Samstag, September 28

Nach dem ernüchternden Turnierstart ist die Euphorie zurück in Österreich. Obwohl die Qualifikation für die Achtelfinals noch nicht geschafft ist, glauben viele wieder an die Rolle als Geheimfavorit.

In Österreich kann sich die Stimmungslage oft schlagartig ändern – vor allem, wenn es um Sport geht. Nach der knappen Auftaktniederlage gegen Frankreich kehrte Ernüchterung ein in Bezug auf das Nationalteam, das nicht nur hierzulande als ein Geheimfavorit gehandelt wurde. Sicher, die Österreicher hatten gegen einen Titelkandidaten gespielt. Aber die Niederlage gegen eher nachlässige Franzosen hätte gut auch höher ausfallen können, und vor allem setzte sie die Mannschaft gleich gewaltig unter Druck. Gegen Polen drohte schon ein rasches Ausscheiden, wie 2016, als Österreich mit ähnlich hohen Erwartungen ins Turnier gegangen war.

Mit dem klaren 3:1 Sieg gegen die Polen ist die Euphorie aber zurück, die Qualifikation für die Achtelfinals gilt als so gut wie sicher. Vor dem letzten Gruppenspiel gegen die Niederlande liegt Österreich zwar nur auf Platz drei. Aber mit einem derzeit positiven Torverhältnis sei man zu 97 Prozent durch, rechnet ein Statistikportal vor.

Die Medien analysieren deshalb auch bereits mögliche Gegner in der ersten K.-o.-Runde, wobei sie auch Platz eins in der schwierigen Gruppe D nicht ausschliessen. Denn immerhin «fürchten die Oranje-Stars unser Super-Pressing», wie Oe24 schreibt. Mit Stolz registriert wird natürlich auch das aktuelle Form-Barometer der deutschen «Bild»-Zeitung, das Österreich auf Platz sechs der Titelanwärter sieht. Gegen Polen habe man eine Demonstration des Rangnick-Fussballs gesehen, schreibt das Blatt.

Selbstredend sind die Österreicher noch optimistischer. Laut einer Umfrage des Senders Puls 24 glauben 16 Prozent, dass das Nationalteam Europameister wird. Nur auf England und Frankreich tippen noch etwas mehr Leute. Es werden auch schlüssige Gründe für einen möglichen Coup angeführt: In den sozialen Netzwerken heisst es etwa, selbst das Team um Mbappé habe kein Tor gegen Österreich zu erzielen vermocht (Frankreich siegte dank einem Eigengoal). Ein anderer User meint, die Chance auf den Titelgewinn betrage ganze 50 Prozent: «Entweder wir werden es, oder wir werden es nicht.»

Weitgehend Einigkeit herrscht aber darüber, dass der Trainer Ralf Rangnick entscheidend ist für die derzeitige Stärke des Nationalteams. Er gab der talentierten Mannschaft eine klare Spielidee und neues Selbstbewusstsein. Seit der Deutsche vor zwei Monaten Bayern München absagte, um beim Österreichischen Fussball-Bund (ÖFB) zu bleiben, wird er in Österreich erst recht verehrt.

Auf dem Platz ruhen die Hoffnungen auf dem alternden Star Marko Arnautovic. Das einstige Enfant terrible führt das Team in Abwesenheit des rekonvaleszenten David Alaba als Captain an, kam im Testspiel gegen die Schweiz aber gar nicht und gegen Frankreich nur als Joker zum Einsatz. Gegen Polen spielte er von Anfang an und sicherte dem ÖFB-Team mit seinem umjubelten Penaltytor den Sieg. Auch von ihm wird abhängen, ob sich die hohen Erwartungen der Österreicher erfüllen. In seinem vermutlich letzten grossen Turnier ist dem 35-Jährigen jederzeit ein Geniestreich zuzutrauen – aber ebenso ein Ausfall. So wie dem ganzen Team.

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