Die Rechtsform der Ruag ist schon lange ein Politikum. Nun will der Bundesrat die Rechtsform des Konzerns überprüfen. Zur Debatte steht auch eine Reintegration in das Verteidigungsdepartement.
Ein Rüstungsgeschäft hat letztes Jahr international für Schlagzeilen gesorgt: Die Ruag, der bundeseigene Rüstungskonzern, wollte 96 in Italien eingelagerte Leopard-1-Kampfpanzer an den deutschen Rheinmetall-Konzern verkaufen. Dieser hätte sie an die Ukraine liefern wollen. Doch der Bundesrat gab seine Zustimmung wegen neutralitätsrechtlicher Überlegungen nicht. Beim Geschäft gab es diverse Unstimmigkeiten. Die deutsche Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Korruption, und ein Prüfbericht der Finanzkontrolle deckte im Februar interne Ungereimtheiten und Mängel auf. Die Kompetenz- und Unterschriftenregelungen seien nicht eingehalten worden.
Ausserdem wurde Martin Dumermuth, ehemaliger Direktor des Bundesamts für Justiz, beauftragt, die Rechtsform der Ruag MRO Holding AG zu überprüfen. Sein Gutachten kommt nun zum Schluss: Die privatrechtliche AG sei ein «untaugliches Rechtskleid». Es sei sogar umstritten, ob es sich bei der Ruag MRO heute wirklich um eine privatrechtliche AG handle.
Die Rechtsform der Ruag ist schon lange ein Politikum. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde sie als Aktiengesellschaft gegründet. In dieser Zeit gingen die Rüstungsausgaben zurück, Munitionsfabriken waren nicht mehr ausgelastet. Dennoch wollte die Schweiz eine eigene Rüstungsindustrie erhalten. Einerseits, um den Bedarf der Armee abzudecken, andererseits, um Bedürfnissen der Privatwirtschaft gerecht zu werden. Die Hoffnung war, dass sich auch Private an der privatrechtlichen Aktiengesellschaft beteiligen – was jedoch nie geschehen ist. Der Bund hatte als Aktionär weniger Einfluss, dafür war die Ruag als Unternehmen autonomer.
«Repolitisierung» der Ruag
2018 entschied der Bundesrat, die Geschäftsbereiche zu entflechten und das Unternehmen in zwei Teile aufzuspalten: die Ruag MRO, die 80 Prozent ihres Umsatzes mit Armeeaufträgen machen soll, und die Ruag International, die Stück für Stück verkauft werden soll. Seither hat sich das geopolitische Umfeld verändert, die Politik möchte mehr Einfluss auf die Ruag MRO nehmen können. Martin Dumermuth spricht in seinem Gutachten von einer «Repolitisierung» der Ruag.
Der Bund ist heute Alleinaktionär der Ruag MRO, gibt die Strategie vor (80 Prozent des Umsatzes sollen mit Bundesaufträgen erreicht werden, 20 Prozent mit Aufträgen von Dritten) und hat ein umfassendes Informationsbedürfnis. Dies sei jedoch im privatrechtlichen Rahmen nicht vorgesehen, erklärt Dumermuth. Die Ruag werde bereits heute als privatrechtliche AG durch öffentlichrechtliche Normen übersteuert. Das führe zu Rechtsunsicherheiten und sei auch aus Sicht der AG unbefriedigend. Deshalb seien Optionen des öffentlichen Rechts zu prüfen.
Verteidigungsministerin Viola Amherd hat sich am Mittwoch an einer Medienkonferenz zum Gutachten geäussert. Sie sagte, die Zuständigkeiten, also was der Bund vorgeben darf und wann er welche Informationen erhalten muss, seien heute nicht klar geregelt bei der Ruag. Mit einer öffentlichrechtlichen Rechtsform wären auch die Gestaltungsmöglichkeiten grösser.
Mögliche Rechtsformen wären:
- eine öffentlichrechtliche Anstalt (wie z. B. die Finanzmarktaufsicht [Finma] oder die Zürcher Kantonalbank);
- eine spezialgesetzliche AG des öffentlichen Rechts (wie z. B. die Swisscom);
- eine Reintegration der Ruag in das Verteidigungsdepartement (VBS).
Auch Mischformen seien möglich, erklärte Martin Dumermuth. Das VBS soll diese Optionen bis Ende Mai 2025 prüfen und dem Bundesrat eine Vernehmlassungsvorlage unterbreiten. Mit der neuen Rechtsform müssten auch die gesetzlichen Grundlagen der Ruag MRO geändert werden. Gemäss Bundesrätin Viola Amherd stehen die ersten beiden Optionen im Vordergrund.
Die künftige Rechtsform der Ruag ist auch relevant mit Blick auf die erste rüstungspolitische Strategie, die der Bundesrat beim VBS in Auftrag gegeben hat. Sie soll die politische Grundlage schaffen für die Rüstungspolitik der Schweiz. Die Rede ist von «industriellen Schlüsselfähigkeiten zugunsten der Einsatz- und Durchhaltefähigkeit der Armee» und davon, dass die Schweiz «im Rüstungsbereich zur Sicherheit Europas» beitrage, um die eigene Sicherheit und Unabhängigkeit zu stärken.
Hier könnte die Ruag eine zentrale Rolle übernehmen, sagte Viola Amherd. Der Bundesrat will die rüstungspolitische Strategie bis Mitte 2025 verabschieden.
Neuer Verwaltungsratspräsident
Weiter hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom Mittwoch Jürg Rötheli als neuen Verwaltungsratspräsidenten der Ruag MRO Holding AG ernannt. Er folgt auf Nicolas Perrin, der nach dem Prüfbericht der Finanzkontrolle im Februar seinen Rücktritt angekündigt hatte. Rötheli ist Verwaltungsratspräsident und ehemaliger CEO der ORS Group AG, die im Auftrag des Bundes und der Kantone Unterkünfte für Geflüchtete betreibt. Gemäss Medienmitteilung des Bundesrats ist die ORS ein Unternehmen, «welches sehr eng mit der Bundesverwaltung zusammenarbeitet und regelmässig politischen Spannungsfeldern ausgesetzt ist». Der 61-jährige Jürg Rötheli erfülle das Anforderungsprofil für die Funktion als Verwaltungsratspräsident der Ruag MRO «vollumfänglich». Er tritt sein Amt per 1. Januar 2025 an.