Laut der Volksinitiative zum Ausbau der Prämienverbilligung müssen künftig mindestens zwei Drittel der Gesamtverbilligung vom Bund kommen. Wer den Kostenanstieg dämpfen will, sollte die Selbstverantwortung der Kantone eher stärken statt schwächen.
Seit Jahrzehnten ist der Anstieg der Krankenkassenprämien ein politisches Aufregerthema. Der Prämienanstieg ist zu einem gewissen Grad natürlich. Dafür sorgen die Alterung der Bevölkerung, die Zunahme des Wohlstandes und neue medizinische Behandlungsmethoden. Doch auch Fehlanreize spielen eine bedeutende Rolle: Ärzte, Spitäler, Kantone, Patienten und Stimmbürger haben typischerweise keine starken Sparanreize.
Wer die Sparanreize noch mehr dämpfen will, sollte dafür sorgen, dass zentrale Akteure noch stärker von der Kostenwahrheit abgeschirmt sind. Genau das will die SP-Volksinitiative zum Ausbau der Prämienverbilligung. Gemäss den Umsetzungswünschen der Initianten würden sich die jährlichen Prämiensubventionen des Staats für die Versicherten verdoppeln bis verdreifachen – von 5,4 Milliarden Franken 2022 auf geschätzte 10 bis 15 Milliarden 2030.
Laut der Initiative sollen Versicherte in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) höchstens noch 10 Prozent ihres verfügbaren Einkommens als Krankenkassenprämie zahlen. Bei der Definition des verfügbaren Einkommens und der massgebenden Prämie hätte das Parlament Spielraum.
2022 erhielt gut ein Viertel aller Versicherten eine Prämiensubvention, künftig wären es wohl deutlich mehr. Damit könnten die Patienten und Stimmbürger künftige Kontroversen im Gesundheitswesen gelassener sehen. Auch für Ärzte und Spitäler würde es angenehmer, wenn sich die Kundschaft (noch) weniger für die Kosten interessierte. Was die Steuerzahler dazu sagen, müsste sich dagegen noch zeigen.
Bund soll zwei Drittel zahlen
Die Volksinitiative will auch weniger Kostenwahrheit für die Kantone. Die Kantone sind im Gesundheitswesen ein zentraler Akteur – namentlich mit ihrer Verantwortung für die Spitalplanung und ihrem Einfluss bei Tarifverträgen zwischen Spitälern/Ärzten und Krankenkassen. Gemäss dem geltenden System der Prämienverbilligung zahlt der Bund total 7,5 Prozent der Bruttokosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und teilt diesen Betrag auf die Kantone proportional zu deren Bevölkerung auf. Die Kantone haben in der Ausgestaltung ihrer Prämienverbilligung bedeutende Spielräume.
2022 kamen rund 54 Prozent der Prämienverbilligungen vom Bund, und den Rest zahlten die Kantone. Gemäss der Volksinitiative zur Prämienverbilligung muss künftig der Bundesanteil mindestens zwei Drittel betragen. Deshalb ginge der grosse Teil der Zusatzkosten für den Ausbau zulasten des Bundes.
Von 2600 bis 4700 Franken
Die kantonalen Unterschiede bei den Kosten des Gesundheitswesens sind zum Teil gross. 2022 betrugen die Nettokosten der OKP für medizinische Leistungen im landesweiten Mittel rund 3700 Franken pro Versicherten. Die Bandbreite in den Kantonen reichte von knapp 2600 Franken (Appenzell Innerrhoden) bis zu fast 4700 Franken (Basel-Stadt). Wesentliche Faktoren hinter den Kostendifferenzen sind wohl kantonale Unterschiede in medizinischem Angebot, Wohlstand, Bevölkerungsstruktur und Anspruchsdenken.
Auch gemessen am Ausmass der Prämiensubventionen gibt es grosse Unterschiede. So reichte 2022 die Bandbreite der kantonalen Bezügerquoten in Sachen Prämienverbilligung von knapp 19 Prozent der Bevölkerung bis über 42 Prozent. Bei den Kantonsanteilen an der gesamten Prämienverbilligung reichte die Bandbreite gar von knapp 12 Prozent (Nidwalden) bis 68 Prozent (Genf). Nebst Unterschieden bei den Gesundheitskosten spielen hier auch Differenzen in der Subventionspolitik eine wichtige Rolle. Kantonale Differenzen gehören zum Föderalismus. Wer dies als Ärgernis empfindet, müsste für die Abschaffung der Kantone sein.
Der Bundesrat hat für seine Schätzungen der finanziellen Folgen der Volksinitiative für die Kantone eine zentrale Annahme getroffen: Die Mindestvorgabe der Initiative von einem Bundesanteil von zwei Dritteln gilt in jedem einzelnen Kanton. Das hat bedeutende Umverteilungswirkungen.
