Im September 1515 wurden die Schweizer bei Marignano vernichtend geschlagen. Es war eine der letzten grossen Schlachten der Alten Eidgenossenschaft. Und sie beendete die Expansionsbestrebungen der Eidgenossen.

Noch am Morgen schien es ausgeschlossen, dass die Eidgenossen sich ein paar Stunden später in eine Schlacht stürzen würden. Gewiss, die Innerschweizer drängten auf Krieg, die Zürcher und Zuger aber zögerten, und die Berner, Freiburger und Solothurner waren sowieso längst abgezogen. Wahrscheinlich sassen sie bereits zu Hause bei Frau und Kind.

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Chaostage in Mailand. Man schrieb den 13. September 1515, und auch wenn es ein prächtiger Herbsttag war, wie hinterher alle versicherten, die dabei gewesen waren: Keinem Schweizer sollte dieser Tag in guter Erinnerung bleiben. Seit Stunden hatte sich der Kriegsrat der Eidgenossen im Schloss versammelt, wo die Hauptleute sich nicht einig wurden, während draussen ihre Mannschaften ebenfalls eine Kriegergemeinde abhielten und geradeso wenig zu einem Konsens kamen.

«Jetzt oder nie!», rief die Kriegspartei. «Wozu? Wir haben schon Frieden», schimpften die Pazifisten. «Was haben wir in der Lombardei verloren?», antworteten die Isolationisten, die auf territoriale Mässigung drangen.

Tatsächlich hatten die Eidgenossen vor kurzem mit den Franzosen einen Friedensvertrag ausgehandelt, der überaus günstig erschien: Wenn die Eidgenossen bereit waren, die Lombardei als ihr Protektorat aufzugeben, dann würde ihnen Franz I., der französische König, dafür 700 000 Kronen zahlen. Ein gigantischer Betrag, wenn man ihn umrechnet: Er entspräche heute etwa einer halben Milliarde Franken. Und zugleich ein lächerlicher Betrag, wenn man weiss, dass die Lombardei zu jener Zeit eine der reichsten Gegenden der Welt darstellte. Jedenfalls waren die Schweizer nie damit glücklich geworden.

Terror aus den Alpen

1512 hatten sie die Lombardei erobert. Es war eine Sensation, die halb Europa in Angst und Schrecken versetzte – nicht, weil die Eidgenossen dazu imstande waren, daran hatte man sich gewöhnt, zumal sie als die härtesten und brutalsten Krieger der Epoche galten: Die Art und Weise verblüffte. Als ob sie es mit blutigen Anfängern zu tun gehabt hätten, nahmen die Schweizer die Franzosen in bloss drei Wochen auseinander. Sie vertrieben sie aus einem Gebiet, das diese bereits als Teil ihres Königreichs betrachtet hatten.

Als sie ein Jahr später, 1513, den Erfolg wiederholten und die Franzosen in der Schlacht bei Novara abermals entscheidend schlugen, begannen die Zeitgenossen, sich Gedanken zu machen. Was hatten diese Eidgenossen in Italien sonst noch vor? Intellektuelle wie Niccolò Machiavelli hielten die Eidgenossen für die neuen Römer und erwarteten, dass sie ganz Italien in Besitz nehmen werden.

Er irrte sich. Auch wenn die Schweizer auf die Zeitgenossen wie eine Grossmacht wirkten – und sich wohl auch so aufführten: Schon wenig später war der Spuk vorbei. Er endete in Marignano.

Das bedeutet keineswegs, dass die Eidgenossen es nicht versucht hätten, sich zu neuen Römern aufzuschwingen: Als sie 1512 die Lombardei übernahmen, verhielten sie sich zuerst wie normale Imperialisten – es gab sogar Leute, die empfahlen, das Gebiet zu einem neuen Kanton zu erklären. Doch wie es ist, wenn in der Schweiz etwas zu entscheiden wäre: Innerhalb von 25 Jahren ist kein verbindlicher Beschluss zu erwarten, wenn 13 souveräne, eigensinnige, eifersüchtige Kantone involviert sind.

Käse, Ziger und Butter

Zum Schein setzten die Schweizer einen unfähigen Marionetten-Herzog ein, wobei die Macht bei ihren Truppen in Mailand lag, für die sie sich auch noch unverschämt gut bezahlen liessen. Doch schon bald sollte ihnen die Lust vergehen. Die Zahlungen, die man den Italienern für die «Militärhilfe» aufgehalst hatte, trafen nicht ein, Recht und Ordnung zu halten, war teuer, die hochentwickelte Mailänder Industrie lieferte nicht, was man sich erhofft hatte, die Handwerker sassen herum, die Bauern assen lieber selber, was sie produziert hatten, als dass sie es über den Gotthard zu den Barbaren geschickt hätten.

