Freitag, November 15

Es steht fest: Die Republikaner gewinnen auch eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus. Damit kann Trump seine konservative Agenda mit Steuersenkungen, Zollerhöhungen und Deregulierungen im Kongress vorantreiben. Der Senat könnte ihm jedoch Grenzen setzen.

Die Auszählungen für die letzten Sitze im Repräsentantenhaus haben über eine Woche gedauert. Doch nun ist klar, dass die Republikaner ihre knappe Mehrheit in der grossen Parlamentskammer behalten werden. Derzeit sind ihnen 218 Sitze auf sicher. Die Demokraten haben 209 Mandate auf ihrem Konto. Für eine Mehrheit sind mindestens 218 Sitze notwendig.

Damit ist die konservative «trifecta» perfekt. Die Republikaner kontrollieren alle drei Machtzentren der Exekutive und der Legislative: das Weisse Haus, den Senat und das Repräsentantenhaus. Gleichzeitig dominiert eine konservative Richtermehrheit auch den Supreme Court. Diese richterliche Mehrheit könnte Trump in seiner zweiten Amtszeit auf Jahrzehnte hinaus sicherstellen. Die Republikaner diskutieren bereits darüber, ob die konservativen Veteranen des Obersten Gerichts – Samuel Alito und Clarence Thomas – nicht aus Altersgründen zurücktreten sollten.

Alito ist 74-jährig, Thomas 76-jährig. Mit der republikanischen Mehrheit im Senat könnte Trump die beiden mit jüngeren Richtern ersetzen. Trump hat in seiner ersten Amtszeit bereits drei Vakanzen am Supreme Court gefüllt. Nominiert er noch zwei weitere, wäre eine Mehrheit der neun Richter am Obersten Gericht von ihm auserwählt.

«Reconciliation» heisst das Zaubermittel

Die Mehrheiten im Senat und im Repräsentantenhaus werden den Republikanern in einem ersten Schritt nun vor allem erlauben, eine sogenannte «budget reconciliation bill» mit einer absoluten Mehrheit durch die beiden Parlamentskammern zu bringen. Das sind Gesetze, die öffentliche Einnahmen und Ausgaben sowie die Schuldenobergrenze betreffen. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Gesetzen können solche Vorlagen im Senat mit einer Mehrheit von 51 der 100 Stimmen verabschiedet werden. Die Demokraten können sie nicht mit dem Filibuster – einer Dauerrede – verhindern, der nur mit 60 Stimmen überwunden werden kann.

Bereits seit dem Sommer arbeiten die Republikaner an einer «Reconciliation»-Vorlage. Im Kern wird es vor allem darum gehen, die 2017 unter Trump beschlossenen Steuersenkungen zu verlängern. Viele von ihnen laufen 2025 aus. Trump hat im Wahlkampf zudem versprochen, die Steuern für Unternehmen, auf Einkommen aus Überstunden oder auf Trinkgeldern noch weiter zu senken oder ganz zu eliminieren. Um dies zu finanzieren, sollen im Gegenzug die Importzölle erhöht werden.

Trump hat im Wahlkampf davon geredet, dass er nach seiner Rückkehr ins Weisse Haus die Zölle auf alle Importe um 10 bis 20 Prozent sowie für Einfuhren aus China um 60 Prozent erhöhen will. Es ist umstritten, inwiefern der Präsident die Kompetenz hat, solche globalen Zollerhöhungen ohne den Kongress zu erlassen. Gemäss der Verfassung ist dafür eigentlich das Parlament zuständig, doch mehrere Gesetze weichten diesen Grundsatz über Jahrzehnte hinweg auf.

Unabhängig davon scheint es kaum möglich zu sein, die Steuergeschenke mit Zollerhöhungen zu finanzieren. Im Fiskaljahr 2020 beliefen sich die gesamten amerikanischen Zolleinnahmen auf rund 74 Milliarden Dollar. Das entspricht etwa 2 Prozent der gesamten Staatseinnahmen. Um Kosten zu sparen, dürften die Republikaner deshalb auch versuchen, die unter der Biden-Regierung verabschiedeten Steuererleichterungen und Ausgabenprogramme für den Klimaschutz zu eliminieren. Allerdings profitieren davon auch Unternehmen in republikanisch kontrollierten Gliedstaaten. Ihre Abgeordneten könnten in Washington deshalb Widerstand leisten.

Trump verspricht sich insbesondere von der Deregulierung der Erdölindustrie einen wirtschaftlichen Aufschwung und folglich wachsende Steuereinnahmen. «Drill, baby, drill!», lautete sein Wahlkampfslogan. Der Interessenverband der Erdöl- und Gaswirtschaft hat Trump bereits einen Fahrplan zukommen lassen. Eine Forderung darin ist ein umfassendes Gesetz für erleichterte Bewilligungsverfahren für Energieprojekte und die Abschaffung einer Gebühr auf Methanemissionen.

Der Senat kann Grenzen setzen

Die Frage ist jedoch, wie weit die gesetzlichen Änderungen innerhalb des «Reconciliation»-Verfahrens gehen können. Sie würden geltende Spielregeln dazu sehr flexibel interpretieren, kündigte Steve Scalise, der republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, an. «Die Demokraten haben ausgedehnt, was innerhalb der ‹reconciliation› bisher traditionell erlaubt war. Wir beabsichtigen, dasselbe zu tun.»

Trump und den Republikanern sind jedoch Grenzen gesetzt. In seiner ersten Amtszeit hat Trump zwar auf eine Abschaffung des Filibusters gedrängt. Doch mit John Thune wählten die Konservativen am Mittwoch einen Mann des Establishments zum Mehrheitsführer im Senat. Er hat versprochen, den Filibuster zu bewahren. Mit einer Mehrheit von voraussichtlich 53 Sitzen wären die Republikaner damit auf 7 Demokraten angewiesen, um einschneidende Gesetzesänderungen zu verabschieden. Zudem könnte auch der Widerstand von 4 konservativen Abweichlern ausreichen, um umstrittene Ernennungen für Trumps neues Kabinett zu verhindern.

Zugleich wird die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus erneut knapp sein. Da Trump schon drei Abgeordnete in sein Kabinett berufen möchte, macht sich der republikanische Speaker Mike Johnson bereits Sorgen. Um vakante Sitze zu füllen, müssten in den entsprechenden Gliedstaaten zunächst Ersatzwahlen stattfinden. Eine prekäre Mehrheit könnte einen optimalen Start in die Legislatur verhindern.

Auch bei den Zwischenwahlen vor zwei Jahren gewannen die Republikaner nur eine hauchdünne Mehrheit im Repräsentantenhaus. Danach brauchte die republikanische Fraktion nicht weniger als 15 Wahlgänge, um Kevin McCarthy zum Speaker zu wählen. Es sollte eine chaotische und wenig produktive Legislatur werden. McCarthy wurde nach zehn Monaten im Amt das Opfer einer parteiinternen Revolte und musste gehen.

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