Donnerstag, Oktober 10

Das traditionsreiche Hotel Savoy im Herzen Zürichs wird neuerdings von der Luxushotelkette Mandarin Oriental geführt. Wie gut eignet sich das Speiselokal des Hauses als Visitenkarte der Bahnhofstrasse?

Er bildet beim Monopoly nicht zufällig das begehrteste Feld: Zürichs Paradeplatz gilt, Bankenkrise hin oder her, als ganz feines Pflaster. Als Visitenkarte der Stadt gilt somit ein Gastbetrieb direkt an diesem Platz, gesäumt vom Prachtbau der CS selig, dem fidelen Sprüngli und dem traditionsreichen «Savoy», das von der Credit Suisse an die UBS übergegangen ist. Das Fünfsternehotel ist für 80 Millionen Franken umgebaut und vor vier Monaten wiedereröffnet worden; die Luxushotelkette Mandarin Oriental verkündete als neue Betreiberin die «Wiedergeburt einer Ikone» und streute Superlative.

Ob sie eingelöst werden, testen wir an einem Donnerstagabend im Speiselokal, das im Parterre die legendäre «Savoy-Bar» abgelöst hat. An einer Theke oder auf der Terrasse (ab Mai auch auf dem Dach!) kann man weiterhin einen Drink nehmen, hauptsächlich aber will die «Savoy Brasserie & Bar» den Hunger stillen. Wir erhalten drinnen einen der schönsten Plätze, auf der Galerie, und überblicken das Interieur, das vom «Glamour der Gatsby-Ära inspiriert» sein soll. The Great Gatsby würde da wohl sein Veto einlegen, während Jachtbesitzer sich womöglich an ihren Salon erinnert fühlen.

Der Charakter einer typischen Brasserie wird baulich höchstens gestreift, die Karte versucht ihn zu unterstreichen, indem die Gerichte französisch betitelt sind. Konsequent auf Englisch adressiert uns die Kellnerin, die sich mit Vornamen vorstellt und verspricht: «I will be serving you tonight.» Kleine Testfrage, mit der sich der Grad an Informiertheit des Personals gut prüfen lässt: Ist Stopfleber in der Entenleberterrine (ab Fr. 34.–)? «Let me double-check it for you in the kitchen», sagt die Ahnungslose und kehrt zurück mit dem Bescheid, die sei in «french tradition» gemacht, also mit einer «stuffed duck». Man lehnt dankend ab.

Die «Brasserie» ist weniger teuer als das «Orsini», das Toplokal des Hotels, aber klar kostspieliger als der währschafte «Zeughauskeller» nebenan. Das Sauerteigbrot ist erfreulicherweise inbegriffen; ein Dreiviertelliter stilles Valser-Wasser kostet 12 Franken, ein kleines Rindstartar 31 Franken, zum Aufpreis von 18 Franken gibt’s einen Klacks Kaviar dazu, für 350 Franken ein 125-Gramm-Döschen. Damit und mit Hummer, Austern, Stopfleber werden gutbetuchte Gäste aus aller Welt zufriedengestellt, die Luxus noch mit diesen Produkten gleichsetzen.

Doch der neue Hoteldirektor betonte bei der Eröffnung, man wolle auch ein Treffpunkt für Passanten sein – womit hoffentlich die Bevölkerung gemeint ist. So gehört zu den «authentischen ganztägigen Speisen» (Originalton Marketingabteilung) ein trendiges Onsen-Ei (Fr. 28.–), das ganztägig gekocht zu sein scheint: Das hartgesottene Exemplar, ummantelt von einer Sauce Verte und gebettet auf Kartoffelwürfeln mit etwas Blutampfer, hat mit Onsen so wenig zu tun wie ein Spiegelei mit einer Omelette. Auch beim zweiten Versuch kommt es nicht wachsweich, diesmal eher wie ein 3-Minuten-Ei.

Zwischen Vorspeise und Hauptgang warten wir eine geschlagene Stunde. Das Züri Gschnätzlete (Fr. 58.–), pardon: Émincé de veau Zurichois ist in Ordnung, die pappige, fast kalte Rösti nicht. Beim Wiener Schnitzel (Fr. 49.–) mit Kartoffel-Gurken-Salat ist das Fleisch recht dick geschnitten und die Panade zu wenig knusprig. Auf Vegetarier wartet ein prächtig angerichtetes «Randen-Steak» mit kräftiger Senfnote (Fr. 38.–). Das schrumpelige Medaillon vom Durchmesser eines Golfballs hat mit einem Steak natürlich nichts gemeinsam und ruht auf einem Quinoa-Bett, das in einer Shiso-Holunderbeeren-Sauce schwimmt. Sie gefällt zunächst, wirkt aber mit der Zeit zu dominant, da kaum austariert und viel zu salzig.

Noch etwas jung ist der Xisto Ilimitado Tinto (2020) aus Portugal, trotz satter Preismarge mit 90 Franken eine der günstigsten Flaschen auf der Weinkarte, die viele heimische Tropfen bietet. Zum Höhepunkt werden kunstvoll geschnitzte Champignons, sanft gegart, saftig und doch mit Biss, die beim Züri Gschnätzlete als Clou zur Beilage aufgewertet werden. Gelungen ist eine Sauerrahm-Crème-Brûlée (Fr. 18.–), begleitet von nicht gerade saisontypischen Himbeeren.

Beworben wird das Interieur der «Brasserie» als «multisensorisches Erlebnis, das konzipiert wurde, um Gespräche anzuregen und die Vorstellungskraft zu entfachen». Zumindest an diesem Abend hält das Gebotene gar nicht Schritt mit all den blumigen Versprechen. Will dieser Ort eines Tages wirklich zu einem Zürcher Treffpunkt werden, braucht er statt salbungsvollen Marketingsätzen mehr solides Handwerk.

Savoy Brasserie & Bar
Hotel Mandarin Oriental
Poststrasse 12, 8001 Zürich
Telefon 043 588 38 88

Für diese Kolumne wird unangemeldet und anonym getestet und am Ende die Rechnung stets beglichen. Der Fokus liegt auf Lokalen in Zürich und der Region, mit gelegentlichen Abstechern in andere Landesteile.

Die Sammlung der NZZ-Restaurantkritiken der letzten fünf Jahre finden Sie hier.

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