Donnerstag, Februar 13

Die öffentliche Hand schoss im Herbst Millionen Franken für den schwach besuchten Anlass ein. Offenbar war es nicht genug.

Von den Rad-WM im letzten Herbst in Zürich bleibt ein zwiespältiges Bild zurück. Der Tod einer jungen Rennfahrerin überschattete den Anlass, das vollmundig angekündigte Volksfest am Streckenrand blieb mit Ausnahme weniger Höhepunkte aus, das Gewerbe litt unter tagelangen Strassensperrungen. Und nun zeigt sich immer deutlicher: Der Anlass dürfte auch finanziell ein Flop gewesen sein.

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Die Millionen Franken, die der Staat einschoss, waren offenbar nicht genug Geld für ein ausgeglichenes Budget. Es zeichnet sich ab, dass die öffentliche Hand einen Nachtragskredit wird sprechen müssen. Zudem bleiben mehrere Gemeinden am Zürichsee auf ihren Kosten sitzen. Am Mittwoch hat Zollikon mitgeteilt, dass es darauf verzichtet, diese Kosten gegenüber dem Kanton auf dem Rechtsweg einzufordern.

Offenbar haben die Organisatoren Mühe, sämtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Die Online-Plattform Inside Paradeplatz berichtete kürzlich, dass Gewerbetreibende, die für die Rad-WM Leistungen erbracht hätten, noch immer auf offenen Rechnungen sässen. Verantwortlich für die Rad-WM zeichnete der Verein Rad- und Para-Cycling-WM Zürich 2024. Ein herkömmlicher Verein ist das nicht: Im Vorstand sitzen die jeweiligen Chefs der Sportämter von Kanton und Stadt.

3492 Franken für ein VIP-Ticket

20 Millionen Franken sollten die Rad-WM ursprünglich kosten. Davon sollte die öffentliche Hand 13 Millionen tragen, 9 Millionen davon die Stadt Zürich, der Rest Kanton und Bund.

Rund 7 Millionen Franken hatten die Organisatoren an der Veranstaltung selbst erwirtschaften oder durch Sponsorenbeiträge einnehmen wollen. Doch an den meisten Renntagen war das Zielgelände auf dem Sechseläutenplatz äusserst schwach besucht.

Dort zahlte man 50 Franken für ein Tagesticket. Im Angebot standen auch VIP-Eintritte für stolze 392 Franken pro Tag und 3492 Franken für die ganzen WM. Wie viele dieser Tickets verkauft wurden, bleibt offen. Zu Details gibt Andreas Herren, Sprecher der Rad-WM, keine Auskunft.

Zu den offenen Rechnungen von Gewerbetreibenden lässt sich Herren auf Anfrage der NZZ wie folgt zitieren: «Der Verein UCI Weltmeisterschaften Rad- und Para-Cycling Strasse Zürich 2024 und das lokale Organisationskomitee sind mit den Abschlussarbeiten zu den letztjährigen Weltmeisterschaften befasst. Das benötigt wie bei Grossevents üblich Zeit. Wir gehen davon aus, dass alle Gläubiger ihr Geld erhalten.»

Auch die Forderungen mehrerer Gemeinden sind noch offen. Zollikon hat nun entschieden, auf die geforderten 17 500 Franken zu verzichten. So halten es nicht alle. Zumikon macht Kosten in der Höhe von rund 51 000 Franken geltend. Bei Erlenbach sind es 27 000 Franken, in Oetwil 52 000 Franken, in Meilen 30 000 Franken.

In Zumikon fielen in erster Linie ­Kosten für den Pikettdienst der Feuerwehr an, weil die Feuerwehr ein mögliches Ausrücken trotz der gesperrten Rennstrecke sicherstellen musste. In den übrigen Gemeinden geht es um Auslagen für die Kommunikation der Strassensperrungen infolge der Rennen sowie Infrastruktur, beispielsweise Absperrungen.

Ursprünglich hätten die Gemeinden auch die Kosten für das Wegspitzen von Verkehrsinseln tragen sollen. Dies war nötig, damit die Athletinnen und Athleten freie Fahrt hatten. Immerhin diese Kosten übernahm der Kanton – auch weil die Gemeinden damit drohten, andernfalls die Durchfahrtsgenehmigung für die Rad-WM zu verweigern.

Für die Kosten, die während des Anlasses anfielen, hatte der Regierungsrat dann aber kein Gehör mehr. Für die örtliche öffentliche Ordnung seien die Gemeinden zuständig, schrieb er im Herbst in einer Antwort auf eine Anfrage aus dem Kantonsrat.

Die Gemeinde-Exekutiven hatten daraufhin Rechtsmittel erwogen. Zollikon, Meilen und «voraussichtlich» auch Oetwil verzichten darauf, wie es bei der Oetwiler Gemeindeverwaltung auf Anfrage heisst.

Andere Gemeinden hingegen wollen nicht aufgeben. Erlenbach hat die Ausgaben nochmals detailliert aufgelistet und dem OK eine erneute Rechnung über 27 000 Franken geschickt. Zumikon hat noch nicht über das weitere Vorgehen entschieden.

Für andere Anlässe bezahlt die Gemeinde auch nichts

Die Erlenbacher Gemeindeschreiberin Adrienne Suvada sagt, die Antwort der Organisatoren habe den Gemeinderat nicht überzeugt. Es handle sich eben nicht um gewöhnliche Kosten wie beispielsweise für die Müllabfuhr, sondern um aussergewöhnliche. Bei anderen Veranstaltungen trage die Gemeinde diese Kosten auch nicht.

Prozessieren gegen den Kanton will Erlenbach vorerst nicht. Aber die Gemeinde will ihren Standpunkt nochmals deutlich machen und die Angelegenheit in Gesprächen mit dem Kanton klären.

Der Streit über die Kosten wirft eine andere Frage auf: Hat der Anlass auch Einkünfte gebracht, hat er die lokale Wirtschaft belebt? Die Stadt Zürich lässt diese Frage wissenschaftlich von der Hochschule Luzern untersuchen, die Resultate liegen noch nicht vor. Vor den WM bezifferte der Wirtschaftsprofessor Jürg Stettler, Leiter des Instituts für Tourismus und Mobilität in Luzern, die Bruttowertschöpfung des Anlasses: Er sprach gegenüber den Tamedia-Zeitungen von 60 Millionen Franken. Hotels, Restaurants und Transportunternehmen sollten profitieren.

Gegenüber der NZZ präzisiert Stettler, es habe sich um eine grobe Schätzung gehandelt. Einschätzungen zur tatsächlichen Wirkung will er mit Verweis auf die laufende Studie nicht machen.

Fragezeichen sind aber angezeigt. Die Stadtzürcher Hotels beispielsweise haben gemäss der Einschätzung des Direktors Zürich Tourismus, Thomas Wüthrich, wenig profitiert, weil sie im September ohnehin jeweils gut ausgelastet sind.

Und eine Umfrage des Stadtzürcher Gewerbeverbands unter 50 Betrieben hat vernichtende Resultate gezeigt. 86 Prozent gaben an, die Rad-WM hätten sie eingeschränkt, 42 Prozent massiv. Rund 30 Prozent mussten während der ganzen WM schliessen.

Viele Ausgaben, weniger Ertrag als erwartet und vor allem viel zu viele Einschränkungen – dies dürfte am Ende das Fazit des Grossanlasses bleiben. Man kann davon ausgehen, dass die Behörden von Stadt und Kanton den Anlass in dieser Form nicht mehr genehmigen würden.

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