Donnerstag, November 28

Die juristischen Probleme wegen der Milliardenabschreibung von AT1-Anleihen bei der CS-Übernahme verschärfen sich. Klagen werden nun im Ausland eingereicht und nehmen die Schweiz ins Visier.

Die UBS hat die Credit Suisse endgültig übernommen. Doch die Kollateralschäden der staatlich organisierten Rettungsaktion sind damit nicht weg. Am Donnerstag hat eine amerikanische Anwaltskanzlei eine Klage bei einem New Yorker Gericht eingereicht. Die Beschwerde betrifft die umstrittene Abschreibung von Anleihen des Typs AT1 in Höhe von 16 Milliarden Franken bei der Notübernahme der CS im März 2023.

Diesmal steht aber nicht in erster Linie die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) im Visier der Kläger, sondern die Schweiz selbst. Diese neue Klage reiht sich unter Hunderte Verfahren ein, welche die von der Finma angeordnete Abschreibung der nachrangigen Bonds als unzweckmässig und deshalb unzulässig erachten.

Bei der jüngsten Beschwerde, die von der US-Anwaltskanzlei Quinn Emanuel eingereicht wurde, wird eine Entschädigung von 82,3 Millionen Dollar verlangt. Denn einige AT1-Instrumente der CS waren in den USA registriert und wurden über das dortige Clearing-System abgewickelt. Es handelt sich dabei um eine von den Schweizer Verfahren unabhängige Klage.

Quinn Emanuel vertritt bereits in der Schweiz zahlreiche Gläubiger, die Anleihen im Gegenwert von 4,5 Milliarden Dollar verloren. Insofern handelt es sich bei der US-Beschwerde um einen Nebenschauplatz. Bis jetzt, denn dem Vernehmen nach dürften die amerikanischen Forderungen in den kommenden Monaten weiter wachsen. Eine erste Entscheidung seitens New Yorker Gericht wird frühestens Ende Jahr erwartet.

Es dürften Berufungen folgen, die wiederum zwölf bis achtzehn Monate beanspruchen. Doch die US-Kläger hoffen, mittelfristig eine sogenannte Discovery einleiten zu können. Dabei könnte die Finma angewiesen werden, Dokumente und Kommunikation, die bisher zurückgehalten wurden, für das Verfahren herauszugeben. Das könnte Licht in die genauen Vorgänge bringen, die zur umstrittenen Abschreibung geführt haben – und auch den Ausgang der Verfahren in der Schweiz beeinflussen.

Die Schweiz als «Investmentbank»

Die durch die Finma angeordnete Vernichtung aller AT1-Bonds der CS hat international Empörung ausgelöst. Eine solche staatliche Intervention war einmalig und hat die allgemein akzeptierte Gläubigerhierarchie auf den Kopf gestellt: Die AT1-Obligationäre der CS verloren alles, während die Aktionäre verschont wurden.

Gleichzeitig war die Abschreibung ein essenzielles Element des CS-Deals: Sie lieferte die finanzielle Grundlage, damit die UBS in die Übernahme überhaupt einwilligte. Durch die Abschreibung entstand ein dickes finanzielles Polster in Form von negativem Goodwill, welches die Risiken der Übernahme für die UBS bis heute finanziell abfedert.

Die Argumentation der US-Anwälte zielt nicht nur auf die vertraglichen Bedingungen der AT1-Bonds ab, sondern auch auf die Rolle der Schweizer Behörden bei der CS-Rettungsaktion. Gemäss Klageschrift habe die Schweiz ihre aufsichtsrechtliche Pflicht nicht wahrgenommen und stattdessen die Rolle einer privaten Investmentbank angenommen, die den Verkauf einer notleidenden Bank orchestriert.

Die Schweiz habe mit der UBS «eine Rosine gepickt» und habe es versäumt, andere potenzielle Käufer in Betracht zu ziehen und somit die AT1-Gläubiger zu schützen. Überhaupt hätte die Schweiz die Alternative einer geordneten Abwicklung gehabt, der Bund habe sich stattdessen für eine «private Lösung» entschieden.

