Die Kita-Initiative ist ähnlich gestrickt wie die Prämienverbilligungsinitiative. Und wie bei der Prämieninitiative werden die Gegner im kommenden Abstimmungskampf wahrscheinlich auf einen Gegenvorschlag des Parlaments verweisen.

Das einst als vorübergehende «Anstossfinanzierung» für die Kinderbetreuung verkaufte Subventionsprogramm des Bundes ist seit 2003 in Kraft und wurde mehrmals verlängert – zuletzt bis Ende 2024 und wohl bald bis Ende 2026. Bisher unterstützte der Bund die Schaffung von rund 77 000 Kinderbetreuungsplätzen. Doch auch nach rund zwanzig Jahren genügt der Anstoss nach Ansicht von Bundesrat und Parlament nicht, damit der Schlitten (sprich: die Kantone) von alleine fahren kann. Deshalb diskutiert das Parlament zurzeit ein Gesetzesprojekt zur Überführung der «vorübergehenden» Bundesfinanzierung in einen dauerhaften Subventionsbetrieb.

Die vom Nationalrat 2023 beschlossene Fassung sieht vor, dass der Bund für vier Jahre 20 Prozent der durchschnittlichen Kosten eines Betreuungsplatzes übernehmen muss und danach dieser Anteil bei ungenügender Mitfinanzierung durch die einzelnen Kantone auf bis zu 10 Prozent gekürzt werden könnte. Der Subventionsanspruch gilt bei institutionell betreuten Kindern ab Geburt bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit. Geschätzte Kosten pro Jahr für den Bund: 710 Millionen Franken im ersten Jahr, 860 Millionen im vierten Jahr.

Für den Bundesrat ist das zu viel. Er wollte einen Teil der Zusatzkosten den Kantonen anhängen, doch das war im Nationalrat nicht mehrheitsfähig. Zum Vergleich: Die Gesamtsumme der Bundessubventionen zur Anstossfinanzierung für Kinderbetreuungsplätze belief sich von 2003 bis 2023 auf rund 470 Millionen Franken. Einschliesslich zusätzlicher Hilfen für die Kantone waren es 550 Millionen Franken, also im Mittel rund 26 Millionen pro Jahr.

Arbeitgeber im Dilemma

Nebst einer Links-Mitte-Allianz ist im Grundsatz auch der Arbeitgeberverband für das Modell des Nationalrats. Er erhofft sich durch den Ausbau der Bundessubventionen eine höhere Erwerbsbeteiligung der Frauen und damit eine Linderung des Fachkräftemangels. Doch seit Februar 2024 sind die Arbeitgeber in Rücklage. Die Bildungskommission des Ständerats schlug ein neues Modell vor, das die Auszahlung und Finanzierung der Subventionen in das bestehende System der Familienzulagen integriert.

Die Zulage würde je nach Ausmass der institutionellen Betreuung 100 bis 500 Franken pro Kind und Monat betragen (100 Franken pro wöchentlichen Betreuungstag). Die Kosten würden finanziert durch Lohnbeiträge der Arbeitgeber. Bei geschätzten Kosten des Modells von 637 Millionen Franken für 2025 wäre der Lohnbeitrag der Arbeitgeber laut der Ständeratskommission von 1,75 auf 1,95 Prozent zu erhöhen.

Die Vernehmlassungsfrist zu diesem Vorschlag ist diese Woche abgelaufen. Der Bundesrat zeigte am Freitag Sympathien für das neue Modell, das die Bundeskasse nicht direkt belastet. Der Arbeitgeberverband lehnt dagegen nach Befragung seiner Mitglieder eine Beteiligung an der Finanzierung ab. Das Argument der Ständeratskommission, wonach die Arbeitgeber von besseren Rahmenbedingungen profitieren würden, überzeuge nicht: «Das Vorgehen käme einem unschönen Präzedenzfall gleich und könnte zu einer Erosion der bis anhin klar getrennten Verantwortlichkeiten zwischen Wirtschaft und Politik führen.»

In der Tat könnte man mit der Logik der Ständeratskommission künftig auch die Finanzierung von Schulen, öffentlicher Forschung und vielen anderen Rahmenbedingungen über Lohnbeiträge regeln und müsste sich dann aber im Gegenzug die Frage einer Abschaffung von Einkommens- und Firmengewinnsteuern überlegen. Doch Politik hat ihre eigene Logik – die Logik der Mehrheitsfähigkeit.

Bei einer Mitfinanzierung durch Arbeitgeberbeiträge sollten laut dem Arbeitgeberverband auch die Arbeitnehmer und der Bund einen Teil der Kosten tragen. Eine Erhöhung der Lohnbeiträge der Arbeitgeber entspräche faktisch einer staatlich verordneten Lohnerhöhung. Die Arbeitgeber dürften in der Folge versuchen, mindestens einen Teil dieser Zusatzkosten auf die Arbeitnehmer zu überwälzen – indem die Löhne weniger steigen, als sie sonst steigen würden, und durch Reduktion der Arbeitsplätze. Auch als Konsumenten kämen die Arbeitnehmer zur Kasse, wenn die Firmen Teile der Zusatzkosten via Preise überwälzen.

Die Arbeitgeber stecken im Clinch. Sie lehnen zwar das Gesetzesprojekt der Ständeratskommission ab, doch die Kita-Initiative dürfte ihnen ein noch weit grösserer Dorn im Auge sein. Dies wegen der viel höheren Gesamtkosten, obwohl die Lohnbeiträge der Arbeitgeber nicht direkt betroffen sind. «Nicht finanzierbar», sagt der Arbeitgeberverband zur Volksinitiative.

Erwerbsanreize für Mütter

Laut Daten des Industrieländervereins OECD sind in der Schweiz die Kosten externer Kinderbetreuung im Verhältnis zu den Durchschnittslöhnen höher als in den meisten anderen OECD-Staaten. Die Benutzung externer Kinderbetreuung ist hierzulande etwa durchschnittlich, doch im untersten Einkommensdrittel ist die Benutzungsquote tiefer als im Grossteil der anderen OECD-Länder.

Die internationale Forschungsliteratur lässt mutmassen, dass eine Verbilligung der Kinderbetreuungskosten die Arbeitsmarktbeteiligung der Mütter erhöht. Laut zwei Überblicksarbeiten von 2016 und 2017 ist aber die Bandbreite der Schätzungen zu den Reaktionsmustern gross. Gemäss den Schätzungen erhöht eine Vergünstigung der Kinderbetreuungskosten um 10 Prozent die Erwerbsbeteiligung der Mütter oder Eltern (je nach Studie) um 0 bis 10 Prozent, mit gängigen Schätzungen von 0,5 bis 3 Prozent.

Diverse Schweizer Studien deuten laut einer Übersicht des Bundesamts für Sozialversicherungen ebenfalls auf eine Zunahme der Erwerbsarbeit für Mütter bei Verbilligung der externen Kinderbetreuung. Mit zunehmender Erwerbsbeteiligung schrumpft indes das Potenzial für einen weiteren Anstieg.

Eine vielzitierte Analyse des Basler Forschungsinstituts BAK von 2020 schätzte, dass für den Staat sehr langfristig (nach sechzig Jahren) die gesamten Zusatzkosten eines Ausbaus der Subventionierung der Kleinkinderbetreuung durch zusätzliche Steuererträge überkompensiert würden. Doch wer denkt so langfristig?

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