So überrascht es nicht, dass Frankreich seine territorialen Ansprüche immer aufrechterhalten hatte, umso mehr als im Januar 1515 mit Franz I. ein neuer König den Thron bestiegen hatte. Bloss 21 Jahre alt, aber ehrgeizig und ungeduldig, als hätte er jahrhundertelang auf seine Stunde gewartet, hielt er Julius Cäsar für sein Vorbild, und die Lombardei sah er als sein Gallien an.

Bald stand er mit 45 000 Mann vor Mailand, wo die Eidgenossen bloss mit 6000 Soldaten Wache hielten. Zwar bot die Tagsatzung sogleich rund 30 000 Mann auf, die sie in Eilmärschen über die Alpen warf, doch deren Kampfbegeisterung hielt sich in Grenzen – oder besser: Sie war von Kanton zu Kanton verschieden.

Die Urner und die Schwyzer, die schon immer der Südexpansion das Wort geredet hatten, wollten die Lombardei um keinen Preis aufgeben, die westlichen Kantone dagegen, also Bern, Solothurn und Freiburg, zeigten sich mehr an Eroberungen in Burgund oder in Savoyen interessiert, Italien liess sie kalt: «Wir verkaufen keinen Käse, Ziger und Butter in der Lombardei», hatte der Vertreter von Solothurn schon früher gespottet, als es um den Erwerb von Bellinzona ging.

«Wie lange wollt Ihr noch beraten?»

Es begannen Verhandlungen. Man einigte sich – oder auch nicht. Während Franz I. meinte, mit den schwierigen Eidgenossen einen Deal zu haben, und die Berner, Solothurner und Freiburger rasch packten, im Wissen, dass die Tinte noch nicht trocken war, setzten die Innerschweizer alles daran, den «Friedensvertrag» zu hintertreiben.

Bis am Morgen des 13. September.

«Jetzt oder nie!», riefen die Hauptleute und Krieger aus der Innerschweiz, doch die Zürcher, Zuger sowie die Zugewandten aus der Ostschweiz taten keinen Wank. Es nützte auch nichts, dass Kardinal Matthäus Schiner aus dem Wallis erschien, um auf die Zögerer einzureden. Schiner, der später beinahe zum Papst gewählt werden sollte, galt als einer der mächtigsten und gerissensten Politiker der Epoche. Er hielt die Rede seines Lebens. Trotzdem drang er nicht durch. Die Zürcher machten sich für den Abzug bereit.

Da stürzte plötzlich ein Soldat in den Saal: «Bei Gottes fünf Wunden, hoffentlich geht Ihr an Eurem Geschwätz noch zugrunde!» – Was nach damaligen Begriffen eine ungeheure Beschimpfung bedeutete: «Wie lange wollt Ihr noch beraten? Wir schlagen uns mit dem Feind und stechen uns zu Tode!»

«Wenn es so schlimm ist», entgegnete ihm der Bürgermeister Markus Röist aus Zürich, «warum bist du dann nicht bei unseren Leuten geblieben?» Als aber kurz darauf ein weiterer Krieger auftauchte, Heini Erb aus Uri, und verkündete: «Die Schlacht hat begonnen!», sprangen alle Hauptleute erschrocken auf und eilten zu ihren Truppen. Selbst für die zögerlichen Zürcher gab es nun kein Halten mehr, sie ergriffen ihre Waffen und rannten kilometerlang vor die Stadt, auf der Suche nach dem Feind. Sie fanden ihn nicht. Er lagerte auf einer Ebene bei einem kleinen Ort. Der Ort hiess Marignano.

Die falsche Schlacht

Wie sich hinterher herausstellte, war das, was man für einen französischen Angriff hielt, fingiert. Von wem, wurde nie bewiesen, doch der Verdacht lag nahe, dass Kardinal Schiner und ein paar seiner kriegslüsternen Vertrauten dahintersteckten, die so das Patt im schweizerischen Kriegsrat aufbrachen.

Jetzt nahmen die Ereignisse ihren Lauf. Die Eidgenossen stürzten sich in eine Schlacht, die sie nie hätten wagen dürfen. Zu ungünstig war das Gelände – eine von Kanälen und Bächen durchzogene, eng begrenzte Ebene. Zu ungleich die Kräfteverhältnisse: 45 000 Franzosen (unter ihnen 23 000 deutsche Landsknechte) trafen auf 30 000 Schweizer. Zu gut verschanzt lag der Feind hinter den Kanälen. Überdies hatte er 74 moderne Kanonen mitgebracht, während die Schweizer mit bloss 8 Occasions-Geschützen antraten.

