Mittwoch, März 12

Die Macht und Durchschlagskraft des Rechtspopulisten wird von seinen Koalitionspartnern gebremst. Aber sein Erfolg ist ein Weckruf, in der Migrationspolitik Neues zu wagen.

Brechen die Deiche in den Niederlanden? Beginnt dort, was viele für ganz Europa befürchten: die Machtübernahme von Rechtspopulisten, welche die Grundwerte der liberalen Demokratie unterspült? Geert Wilders, der islamophobe Charismatiker, hat es geschafft, eine Regierung aufzustellen. Sie will hart gegen Migration, «Dichtestress» und die hohen Lebenskosten in den Niederlanden vorgehen.

In vielen Ländern Europas geht der Trend in die gleiche Richtung. Und es sind immer mehr Junge (darunter überdurchschnittlich viele Männer), die ihre Stimme den Rechtsaussenparteien geben. Das zeigte sich beim Erfolg der Chega-Partei in Portugal, bei den aktuellen Umfragewerten von Marine Le Pens Rassemblement oder auch in Flandern, wo über ein Drittel der Jungwähler im Juni den Vlaams Belang wählen wollen.

Politik als ständige Konsenssuche

Machen die Niederlande jetzt also den Anfang? Wer genau hinschaut, kann Entwarnung geben. Die politische Kultur des Landes und seine demokratischen Institutionen sind Dämme, die den Ansturm von Wilders bereits stark abgebremst haben. Das hängt, erstens, mit der stark fragmentierten Parteienlandschaft zusammen. Sie zwingt zur Koalitionsbildung und wirkt wie eine Kompromissmaschine – wer den Konsens nicht sucht, bleibt am Schluss draussen.

Hinzu kommt, zweitens, dass neben Wilders’ Partei für die Freiheit und der Bauernpartei zwei Mitte-rechts-Parteien in der Regierung sitzen, die eben nicht populistisch ticken. Es sind die rechtsliberale VVD des ehemaligen Regierungschefs Rutte und die NSC, an deren Spitze der christlichdemokratisch politisierende Pieter Omtzigt steht. Letzterer ist ein unermüdlicher Kämpfer für den Rechtsstaat. Er hat sogar die Schaffung eines Verfassungsgerichts ins Regierungsprogramm gesetzt.

Und drittens schliesslich wird die Hälfte der Minister nicht Parteipolitiker sein. Experten aus verschiedenen Fachgebieten sollen den Ressorts vorstehen und für eine unideologische, aber effiziente Regierungsarbeit sorgen. Hat Wilders also verloren? Früh schon musste er Abstriche an seinen radikalen Plänen machen. Er sagte sich los vom angestrebten Austritt aus der EU («Nexit») und kündigte an, das Verbot von Moscheen «in den Eisschrank zu legen» (um es später einmal aufzutauen?).

Auch wird er selbst keinen Ministerposten antreten und darf schon gar nicht Chef des Kabinetts werden. Das sind schmerzhafte Eingeständnisse. Aber das geplante «Führen von hinten» könnte sich für ihn später einmal als Vorteil erweisen. Wenn diese Regierung die hochgesteckten Erwartungen ihrer Wähler enttäuscht, wird Wilders nicht ohne weiteres mit dem Scheitern in Verbindung gebracht. Er wäre nicht entzaubert und könnte einen neuen, radikaleren Anlauf nehmen.

Neuanfang in der Migrationspolitik

Der Erfolg von Wilders ist also relativ, aber es ist ein Erfolg. Was bedeutet das für den Umgang mit Rechtsaussenparteien im übrigen Europa? Die sterile Debatte um Brandmauern und Cordons sanitaires gegenüber Rechtsextremen sollte man beenden. Sie hat zur Folge, dass diese Gruppen sich als Opfer stilisieren können. Wenig hilft auch die Warnung, die politische Mitte dürfe nicht die Agenda der äusseren Rechten übernehmen und diese so stärken.

Die Migrationspolitik bewegt nun einmal in vielen Ländern die Bürgerinnen und Bürger. Das Gefühl eines Kontrollverlusts ist vorhanden und lässt sich nicht wegdiskutieren. Was Mitte-links- und Mitte-rechts-Parteien in der Regierungsverantwortung tun sollten, ist, diese Herausforderung anzunehmen. Und sie müssen funktionierende Lösungen vorlegen.

Das kann nur gelingen, wenn neue Wege begangen werden. Dazu gehören Abkommen mit sicheren Drittstaaten, Migrationsabkommen mit Ländern in der Nachbarschaft und die Beschleunigung von Asylverfahren. Niemand besitzt in der Migrationspolitik den Stein der Weisen. Es geht jetzt darum, verantwortungsvoll zu experimentieren. Das ist die beste Methode, um die Wilders in Europa von der Macht zu halten.

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