Donnerstag, November 13

Im Frühjahr war der Campus der prestigeträchtigen Columbia University Schauplatz der heftigsten propalästinensischen Demonstrationen in den USA. Nun stolpert die Universitätspräsidentin über diese Proteste.

Die Präsidentin der Columbia University gibt auf. Nemat «Minouche» Shafik hat am Mittwoch ihren sofortigen Rücktritt als oberste Chefin der New Yorker Elite-Universität bekanntgegeben — nach nur 13 Monaten und 13 Tagen im Amt, die geprägt gewesen waren von heftigen propalästinensischen Protesten und Kritik von jüdischen Studenten.

Zumindest der Zeitpunkt des Rückzugs von Shafik kommt überraschend. Das neue Semester an der Columbia University, deren Campus sich im Stadtteil Morningside Heights befindet, beginnt für die mehr als 36 000 Studentinnen und Studenten bereits in zweieinhalb Wochen. (Temporär übernimmt nun Katrina Armstrong den Posten, die Chefin des Columbia University Irving Medical Center.)

In einem langen Rücktrittsschreiben machte die gebürtige Ägypterin Shafik, die auch die britische und amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, zwei Gründe für ihren Schritt verantwortlich. Zum einen erwähnte sie die «Turbulenzen» an der Columbia University in den vergangenen Monaten, die auch ihre Familie stark belastet hätten. Im Laufe des Sommers sei sie zum Schluss gekommen, dass es für die Universität am besten sei, wenn sie eine neue Herausforderung annehme.

Zum anderen habe sie ein Job-Angebot des neuen britischen Aussenministers bekommen, das sie gerne wahrnehmen wolle, schrieb Shafik. Ein Umzug nach London eröffne ihr auch die Gelegenheit, ihr Mandat im House of Lords wieder wahrzunehmen. Die 62 Jahre alte promovierte Wirtschaftswissenschafterin und Philosophin war 2020 ins Oberhaus berufen worden.

Der Campus der Columbia University war im vergangenen Semester Schauplatz heftiger propalästinensischer Proteste gewesen. Shafik wirkte während dieser Demonstrationen, in denen mitten in New York City auch antisemitische Parolen zu hören waren, überfordert. Mit ihre Haltung stiess sie Dozenten, Studenten sowie zahlreiche Alumni und Sponsoren der Universität vor den Kopf. Shafik erschien zu tolerant und schien nicht energisch genug gegen die Demonstranten vorzugehen, deren Zeltlager im Columbia-Innenhof immer wieder den Uni-Betrieb lähmte. Viele jüdische Studenten beklagten sich über antisemitisch motivierte Vorfälle, die sich allerdings häufig ausserhalb des grosszügigen Geländes der privaten Universität abspielten.

Für rote Köpfe sorgte Ende April dann auch, dass die Columbia-Präsidentin die Stadtpolizei um Hilfe bat, um ein besetztes Universitätsgebäude zu räumen. Schätzungsweise 100 Menschen wurden abgeführt; die Bilder von einem massiven Polizei-Aufgebot gingen um die Welt. Von den Vorwürfen gegen die Besetzer allerdings blieben einige Wochen später nicht mehr viel übrig. Alvin Bragg, der lokale Staatsanwalt von Manhattan, gab im Juni bekannt, dass er die Mehrzahl der Anklagen fallen lasse.

Rücktritt «längst überfällig», sagt führende Republikanerin

Shafik ist die vierte Präsidentin einer amerikanischen Eliteuniversität, die seit dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober und dem darauffolgenden Krieg im Gazastreifen ihren Posten verloren hat. Als erste traf es im vergangenen Dezember Liz Magill, die Chefin der University of Pennsylvania. Magill hatte in einer Anhörung keine gute Antwort auf die Frage gefunden, wie jüdische Studenten besser vor Belästigungen und Drohungen geschützt werden könnten.

Dann warf im Januar die Harvard-Präsidentin Claudine Gay das Handtuch. Auch sie stolperte über Stellungnahmen, in denen sie die Bluttat der Hamas nicht scharf genug verurteilt hatte. Zudem wurde Gay, die erst seit Juli 2023 Präsidentin der Eliteuniversität in Cambridge (Massachusetts) war, eines Plagiats beschuldigt. Im Mai trat Martha Pollack zurück, die sieben Jahre die Cornell University in Ithaca (New York) leitete. Pollack bestritt, dass ihr Rücktritt mit den Spannungen auf dem Campus im Zusammenhang mit propalästinensischen Demonstrationen stehe.

In ersten Reaktionen zeigten sich führende Politiker der Republikaner höchst zufrieden über den forcierten Rücktritt von Shafik. Dieser Schritt sei «längst überfällig» gewesen, schrieb die rechte Abgeordnete Elise Stefanik aus dem Gliedstaat New York in einer Stellungnahme. Stefanik hatte sich in den vergangenen Monaten mit anhaltender Kritik an den führenden Hochschulen des Landes profiliert. Die Republikanerin warf den Bildungsstätten vor, mit ihren Positionsbezügen den Antisemitismus im Land zu schüren.

Exit mobile version