Hätten sie ein, zwei Tage zugewartet, wären ihre Verbündeten, der Papst und die Spanier, vielleicht eingetroffen. Laut Vertrag sollten sie die Kavallerie und Artillerie beisteuern, woran es den Eidgenossen notorisch mangelte – vielleicht, muss man sagen, weil diese Verbündeten als unzuverlässig galten. Wie dem auch sei: Es war die falsche Schlacht am falschen Ort zur falschen Zeit. Zumal es vor lauter Kriegsrat und basisdemokratischen Kriegergemeinden inzwischen später Nachmittag geworden war.

Erst um drei Uhr nachmittags griffen die Eidgenossen an – so wie sie das immer taten, Terror verbreitend, wie von Sinnen, als wäre Leben nur zu spüren, wenn man es andern nahm: Zuerst rollte der «verlorene Haufen», die jüngsten und unerschrockensten Kämpfer, in die französischen Truppen, dann stiessen die übrigen nach, wobei das Tempo, mit dem sie voranpreschten, so hoch war, dass der Feind bald nicht mehr wusste, wo Himmel und Erde lagen. Es war eine Art mittelalterlicher Blitzkrieg, für den die Eidgenossen berüchtigt waren. Seit gut 200 Jahren galten sie als schier unschlagbar.

Zwei Stunden mehr Tageslicht

Wie unschlagbar, mögen Zahlen verdeutlichen: Zwischen 1315 und 1511 fanden insgesamt 48 militärische Auseinandersetzungen zwischen Eidgenossen (sowie ihren Verbündeten) und Habsburgern statt. Davon gewannen die Eidgenossen 42 und die Habsburger bloss 6. Nichts hatte allerdings mehr zu ihrem Kriegsruhm beigetragen als die Burgunderkriege (1474–1477), wo sie Karl den Kühnen, den Herzog von Burgund und einen der reichsten sowie militärisch stärksten Fürsten Europas massakriert hatten.

Die Schlacht kam zum Stehen. Franzosen, Deutsche, Schweizer verbissen sich ineinander. Grausamer, blutiger, erbarmungsloser, gehässiger konnte das Ringen nicht mehr werden, als die Eidgenossen nun auf die «Schwarzen Banden» stiessen – eine Eliteformation von Landsknechten aus Norddeutschland und Holland, die sich wie Gotteskrieger ganz in Schwarz kleideten: schwarze Rüstungen, schwarze Fahnen, schwarz wie der Tod.

Werner Schodeler, ein Zeitzeuge, berichtet: «Da fing erst der bittere Ernst an mit Schlagen, Hauen und Stechen. Zwar wehrten sich die Schwarzen Banden tapfer, dennoch mussten sie der Übermacht der Eidgenossen am Ende nachgeben.» Rund die Hälfte der 6000 Schwarzen Banden fiel. «Es war an den übrigen Landsknechten und der welschen [französischen] Reiterei, die Eidgenossen aufzuhalten. Erneut wurde es sehr heftig und sehr schwer.»

Wer stand dem Sieg näher? Am ersten Tag schien es, als ob sich die Eidgenossen durchsetzten, doch lief ihnen die Zeit davon. Galeazzo Visconti, der Führer der Mailänder Kavallerie, die bei Marignano die Eidgenossen unterstützt hatte, schrieb nachher Heinrich VIII., dem König von England: «Hätten die Schweizer zwei Stunden mehr Tageslicht gehabt, sie hätten die Schlacht an jenem Abend gewonnen.»

Eine kurze, kalte Nacht

Es wurde dunkel. Ab sechs Uhr setzte die Dämmerung ein, ab elf Uhr war es stockfinster. Dennoch kämpfte man weiter, bis die meisten Krieger – seit gut sieben Stunden ineinander verkeilt – vor Erschöpfung nicht mehr aufrecht stehen konnten und sich auf dem Schlachtfeld hinlegten. Manchmal ganz nah beieinander, ohne zu wissen, ob es ein Feind war oder ein Freund, der neben ihnen schlief.

Die Eidgenossen hielten Kriegsrat. Den Feind hatte man nicht nur zurückgedrängt, sondern man hatte auch dessen Zuversicht gebrochen: War es Zeit, abzuziehen? Kardinal Schiner riet zur Rückkehr nach Mailand, wo die Schweizer sich unter dem Schutz der Stadtmauern erholen und auf Verstärkung aus der Heimat warten sollten.

