Dienstag, Oktober 8

Im Fall eines Erfolgs der Volksinitiative für eine Erbschaftssteuer von 50 Prozent lehnt der Bundesrat die Umsetzung durch eine Wegzugssteuer ab. Steuerfachleute empfehlen nun deshalb ihren reichen Klienten keinen vorzeitigen Wegzug ins Ausland.

Der Fall ist ungewöhnlich. Die Volksinitiative der Jungsozialisten für die Einführung einer Erbschaftssteuer von 50 Prozent auf Vermögensteilen über 50 Millionen Franken hat schon weit vor der Volksabstimmung Wirkung gezeigt. Dies liegt an der Kombination von zwei zusätzlichen Forderungen der Initiative in den Übergangsbestimmungen.

So soll die geforderte Erbschaftssteuer nach der Annahme der Initiative sofort greifen – und damit faktisch rückwirkend, denn bis die konkreten Gesetzes- oder Verordnungstexte beschlossen sind, könnte es mindestens ein Jahr oder auch mehrere Jahre dauern. Zudem fordert die Initiative «die Verhinderung von Steuervermeidung, insbesondere in Bezug auf den Wegzug aus der Schweiz». Die Initianten wollen offenbar verhindern, dass Betroffene durch einen Wegzug kurz nach der Volksabstimmung der geforderten Erbschaftssteuer entgehen.

Streng genommen, ist die Forderung nach einer «Verhinderung der Steuervermeidung» nicht umsetzbar, denn solches Verhalten wird sich nie zu 100 Prozent verhindern lassen. Losgelöst davon, hat der Juso-Vorstoss potenziell Betroffene schon ins Schwitzen gebracht. Laut Steuerberatern und Betroffenen machen sich manche schon Gedanken zum Umgang mit dieser Initiative – wobei auch ein vorzeitiger Wegzug zu den Optionen zählt. Denn als mögliche Umsetzungsmassnahme drohte unter Umständen eine Wegzugssteuer im Umfang der neuen Erbschaftssteuer und damit von gegen 50 Prozent des Gesamtvermögens für Personen mit dreistelligen Millionenvermögen. Eine solche Aussicht kann in gewissen Fällen nahe an ein faktisches Einsperren im Land herankommen.

Absage an Wegzugssteuer

Die Erfolgschancen der Initiative an der Urne sind wohl nicht besonders gross. Doch selbst wenn man die Erfolgschancen zum Beispiel nur auf 10 bis 20 Prozent einschätzt, sind die Konsequenzen für Betroffene so bedeutend, dass diese ins Grübeln gekommen sind. Dies gilt vor allem für Familienunternehmer: Im Erbschaftsfall würde der Abfluss von gegen 50 Prozent des Gesamtvermögens eine Weiterführung als Familienunternehmen in der nächsten Generation unter Umständen verunmöglichen.

Diese Verunsicherung und damit die Gefahr von Wegzügen schon vor der Volksabstimmung hat den Bundesrat diesen Mittwoch zu einem bemerkenswerten Schritt veranlasst. In der Antwort auf eine Interpellation aus dem Parlament sagt die Regierung, dass sie im Fall eines Erfolgs der Volksinitiative bei der Umsetzung eine Wegzugssteuer ablehnt. Es ist anzunehmen, dass die bürgerliche Parlamentsmehrheit die Regierung bei diesem Kurs stützen würde.

Grundsätzlich denkbar wäre laut Bundesrat indes ein nachwirkendes Besteuerungsrecht. Dieses könne «beispielsweise» zur Anwendung gelangen, «wenn eine Person nach dem Wegzug ins Ausland zeitnah eine Schenkung tätigt». Auch diesbezüglich gebe es allerdings Vorbehalte. Laut Bundesrat kann die Schweiz eine Erbschaftssteuerforderung «im Ausland derzeit nicht direkt durchsetzen, da sie mit keinem Staat die Vollstreckungshilfe für Erbschaftssteuerforderungen vereinbart hat».

Abkommen mit Österreich

Die Luzerner Steuerrechtsprofessorin Andrea Opel und der Steueranwalt Stefan Oesterhelt von der Kanzlei Homburger geben nun aufgrund dieser Äusserungen des Bundesrats Entwarnung: Sie raten nun potenziell Betroffene von einem Wegzug ab. Der Bundesrat habe «ein unmissverständliches Signal gesendet, dass ein Wegzug aus der Schweiz nicht notwendig ist».

Als grösste Bedrohung für Betroffene galt die Möglichkeit einer Wegzugssteuer. Doch auch unter Berücksichtigung der Äusserungen des Bundesrats wäre folgendes Szenario nicht restlos auszuschliessen: Ein reicher Unternehmer zieht kurz nach der Volksabstimmung ins Ausland, drei Jahre später stirbt er, und die Schweiz schickt den Erben noch eine Rechnung für die Erbschaftssteuer.

Ob die Schweiz die Forderung durchsetzen könnte, wäre indes unklar. Dennoch bliebe für Betroffene eine Restunsicherheit. Doch bei einem Wegzug in gewisse Länder würde auch diese Restunsicherheit relativiert. Laut Andrea Opel hat die Schweiz mit diversen anderen Ländern ein Erbschaftssteuerabkommen abgeschlossen, das die Besteuerung (von beweglichem Vermögen) ausdrücklich auf das letzte Wohnsitzland des Erblassers beschränke. Das gelte etwa für die Abkommen mit Österreich, Grossbritannien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland und Schweden.

Im Fall eines Erfolgs der Volksinitiative käme für Betroffene laut Steuerberatern vor allem ein Wegzug mit Österreich infrage. Für Österreich sprächen vor allem drei Elemente: die geografische Nähe, das besagte Erbschaftssteuerabkommen und die Absenz einer österreichischen Erbschaftssteuer. Laut den Text des Abkommens mit Österreich erschiene indes eine nachträgliche Erbschaftssteuerforderung der Schweiz für Immobilien einschliesslich Betriebsstätten in der Schweiz möglich.

Detaillierte Ausführungen des Bundesrats sind spätestens für Anfang Februar 2025 zu erwarten. Bis dann will die Regierung die Botschaft zur Volksinitiative ans Parlament schicken.

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