Belohnung für die Teuren
Konkrete Zahlen lassen sich aus den Daten des Bundesrats für 2020 und dessen Hochrechnungen für 2024 ableiten. Die Zahlen beruhen auf einer Umsetzung der Volksinitiative in der «Rolls-Royce-Variante»; diese wird von den Initianten gewünscht und diente dem Bundesrat als Basis für seine Schätzungen. Das Berner Forschungsbüro Ecoplan hat die massgebenden Daten aufbereitet.
Daran lässt sich sehen, welche Zusatzbeträge des Bundes für Prämienverbilligungen im Mittel pro Kopf der kantonalen Bevölkerung in die Kantone fliessen würden. Die teuren Kantone wie Basel-Stadt, Tessin, Genf und Waadt profitieren weit überdurchschnittlich mit zusätzlichen Bundesgeldern von je 800 bis 1100 Franken pro Einwohner (vgl. Grafik). Nur geringe zusätzliche Bundesgelder flössen dagegen in günstige Kantone etwa in der Innerschweiz und der Ostschweiz. Faktisch ginge es hier um eine Umverteilung von den günstigen zu den teuren Kantonen. Anders gesagt: Teure Kantone würden für ihre hohen Kosten belohnt, günstige Kantone würden bestraft.
Die teuersten Kantone gewinnen mit diesem Modell auf Basis der Hochrechnung für 2024 zusätzliche Bundesgelder von rund 300 bis über 500 Franken pro Einwohner und Jahr, die günstigsten Kantone verlieren über 500 Franken pro Kopf (vgl. Grafik). Der Kanton Zürich gehört zu den Verlierern mit einem Minus von total etwa 260 Millionen Franken pro Jahr, der Kanton Waadt würde über 230 Millionen Franken gewinnen. Diese Betrachtung beruht auf dem Vergleich mit der naheliegenden Alternative: der Aufteilung der Prämienverbilligung des Bundes auf die Kantone wie bisher proportional zur kantonalen Bevölkerung und damit unabhängig von den Kosten des kantonalen Gesundheitswesens.
Spielraum fürs Parlament
Der Text der Volksinitiative sagt Folgendes zu diesem Thema: «Die Prämienverbilligung wird zu mindestens zwei Dritteln durch den Bund und im verbleibenden Betrag durch die Kantone finanziert.» Der Initiativtext sagt nicht, dass dies zwingend für jeden einzelnen Kanton gelten muss. Bundesjuristen erklären auf Anfrage, dass eine Aufteilung der Prämienverbilligungsgelder des Bundes auf die Kantone wie bisher proportional zur Bevölkerung konform wäre mit der Initiative.
Dies schrieb der Bundesrat schon 2021 in seiner Botschaft zur Initiative ans Parlament: «Die Initiative lässt auch offen, wie der Bund seinen Beitrag auf die Kantone verteilt. Denkbar ist, dass er ihn wie heute nach der Wohnbevölkerung verteilt. (. . .) Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Bund jedem Kanton zwei Drittel seiner (voraussichtlichen) Prämienverbilligungen vergütet.» Die zweitgenannte Variante würde die Fehlanreize für die Kantone maximieren.
Die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren hat sich dem Vernehmen nach noch nicht mit diesem Thema auseinandergesetzt. Doch nach einem allfälligen Erfolg der Volksinitiative begänne die Kontroverse zwischen potenziellen Gewinner- und Verliererkantonen rasch. Der Entscheid über die Art der Umsetzung der Volksinitiative läge am Ende beim Bundesparlament.
Alternative ohne Bundesgeld
Scheitert die Volksinitiative an der Urne, tritt der Gegenvorschlag des Parlaments in Kraft, sofern es kein erfolgreiches Referendum gegen die Parlamentsvorlage gibt. Der Gegenvorschlag verlangt ebenfalls einen Ausbau der Prämienverbilligung, aber in deutlich geringerem Ausmass; die Kosten dürften laut der Bundesschätzung um 10 bis 20 Prozent steigen. Der Gegenvorschlag bringt keine Zusatzkosten für den Bund, doch er fordert von den Kantonen neu eine Mindestsumme von 3,5 bis 7,5 Prozent der kantonalen Kosten der obligatorischen Krankenversicherung.
Der Gegenvorschlag baut auf den effektiv bezahlten Prämien der 40 Prozent einkommensschwächsten Versicherten pro Kanton auf: Je mehr im Durchschnitt dieser Gruppe die bezahlten Prämien in Prozent des Einkommens ausmachen, desto höher ist die Mindestvorgabe an den betreffenden Kanton für das Ausmass der Prämienverbilligung.