Bundesverwaltungsgericht ist am Anschlag

AT1-Bonds wurden im Nachgang der Finanzkrise entwickelt, um bei Bedarf abgeschrieben oder in Eigenkapital gewandelt zu werden. Das Ziel dabei ist, eine angeschlagene Bank zu stabilisieren. Insofern sind die Bonds genau für einen Krisenfall wie bei der CS vorgesehen. Die Streitpunkte drehen sich aber um die Frage, ob im CS-Fall die Bedingungen erfüllt waren, um eine Abschreibung anzuordnen, zumal der Bund zusätzlich Notrecht verfügte.

Vor allem ausländische Profi-Investoren und vermögende Personen erlitten Totalverlust. In der Schweiz sind auch Pensionskassen und Privatanleger betroffen. Viele haben den Rechtsweg gewählt, in der Hoffnung, zumindest einen Teil ihrer Verluste zurückerstattet zu bekommen.

Das Gros der Beschwerden gegen die Finma-Verfügung wurde beim Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen eingereicht. Bis dato laufen 320 Verfahren von 3000 Beschwerdeführern. Das Gericht sieht sich mit einer nie gesehenen Klageflut konfrontiert, die schwer zu bewältigen ist. Die Verfahren ziehen sich seit Monaten hin.

Für das Bundesverwaltungsgericht ist es auch eine politische Herausforderung, schliesslich stehe die Schweiz international in der Kritik, sagt der Rechtsanwalt Alexander Lindemann. «Es geht nicht nur um Geld, sondern um die Landesinteressen, um den Schutz der Schweizer Institutionen», sagt der Kapitalmarkt-Experte, der ebenfalls AT1-Gläubiger vertritt.

Insofern sei verständlich, dass das Gericht Geschwindigkeit herausnehmen wolle und sich die Verfahren in die Länge zögen. So warten die Kläger bis heute auf Stellungnahmen des Gerichts, aber auch der UBS, die die Rechtsnachfolgerin der CS ist. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Finma gegen die Herausgabe vertraulicher Dokumente an die Beschwerdeführer ausgesprochen hat.

Dem Vernehmen nach soll das Gericht auch noch nicht abschliessend geklärt haben, ob es die Fälle überhaupt übernimmt. Sollte es sich als nicht zuständig erachten, wäre es «ein eleganter Weg, sich zu entziehen», sagt eine mit den Verfahren vertraute Person.

Internationaler Druck steigt

In der Schweiz geht es nicht vorwärts, derweil türmen sich die Klagen im Ausland. Etliche internationale Anwaltskanzleien stürzen sich auf den Vorfall und versuchen daraus Kapital zu schlagen. So ist die neueste Quinn-Emanuel-Klage nicht die einzige Klage in den USA. In New Jersey haben AT1-Gläubiger gegen die CS und fünf leitende Angestellte geklagt. Die Kläger hatten im Zeitraum der CS-Übernahme um den 19. März noch AT1 der Bank gekauft und alles verloren.

Für die internationale Klageindustrie ist die staatlich verordnete Abschreibung attraktiv, weil sie viel Angriffsfläche bietet. So wird argumentiert, dass der Abschreibungsbefehl der Finma internationale Investitions- oder Freihandelsabkommen verletze und es sich dabei um eine Enteignung der Investoren durch die Schweiz handle. Die Schweiz hat rund 120 solcher Abkommen geschlossen, jedes definiert eigene Regeln. Dutzende neuer Klagen sind in etlichen Ländern in Vorbereitung.

Diese Verfahren laufen parallel, sollen an internationalen Schiedsgerichtshöfen vorgebracht werden und richten sich gegen die Schweiz als Staat: Ein dezentralisiertes und entpolitisiertes Verfahren gegen die Schweiz auf der Grundlage internationaler Investitionsabkommen sei der erfolgversprechendste Weg für die AT1-Gläubiger, sagt Loukas Mistelis, Anwalt bei der international tätigen Kanzlei Clyde & Co. Er will für Anleger aus Hongkong, Japan, Korea, Singapur und den Vereinigten Arabischen Emiraten klagen.

Ob diese alternativen Verfahren erfolgreicher sind, muss sich weisen. Denn gemäss dem Rechtsexperten Lindemann handelt es sich um «juristisches Neuland». Einen Vorteil könnten die internationalen Schiedsgerichtsverfahren für die Kläger dennoch bieten. Sie laufen typischerweise schneller ab als staatliche Verfahren, die sich über viele Jahre hinziehen können.

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