Donnerstag, März 20

Es hätte eine mutige Produktion sein können. Aber bei dem Remake bleibt vieles beim Alten.

Es war einmal vor vier Jahren, da entschied sich Disney, «Schneewittchen» neu zu drehen. Die Geschichte der Brüder Grimm ist eines der bekanntesten und beliebtesten Märchen. Die erste Verfilmung von Disney stammt aus dem Jahr 1937. Es war Disneys frühester abendfüllender Zeichentrickfilm. Heute ist dieser ein Stück Kinogeschichte.

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Eine aufwendige neue Adaption mit Schauspielerinnen und Schauspielern, das muss doch funktionieren, oder?

Nun: Der Film «Snow White» kommt erst diese Woche in die Kinos, hat aber schon für viel Trubel gesorgt. Die Diskussion begann 2020. Damals kündigte Disney an, dass die Schauspielerin Rachel Zegler die Rolle von Schneewittchen spielen werde. Zegler ist bekannt aus Spielbergs Musical-Verfilmung von «West Side Story».

Rassistische Kommentare auf Social Media

Sie ist Latina, ihre Mutter kommt aus Kolumbien. Auf Social Media war die Empörung gross, es folgten zig rassistische Kommentare. Zegler sei «nicht weiss genug», um Schneewittchen zu spielen, sagte etwa der konservative Autor und Kommentator Ben Shapiro in einem Podcast. Im originalen Märchen hat die Figur des Schneewittchens Haut so «weiss wie Schnee».

Ähnliche Diskussionen gab es bereits 2023 um die Neuverfilmung von «Arielle». Die schwarze Sängerin Halle Bailey spielt die Meerjungfrau. Auf Social Media kursierte der Hashtag «notmyariel, «nicht meine Arielle».

Zum Unmut konservativer Kommentatoren in den USA erlaubte sich die Schneewittchen-Darstellerin Rachel Zegler noch dazu, die Originalfassung des Films von 1937 öffentlich zu kritisieren. In einem Interview mit «Variety» sagte sie im Jahr 2022, sie werde eine feministische Version von Schneewittchen spielen. Ihr Schneewittchen werde weder von der wahren Liebe träumen, noch werde sie von einem Prinzen gerettet. Zegler: «Sie will eine Anführerin werden, so wie ihr Vater es ihr vorgemacht hat.» Auf Social Media war zu lesen, Walt Disney würde sich im Grab umdrehen.

Doch warum sollte eine 200-jährige Geschichte nicht neu interpretiert werden dürfen? Muss sie das nicht sogar?

Schneewittchen ist noch immer keine Feministin

Darüber lässt sich natürlich streiten. Wer den Film schaut, wird jedenfalls feststellen: Schneewittchen ist noch immer keine Feministin. Ja, die Geschichte hat hier und da einen neuen Spin bekommen. Aber im Grossen und Ganzen bleibt die Version der Drehbuchautorin Erin Cressida Wilson nahe am Original. Wilson sagte, die Geschichte sei «behutsam» für ein zeitgenössisches Publikum aufgearbeitet worden.

Zwar entsprechen in der neuen Version die Schauspielerinnen und Schauspieler zum Teil zeitgemässen Diversity-Idealen. Der Prinz ist kein Prinz, sondern ein liebenswerter Dieb. Und Schneewittchen will nicht Prinzessin werden, sondern eifert ihrem Vater nach. Doch die Anpassungen bleiben unspektakulär, vielleicht sogar mutlos.

Der Lauf des Films ist derselbe wie eh und je: «Schneewittchen» handelt von einer Königin, die aus Eifersucht ihre schöne und gutherzige Stieftochter töten lassen will. Diese, Schneewittchen, flüchtet, lernt die sieben Zwerge kennen, isst einen giftigen Apfel und überlebt dennoch.

Und Schneewittchen wird auch 2025 noch vom Kuss eines Mannes, in dem Fall des lieben Diebes, wiederbelebt. Anders als Zegler angekündigt hat, bleibt der Film auch in dieser Szene beim Original. Oder sagen wir so: Wer Schneewittchen sehen will, der bekommt, nun ja, Schneewittchen.

So wünscht man sich bei diesem Film kaum weniger, sondern gar mehr Veränderung. Was wäre passiert, hätte man den Mann ganz weggelassen? Wenn man es mit Humor versucht hätte? Statt den Zwergen andere Figuren erfunden hätte?

«Du rettest die Welt nicht, indem du Apfelkuchen bäckst»

Dass alles beim Alten bleibt, verkörpert Rachel Zegler selbst meisterhaft. Sie ist das perfekte Schneewittchen und hat in ihrem blau-gelben Kleid verblüffende Ähnlichkeiten mit der Zeichentrickfigur aus dem Jahr 1937. Und auch ihre Bewegungen, ihr Staunen und ihr Lachen erinnern an eine uralte Märchenfigur.

Einmal sagt die böse Stiefmutter in dem Film zu Schneewittchen: «Du rettest die Welt nicht, indem du Apfelkuchen bäckst.» Doch in diesem Märchen ist eben genau das möglich. Der Film ist geradlinig, unkompliziert, ein wenig banal. Das Gute und das Böse lassen sich bestens trennen. Und die Geschichte geht, selbstverständlich, gut aus. Die Realität bleibt fern.

Ausserhalb des Kinos ist der Film aber eben mit der Weltlage konfrontiert. So gab es auch Kritik an der Darstellung der sieben Zwerge. Sie bleiben in der Neuverfilmung unverändert und animiert. Der kleinwüchsige Schauspieler Peter Dinklage, den man aus «Game of Thrones» kennt, fand das «rückständig».

Medien berichteten ausserdem über Zegler, die sich öffentlich für die Rechte von Palästinenserinnen und Palästinensern einsetzt. Auf X schrieb sie: «Denkt immer daran: free Palestine». Ihre Co-Darstellerin, die israelische Schauspielerin Gal Gadot, fordert andererseits die Freilassung der Geiseln durch die Hamas. Der Nahostkonflikt macht auch vor diesem Märchen nicht halt.

Vergangene Woche sagte Disney die grossen Premieren des Films in London und Los Angeles ab und zeigte den Film bloss vor einem ausgewählten Publikum. Als wolle man Schneewittchen noch einen Moment länger vor der Realität beschützen.

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