In ihrer Mehrheit wollten die Hauptleute nichts davon hören, die Schlacht jetzt abzubrechen. Zu greifbar schien der Erfolg. Dass man kaum Wasser zum Trinken hatte, dass die meisten Krieger hungerten, dass niemand zu schlafen vermochte, dass alle grauenhaft unterkühlt waren und schlotterten, dass viele sich heimlich davonstahlen: Den Hauptleuten der Eidgenossen schien das entgangen zu sein.

Dass die Franzosen zur gleichen Zeit viel besser versorgt wurden – und dass der König die Finsternis nutzte, um seine vielen Geschütze neu anzuordnen, jetzt, da er genau Bescheid wusste, wo die Eidgenossen am wirksamsten zu treffen waren: Den Hauptleuten blieb es verborgen. Sie unterschätzten den jungen König und die Franzosen – und sie überschätzten die eigenen Leute. Denn in der kurzen, kalten Nacht von Marignano vom 13. auf den 14. September 1515 brach die Moral der Eidgenossen zusammen.

Land in Trauer

Als es wieder hell wurde, merkten die Eidgenossen auf tödliche Art, dass die Franzosen die Nacht besser genutzt hatten als sie selbst: Es ging ein Gewitter der französischen Artillerie auf sie nieder, dem sie nicht mehr gewachsen waren. Es gelang nicht mehr, die Kanonen zu unterlaufen. Bei Novara hatten sie manche davon erobert und gegen den Feind gerichtet: In Marignano brachten sie nur 15 Geschütze an sich. 49 zerfetzten, zerschlugen und zerrissen sie weiter.

Irgendwann trafen dann noch die Venezianer ein und trieben ihre Kavallerie auf sie los. Ob das den Ausschlag gab oder nicht, ist umstritten, jedenfalls bliesen die Eidgenossen zum Rückzug. «In beachtlicher Ordnung» zwar, wie ein Franzose mit Respekt verzeichnete, aber doch dezimiert, deprimiert, aufgerieben.

Auf dem Feld von Marignano blieben 14 000 Tote liegen, mehr als die Hälfte davon, so schätzt man, waren Schweizer. Der Berner Chronist Valerius Anshelm schrieb kurz darauf: «Eine so hohe Zahl von guten Leuten, von Ratsherren und Ammännern auch, hatte die Eidgenossenschaft in einer Schlacht noch nie verloren, seit sie bestanden hatte.»

Es war eine Katastrophe – und das ist nicht der Eindruck von Nachgeborenen, so sahen es die Zeitgenossen schon einen Tag nach der Schlacht: «Bald erfuhren auch die Leute zu Hause von der Niederlage», schrieb Ludwig Schwinkhart, ein Zeitzeuge, «und grosse Trauer ergriff das Land, insbesondere jene, deren Freunde und Verwandte gestorben waren. Jeder Ort hatte Tote zu beklagen, keiner war davon ausgenommen.»

Welthistorische Bedeutung

War es eine Wende? Huldrych Zwingli, der grosse Reformator, war in Marignano als Feldprediger dabei gewesen, und obgleich er sich schon vorher immer wieder kritisch über den Solddienst und das eidgenössische Ausgreifen nach Italien geäussert hatte: Erst jetzt kehrte er als kompromissloser Gegner des Krieges auf eigene Rechnung oder für fremde Mächte in die Schweiz zurück.

Die Niederlage bei Marignano war welthistorisch von Belang, weil Zwingli nicht zuletzt dank seinem Anti-Solddienst-Furor in Zürich bald die Reformation durchsetzte. Welthistorisch, weil Zwingli zu einem der Väter des nichtlutherischen, reformierten Protestantismus aufstieg, der später dann von Jean Calvin bis nach Amerika verbreitet wurde. Ohne Zwinglis spezifisch republikanische Ausprägung der reformierten Kirche wäre die Geschichte anders verlaufen. Marignano löste eine neue Epoche aus. Aber nicht nur in der Weltpolitik.

Für die Schweiz erwies sich die Niederlage als eine der folgenreichsten ihrer Geschichte. Nicht dass noch auf dem Schlachtfeld die Neutralität festgelegt worden wäre, wie da und dort gesagt wird, meist als verzerrende Karikatur derer, die behaupten, der Schweiz sei die Neutralität tatsächlich am Wiener Kongress von 1815 zugefallen – gewissermassen ohne ihr Zutun. Gnädige Grossmächte! Das ist Unsinn. Wie es auch Unsinn wäre, alles mit Marignano anfangen zu lassen.

