Montag, Oktober 28

Ein ganz ähnliches Vorhaben war vor gut 30 Jahren noch vom Mieterverband lanciert worden.

Tickt die SVP eigentlich links oder rechts? Das wäre früher eine Frage gewesen, die jeder Erstklässler ohne zu zögern hätte beantworten können. Doch neuerdings mehren sich sogar beim obersten Freisinnigen Zweifel. Die SVP kippe immer mehr ins linke Lager, sagte Thierry Burkart Anfang Oktober.

Zur gleichen Diagnose könnte man gelangen, wenn man einen Blick in den Kanton Zürich wirft.

Dort macht die Partei, an der sich so viele Linke bei ihrem unablässigen «Kampf gegen rechts» abarbeiten, neuerdings ebenfalls mit Ideen auf sich aufmerksam, die auch aus einer Retraite im Gewerkschaftshaus stammen könnten.

Vor knapp zwei Monaten diskutierte das Zürcher Kantonsparlament einen Vorstoss der SVP, wonach Mieter und Wohneigentümer einen Steuerabzug für die Wohnkosten geltend machen dürften. Oder umgekehrt formuliert: Der Staat sollte das Wohnen stärker subventionieren.

Doch der Vorschlag fand keine Mehrheit, weshalb der SVP-Kantonsrat Christoph Marty (Zürich) wenige Tage später eine entschärfte Parlamentarische Initiative nachlieferte: Er strich die Erleichterungen für die Wohneigentümer. Nur noch die Mieter sollten profitieren können. Sie sollten 30 Prozent ihrer Miete, maximal 10 600 Franken im Jahr, vom steuerbaren Einkommen abziehen können.

Das ist ein linkes Anliegen, wie es im Buche steht: Eine vergleichbare Initiative war vor gut 30 Jahren vom Zürcher Mieterverband an die Urne gebracht und nur ganz knapp verworfen worden. Auch die SVP war dagegen gewesen. Die grosse bürgerliche Sorge galt damals der Gesundheit des Staatshaushalts.

Marty argumentierte am Montag im Kantonsrat bei der Behandlung seines neuen Vorschlags, dass dieser gerade dem Mittelstand eine klare Entlastung bringen würde. Wie hoch diese Entlastung wäre, kann man mit dem Online-Steuerrechner des Kantons herausfinden. Eine Person mit einem Einkommen von gut 100 000 Franken zum Beispiel würde pro Jahr etwa 2000 Franken Steuern sparen, wenn sie das Maximum abziehen könnte.

Marty war sich bewusst, dass sich an den Fronten im Kantonsrat seit der ersten Abstimmung im September nichts geändert hatte und nur seine eigene Partei, die SVP, für sein Anliegen stimmen würde. Er warf deshalb der Ratslinken Verrat an ihren eigenen Wählern vor. «Die modernen Roten und Grünen kehren den traditionellen Familien den Rücken zu», sagte er.

Sein Parteikollege Marcel Suter (Thalwil) vermutete, dass die anderen Parteien das Anliegen auch deshalb nicht mittragen würden, weil es vom falschen Absender komme. Das sei fragwürdig.

Woher soll die halbe Milliarde kommen?

Unterstützung, wenigstens im Grundsatz, erhielt die SVP von Donato Scognamiglio (EVP, Freienstein-Teufen). Eigentlich sei der Vorschlag eine Super-Idee, sagte der Immobilien-Unternehmer und Professor für Real Estate Finance. «Wir wünschen uns alle, dass das Leben billiger wird.» Das Problem seien aber die sehr hohen Kosten für den Staat.

Scognamiglio rechnete überschlagsmässig vor, mit welchen Ausfällen der kantonale Haushalt rechnen müsste. Von den rund 700 000 Haushalten im Kanton seien 500 000 Mieter. Wenn jeder von ihnen im Schnitt 1000 Franken weniger Steuern bezahle, dann bedeute dies ein Minus von 500 Millionen Franken. «Wenn Sie mir erklären können, woher wir diese halbe Milliarde nehmen sollen, dann sage ich go for it!», meinte Scognamiglio.

Bemerkenswert war, mit welchen Argumenten unter anderem die GLP gegen die Steuersenkung für Mieter antrat. Diese setze falsche Anreize und treibe die Wohnungspreise in die Höhe, profitieren würden so nicht zuletzt die Anbieter, sagte Cristina Cortellini (Dietlikon).

Bei der SVP dürfte man sich diese Überlegung, staatliche Entlastungen für Privatpersonen seien marktverzerrend und setzten falsche Anreize, für die nächsten Debatten über die Prämienverbilligung oder Beiträge an die Kinderkrippe gemerkt haben.

Mario Senn (FDP, Adliswil) sagte, auch seine Partei wolle die Steuern senken, aber nicht über noch einen weiteren Abzug. Ausserdem sei es nicht richtig, die Probleme auf dem Mietwohnungsmarkt über das Steuerrecht zu lösen.

Die SP und die Grünen wiederum machten deutlich, dass sie so kurz nach der abgelehnten ersten Variante nun überhaupt keine Lust hatten, schon wieder über den nur leicht abgeänderten Vorschlag der SVP zu sprechen.

Tobias Langenegger (SP, Zürich) liess Chat-GPT sein Votum vom September zusammenfassen und er las dieses Kondensat vor. Schuld an den steigenden Mietern seien demnach die institutionellen Anbieter.

Jasmin Pokerschnig (Grüne, Zürich) meinte kurz und bündig, ausser aus populistischen Gründen gebe es keinen Anlass, das gleiche Anliegen schon wieder zu besprechen.

Nochmals inhaltlich auf das Anliegen ein ging Gianna Berger (AL, Zürich). Auch sie führte ins Feld, dass die Subvention preistreibend wirken könnte. Die SVP sei zudem inkonsequent, weil sie den subventionierten Wohnungsbau ablehne, dafür aber eine subventionierte Steueroptimierung zulasse, von der in erster Linie Gutverdiener profitieren würden.

Ausserdem lasse das Steuerharmonisierungsgesetz des Bundes einen Mietabzug gar nicht zu. SVP-Mann Christoph Marty wies dieses Argument umgehend zurück; sein Vorschlag sei eins zu eins von einem Zuger Gesetz abgeschrieben. Dort werde diese Regelung seit Jahren bundesrechtskonform umgesetzt.

Zu Donato Scognamiglio sagte Marty, bei einem kantonalen Budget im Umfang von 20 Milliarden Franken seien 500 Millionen Franken eine überschaubare Grösse – auch dies dürfte eine Aussage sein, an die ihn seine politischen Gegner bei passender Gelegenheit erinnern werden. Er selbst rechne mit tieferen Ausfällen, etwa 300 bis 450 Millionen Franken.

Letztlich half alles Argumentieren nichts. Damit die Initiative in einer ersten Runde unterstützt worden wäre, wären mindestens 60 Stimmen notwendig gewesen. Erreicht worden sind 49. Das Geschäft ist vom Tisch.

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