Donnerstag, Januar 30

Das offizielle Ausscheren der USA aus dem Projekt der globalen Mindeststeuer für Grossfirmen stellt das gesamte Konstrukt infrage. Zentral wird die Reaktion der EU sein.

Ist die globale Mindeststeuer für Grosskonzerne tot? Das könnte man meinen, seit die neue US-Regierung unter Donald Trump zwei Grundsätze offiziell gemacht hat: Die USA werden das globale Abkommen nicht anwenden, und wenn andere Länder im Sinn des Abkommens amerikanische Firmen mit Zusatzsteuern belegen, drohen Sanktionen.

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Unter der Ägide des Ländervereins OECD hatten sich 2021 fast 140 Staaten einschliesslich der USA auf die Einführung der globalen Mindeststeuer geeinigt. Laut den Regeln müssten seit 2024 Konzerne mit einem weltweiten Jahresumsatz ab 750 Millionen Euro im Grundsatz in jedem Land mit relevanten Aktivitäten mindestens 15 Prozent Gewinnsteuern bezahlen.

Die USA erhielten Sonderkonzessionen, doch trotzdem galt eine amerikanische Umsetzung der Mindeststeuer schon vor den jüngsten Wahlen in den USA als sehr unwahrscheinlich. Und senken die USA wie angekündigt den ordentlichen Gewinnsteuersatz von 21 Prozent auf 15 Prozent, wird die effektive Belastung der Firmen wegen Steuerprivilegien für gewisse Erträge noch deutlich öfter als bisher unter 15 Prozent kommen. Dies auch einschliesslich Gewinnsteuern der amerikanischen Gliedstaaten, die meist zwischen 2 und 9 Prozent liegen. Laut Steuerberatern würde die effektive Steuerbelastung in den USA mit der Umsetzung des Trump-Plans zum Teil unter der Belastung in der Schweiz liegen, was zu Verlagerungen von Steuersubstrat in die USA führen würde.

55 Länder mit Mindeststeuer

Das OECD-Regime zur Mindeststeuer sollte in der Theorie auch funktionieren, wenn längst nicht alle Länder bei sich die Mindeststeuer umsetzen. Denn wenn ein Grosskonzern an einem Standort zum Beispiel nur 13 Prozent Gewinnsteuern zahlt, können gemäss den Regeln andere Länder mit relevanten Aktivitäten des Konzerns zusätzlich 2 Prozent abschöpfen, um die Unterbesteuerung zu kompensieren.

Das gab einen Anreiz für die beteiligten Staaten, die Firmengewinne selber mit mindestens 15 Prozent zu besteuern. Darum hat die Schweiz 2024 für betroffene Grossfirmen mit Besteuerung unter 15 Prozent eine Ergänzungssteuer beschlossen. Die Grossmacht USA kann aber das System zum Einstürzen bringen, wenn sie die anderen Länder mit Sanktionsdrohungen dazu bringt, die OECD-Regeln nur teilweise oder gar nicht umzusetzen. «Wenn andere plötzlich die Spielregeln ändern, wird auch der Bundesrat über die Folgen für die Schweiz diskutieren», sagte Wirtschaftsminister Guy Parmelin in der jüngsten «NZZ am Sonntag».

Gemäss einer Zusammenstellung der Beratungsfirma PwC werden bis 2026 total 55 Länder mehrheitlich aus Europa die globale Mindeststeuer eingeführt haben; nicht dazu zählen nebst den USA auch China und Indien. 46 Länder einschliesslich der Schweiz wollen zudem Zusatzsteuern abschöpfen, wenn ausländische Tochterfirmen inländischer Konzerne weniger als 15 Prozent Gewinnsteuern zahlen. Und 32 Länder (nicht aber die Schweiz) sehen solche Abschöpfungen auch vor, wenn in Drittstaaten Tochtergesellschaften von ausländischen Konzernen weniger als 15 Prozent Gewinnsteuern zahlen.

Drohungen gegen die Basis

Im Prinzip beabsichtigen mehr als genug Länder grenzüberschreitende Abschöpfungen, um die Mindeststeuer bei den allermeisten betroffenen Konzernen durchzusetzen. Doch die Sanktionsdrohungen der USA können der Mindeststeuer die Basis entziehen. Die erste Hauptfrage: Erachten die USA jede nationale Ergänzungssteuer grundsätzlich als Sanktionsgrund, oder beziehen sie ihre Kritik «nur» auf grenzüberschreitende Gewinnsteuerabschöpfungen? Das ist laut Beobachtern noch unklar. Im erstgenannten Fall dürfte die OECD-Mindeststeuer nicht überleben. Auch die Schweiz müsste dann über die Bücher gehen.

Selbst bei einer Beschränkung von Sanktionsdrohungen der USA auf grenzüberschreitende Gewinnabschöpfungen gegenüber amerikanischen Konzernen gerät das OECD-Regime ins Wanken. Zentral wäre dann die Reaktion der EU. Typischerweise zeigt sich die EU stark gegenüber den Schwachen und schwach gegenüber den Starken. Bei einem Streit um die grenzüberschreitende Abschöpfung gegenüber amerikanischen Konzernen wäre ein Einknicken der EU-Länder als wahrscheinlich zu betrachten. Gegenüber der Schweiz und anderen schwachen Tiefsteuerländern mag das Bild aber unter Umständen anders aussehen.

Ein mögliches Vehikel zur Verankerung von amerikanischen Privilegien durch die EU wäre die Verlängerung der derzeitigen OECD-Sonderregel auf unbestimmte Zeit. Das Motto dieser Sonderregel: Abschöpfungen sind nur zulässig gegenüber Ländern mit einem ordentlichen Steuersatz unterhalb des amerikanischen Niveaus. Eine andere Variante zum Schönreden des Einknickens der EU wäre die Anerkennung der speziellen amerikanischen Mindeststeuer (Gilti) als «gleichwertig», obwohl die Regeln der USA anders konzipiert sind. Die Diskriminierung von nichtamerikanischen Firmen würde aber EU-Prinzipien widersprechen.

Aus Schweizer Sicht ist der Nebel dicht. Noch ist es zu früh, über die Abschaffung der Mindeststeuer zu reden. Doch man wird die kommenden 6 bis 18 Monate auf vieles gefasst sein wollen.

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