Mittwoch, November 20

Das geplante Tiefenlager für radioaktive Abfälle im Zürcher Unterland nimmt eine wichtige Hürde. Definitiv über das Generationenprojekt entscheiden dürfte am Schluss aber das Volk.

Die radioaktiven Abfälle von Kernkraftwerken müssen eine Million Jahre im Untergrund eingeschlossen werden. Erst dann stellen sie keine Gefahr mehr für Mensch und Umwelt dar. An welchem Standort dies geschehen soll, dafür hat die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) während sechzehn Jahren den Untergrund durchleuchtet, für über 200 Millionen Franken Bohrungen durchgeführt und Gesteinsproben ausgewertet. Am Dienstag nun hat sie je ein Rahmenbewilligungsgesuch für das Tiefenlager für radioaktive Abfälle sowie für eine Verpackungsanlage für Brennelemente eingereicht.

Für alle Beteiligten sei dies «ein Meilenstein» auf dem langen Weg zu einem Tiefenlager, sagte Roman Mayer, Vizedirektor des Bundesamtes für Energie (BfE), am Dienstag hocherfreut an einer Medienkonferenz in Bern. Nun könne man mit dem Rahmenbewilligungsverfahren beginnen.

Abfall soll in 900 Metern Tiefe eingelagert werden

Wie bereits vor zwei Jahren angekündigt, hat sich die Nagra für den Standort Nördlich Lägern im Kanton Zürich entschieden. Die oberirdische Anlage mit den Toren zum Lager soll im Haberstal in der Gemeinde Stadel gebaut werden. Es handelt sich um ein sogenanntes Kombilager, das der Entsorgung von sowohl hoch- als auch schwach- und mittelaktiven Abfällen dient. Diese sollen in ungefähr 900 Metern Tiefe in einer 100 Meter dicken Opalinuston-Schicht eingelagert werden. Das Tongestein ist für Wasser besonders undurchlässig und in der Lage, radioaktive Stoffe zu binden. Die Verpackungsanlage für die abgebrannten Brennelemente soll derweil in Würenlingen im Kanton Aargau gebaut werden, wo diese bereits heute zwischengelagert werden.

Die Freude über die Absolvierung einer weiteren Etappe für das geplante Tiefenlager teilen nicht alle. Die Grünen des Kantons Zürich forderten am Dienstag, dass erst sämtliche Kernkraftwerke stillgelegt würden, sollte es dereinst tatsächlich zum Bau eines Tiefenlagers kommen. Deshalb brauche es parallel zur Tiefenlagerplanung auch einen verbindlichen Plan zum Ausstieg aus der Atomenergie.

Bereits vergangene Woche erklärte eine Gruppe von Atomgegnern, unter ihnen die SP-Nationalrätin Martina Munz und die Zürcher GLP-Kantonsrätin Karin Joss, sie würden auf jeden Fall das Referendum gegen das Tiefenlager ergreifen. Das Konzept stamme aus dem letzten Jahrhundert und sei längst überholt. Statt den Müll für Jahrtausende im Boden zu vergraben, solle man neuere Techniken wie die Transmutation, eine Art Recycling von Uran, vorantreiben.

Der Nagra-Chef Matthias Braun weist diese Kritik zurück: «Es wird auf jeden Fall ein Tiefenlager brauchen», erklärte er am Dienstag in einem Interview mit der NZZ. Denn auch mit diesen neuartigen Transmutationsreaktoren würden weiterhin Abfälle produziert, die endgelagert werden müssten, auch wenn diese nicht hochradioaktiv seien. Ein Referendum zum Tiefenlager würde Braun allerdings begrüssen. Ein Projekt dieser Dimension brauche eine direktdemokratische Legitimation.

Mit der Überprüfung der beiden Rahmenbewilligungsgesuche betraut sind unter anderen das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) und die Eidgenössische Kommission für nukleare Sicherheit (KNS). Sie müssen begutachten, ob das Tiefenlager in Nördlich Lägern bis zu eine Million Jahre lang sicher und die Standortwahl der Nagra nachvollziehbar ist.

Bagger fahren frühestens 2045 auf

Ihre Arbeit aufnehmen werden die Behörden im Frühling 2025. Bis dahin will das BfE erst einmal kontrollieren, ob alle gesetzlich geforderten Unterlagen eingereicht wurden. Der Bundesrat selbst wird sich gemäss Fahrplan dann gegen Ende des Jahrzehnts über die beiden Gesuche beugen, basierend auf dem Gutachten des Ensi und den Stellungnahmen der weiteren Bundesstellen und der Kantone. Danach ist das Parlament am Zug. Gebaut werden soll das Lager frühestens 2045.

Was gemäss der Nagra bereits heute feststeht: Hebt die Schweiz das bestehende Neubauverbot für Kernkraftwerke auf und baut neue Reaktoren, hat es für den zusätzlich produzierten radioaktiven Müll nicht genug Platz im Tiefenlager. So beträgt die maximale Kapazität des Lagers 100 000 Kubikmeter für schwach- und mittelaktiven und 2500 Kubikmeter für hochradioaktiven Abfall. Dies entspricht der Menge, die bei einem 60-jährigen Betrieb der bestehenden vier Reaktoren entsteht, einschliesslich einer Reserve. Zeigt sich eines Tages, dass mehr radioaktive Abfälle vorhanden sind, als es die Lagerkapazität zulässt, müssten die Behörden wieder von vorn beginnen und ein neuerliches Bewilligungsverfahren starten.

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