Sonntag, April 27

Investoren meiden französische Aktien wie die Pest: Die Wahrscheinlichkeit für eine spektakuläre Erholung ist gross

Die Stimmung auf dem alten Kontinent ist schlecht. Wie schlecht, erkennt man daran, dass es gerade schwerfällt, den «kranken Mann Europas» zu bestimmen.

Es gibt schlicht zu viele Kandidaten für diesen Titel: Und mit Deutschland, Frankreich und Grossbritannien gehören gleich die wichtigsten Länder zum Kreis der Anwärter.

Italien: Ein Hort der Stabilität

Es ist zudem bezeichnend, dass ein Land wie Italien mittlerweile als Hort der politischen Stabilität gilt. Und die griechische Regierung sich damit brüsten darf, besonders verantwortungsvoll zu budgetieren – vorsichtiger als frühere Musterschüler wie Deutschland, Österreich oder die Niederlande.

Da kann man es den Investoren nicht verübeln, dass sie einen grossen Bogen um die europäischen Börsen machen und stattdessen auf einen Finanzmarkt setzen, der sie seit Jahren nicht enttäuscht: die USA.

Ein untrügliches Abbild der Beliebtheit von amerikanischen Aktien sind die dortigen Bewertungen: Die Titel im S&P 500 werden zu einem Preis von 23-mal die künftigen Gewinne gehandelt, bei europäischen Indizes liegt diese Zahl bei 14. Und das ist dann doch etwas absurd.

Europa nicht abschreiben

Nun ist es nicht so, dass ich angesichts der grossen Bewertungsunterschiede die Hand dafür ins Feuer legen würde, dass europäische Aktien nächstes Jahr besser abschneiden als amerikanische. Ich möchte lediglich dafür plädieren, dass Investoren Europa ganz nicht abschreiben.

In den USA sind die Erwartungen mittlerweile so hoch, dass sie sehr leicht enttäuscht werden können – etwa wenn die exorbitanten Investitionen in künstliche Intelligenz nicht zu den erhofften Produktivitätsgewinnen führen. In Europa dagegen sind die Erwartungen derart tief, dass man mit einem Erleichterungsrally rechnen kann, wenn immer es nicht ganz so schlimm kommt, wie alle befürchten.

Dass sich Wahrnehmung und Realität nicht immer decken, zeigt sich just in Deutschland: Am 4. Dezember hat dort der Aktienindex DAX erstmals ein Niveau von mehr als 20000 Punkten erreicht, trotz Regierungs- und Industriekrise.

Optische Täuschung

Natürlich ist das ein Stück weit eine optische Täuschung, wie Christian Schwab von Rothschild & Co Wealth Management in Frankfurt in einem Kommentar schreibt: «Der DAX ist entgegen internationaler Gepflogenheiten ein sogenannter Performance-Index, das heisst, er berücksichtigt alle gezahlten Dividenden der im Index enthaltenen Aktien.» Betrachte man den DAX als Kursindex, ergebe sich über die fast 25-jährige Zeitspanne seit Ende der 1990er Jahre eine Wertentwicklung von lediglich 42,16 Prozent – was vergleichsweise enttäuschend ist.

Trotz dieser Einschränkung bleibt der Umstand, dass der DAX im Zeitraum eines Jahres um knapp 22 Prozent zugelegt hat – während die Stimmung im Land besonders getrübt war.

Es würde mich nicht erstaunen, wenn auch der französische Aktienmarkt, den Investoren derzeit meiden wie die Pest, bald als Überflieger von sich reden macht. Es braucht nur wenig: eine weitere Abschwächung des Euro, ein chinesisches Stimulierungspaket, ein Anzeichen dafür, dass ein von Macron bestimmter Regierungschef überleben kann: Und schon liegen wir 10 Prozent im Plus.

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