Donnerstag, Oktober 10


Mehr Charakter

Hosen mit hohem Bund und einem weit ausgestellten Bein sind laut den aktuellen Männermode-Kollektionen gerade Trend. Feiert die Schlaghose bald auch beim Mainstream-Mann ein Comeback?

Lenny Kravitz und Bradley Cooper haben in Sachen Modegeschmack nicht so viel gemeinsam. Aber in der Oscar-Nacht Anfang März wagten sich beide an ein eher kontroverses Kleidungsstück: die Männer-Schlaghose. Coopers Version, die er während der Filmpreisverleihung trug, stammte von Louis Vuitton und war eher schlicht kombiniert mit einem weissen Hemd und einem schwarzen Sakko.

Kravitz inszenierte sich naturgemäss mehr als der Rockstar, der er ist, und erschien zur Party des Magazins «Vanity Fair» in einem Ensemble aus schmaler Jacke, taillenhoher Schlaghose und Schluppenbluse von Saint Laurent.

Männliche Hollywood- und Pop-Stars haben sich in den vergangenen Jahren mehr Modemut angeeignet und nutzen den roten Teppich ebenso wie Frauen zunehmend als Plattform, um ihr Image zu prägen. Schlaghosen sieht man dennoch eher selten.

David Beckham und sein Sohn Cruz trugen im Juni 2022 zu einer Modenschau von Dior Modelle des Hauses. Auch der Pop-Star Harry Styles ist ein Fan und trägt auf dem Cover seines Albums «Fine Line» aus dem Jahr 2019, fotografiert von Tim Walker, weisse Schlaghosen, die aufgrund der Fischaugenperspektive riesig aussehen.

Die Silhouette, die sich meist durch einen hohen Bund und ein ab dem Knie weit ausgestelltes Bein auszeichnet, taucht auch in den aktuellen Herrenkollektionen von Marken wie Loewe und Etro auf. Auf der Strasse sieht man sie jedoch noch selten.

Die Geschichte der Schlaghosen

Dabei waren Schlaghosen, die auf Englisch «bell-bottoms» genannt werden, einst das Standardmodell für erwachsene Männer ebenso wie für Jugendliche und Kinder. Ihren Ursprung haben sie im 19. Jahrhundert. Amerikanische Matrosen der US Navy trugen sie bei der Arbeit, vermutlich weil man das ausgestellte Bein leicht nach oben rollen konnte, für den Fall, dass der Stoff nass wird, und weil man sie schnell an- und ausziehen konnte.

Später übernahm sie auch die Royal Navy in Grossbritannien in ihre Uniform. Dass sie ein modisches Kleidungsstück sein könnten, wurde erst ab den 1960er und 1970er Jahren bemerkt – das Musiker-Duo und -Paar Sonny und Cher liebte den Look und trug Schlaghosen bei seinen Fernsehauftritten. Sie passten perfekt zu den Plateauschuhen, Clogs und hohen Stiefeln, die damals von Männern wie Frauen getragen wurden.

John Travolta führte den Look im Film «Saturday Night Fever» aus dem Jahr 1977 vor. Da hatte sich die Schlaghose längst als ein Teil des durchschnittlichen Alltagsoutfits für Männer etabliert, das zu Sakkos ebenso getragen wurde wie zu T-Shirts, Jeans- oder Bomberjacken.

Ab den 1980er Jahren sank die Beliebtheit der Schlaghose, und die Anzüge der neuen Dekade sahen gerade geschnittene Hosen für Männer vor. Ab den frühen nuller Jahren kehrten Schlaghosen, die extrem tief sassen und aus Denim bestanden, nur für Frauen zurück.

In die Garderobe des Mainstream-Manns haben sie es bis heute nicht so richtig zurückgeschafft – zu ungewohnt und gewagt ist die Mischung aus engem und weitem Bein wohl für viele Männer, erst recht, wenn ein hoher Bund auch noch die Taille betont.

Der Vorteil dabei: Der Schnitt streckt optisch den Körper und verleiht einem schwarzen Anzug ein wenig mehr Charakter und Eigensinn. Was nicht nur auf dem roten Teppich sehr gut aussehen kann.

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