Tatsache ist: Von Neutralität wollte kurz nach Marignano niemand etwas wissen. Die Eidgenossen rüsteten gar für einen Vergeltungsfeldzug, allen voran die Innerschweizer, die die Lombardei noch lange nicht vergessen hatten. Aber bald erwies sich die Kriegsmüdigkeit in der Schweiz als zu ausgeprägt, Widerstand regte sich, gar Aufstände, und die Politiker sahen sich gezwungen, Frieden zu schliessen.

Das kam Franz I. entgegen, dem bewusst war, dass er mehr davon hatte, wenn er die Eidgenossen für sich anstellte, als wenn er gegen sie Krieg führte. 1516 wurde in Freiburg der «Ewige Frieden» geschlossen, der wenig später, 1521, mit einem Soldvertrag ergänzt wurde, wo dem König ein nahezu exklusiver Zugriff auf unsere Söldner eingeräumt wurde.

Mit Frankreich und Habsburg

Die Schweiz verlor die Lombardei, behielt aber das Tessin und das Veltlin. Als Gegenleistungen erhielten die Schweizer Kaufleute und Industriellen Zugang zum riesigen französischen Binnenmarkt, was niemand sonst in Europa hatte, ferner Privilegien für die wichtige Lyoner Messe sowie ständige Salzlieferungen. Das war entscheidend. An Salz mangelte es der Schweiz, dabei war Salz für die Käseherstellung unerlässlich. Und Käse war schon damals ein wichtiges Exportgut. Und schliesslich zahlte Franz I. den Eidgenossen die enorme Summe von 700 000 Kronen.

Die beiden Verträge sagen alles: Franz I., der den Krieg gewonnen hatte, behandelte die Schweizer wie Sieger. Das zeigt, für wie militärisch gefährlich, aber eben auch nützlich er sie nach wie vor hielt. Ihm lag viel daran, die Schweiz aus dem «Great Game» der Grossmächte herauszunehmen, wo sie die Rolle eines militärischen Spielverderbers gespielt hatten, und auf seine Seite zu ziehen.

Das gelang ihm. Die Schweiz blieb bis 1798 ein enger Verbündeter Frankreichs. Aber die Schweizer waren schlau. Kurz zuvor, 1511, hatten sie auch mit den Habsburgern, den alten Erbfeinden, einen Ausgleich gefunden, der zwar weniger weit ging als jener mit den Franzosen, aber doch sicherstellte, dass die Schweiz zwischen die beiden während der nächsten 300 Jahre rivalisierenden Grossmächte zu liegen kam. Einmal näher bei Paris, dann wieder näher bei Wien. Es war eine Überlebensstrategie, die niemand entworfen hatte, die sich aber im Lauf der Jahrzehnte zu einer Staatsmaxime herausbildete. Irgendwann nannte man sie Neutralität.

So gesehen brachte Marignano durchaus eine Wende. Weil die Schweizer kurz danach ihre Grossmachtambitionen aufgaben – für immer, wie wir im Nachhinein feststellen können. Und das war eine unabdingbare Voraussetzung für die spätere Neutralität. Wenn die Schweizer Krieg führten, dann nur noch für fremde Herren, nie mehr für sich selbst.

Zwar eroberten die Berner, Freiburger und Walliser 1536 noch bedeutende Gebiete von Savoyen, im Wesentlichen die heutige Romandie, doch das taten diese Kantone allein – nicht im Namen der Eidgenossenschaft, wo insbesondere die Innerschweizer diesen Krieg nur murrend und nörgelnd gerade noch geschluckt hatten, kurz darauf war aber Schluss: Die Schweiz expandierte nie mehr. Sie zog sich aus der Weltgeschichte zurück.

Der Journalist und Historiker Markus Somm ist Verleger und Chefredaktor des «Nebelspalters». 2015 erschien von ihm im Stämpfli-Verlag das Buch «Marignano. Warum die Schweiz keine Grossmacht wurde».

Die grössten Schlachten der Geschichte

rib. In der Geschichte Europas wurden unzählige Schlachten geschlagen. Sie forderten Millionen von Toten und brachten unermessliches Leid über die Menschen. In den kommenden Wochen publizieren wir an dieser Stelle Essays, die sich mit grossen Schlachten befassen, und fragen, wie sie die Geschichte bestimmten. In der NZZ-Ausgabe vom 3. Mai schreibt der britische Historiker Jeremy Black über die Schlacht bei Waterloo.

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