Swiss, Edelweiss, Imholz, Kuoni und nun auch Hotelplan. Kaum ein Konsumprodukt in der Schweiz ist so deutsch geprägt wie Ferienreisen.
Es waren einmal drei unabhängige Eidgenossen, die auf die klingenden Namen Imholz, Kuoni und Hotelplan hörten. Sie waren sehr beliebt im Land, denn sie brachten die Schweizerinnen und Schweizer Sommer für Sommer an die Wärme und an den Strand. Doch dann drangen fremde Mächte aus dem Norden über die Grenze und brachten eine Wunderwaffe mit: grössere Skaleneffekte.
Ein Reiseveranstalter nach dem anderen knickte ein, bis keiner mehr übrig war. Heute verkaufen Tui, die früher Imholz war, Kuoni und Hotelplan den Schweizerinnen und Schweizern immer noch schöne Ferien. Aber Eidgenossen sind sie keine mehr.
Am Mittwochabend hat die Migros mit Hotelplan auch noch das letzte grosse Schweizer Reisebüro nach Deutschland verscherbelt. Das sehr rentable Ferienhausgeschäft Interhome geht an die relativ unbekannte Berliner Firma Hometogo. Der grosse Rest von Hotelplan wird von Dertour geschluckt. Der zum deutschen Detailhändler Rewe gehörende Reisespezialist hat vor zehn Jahren bereits Kuoni übernommen – den einstigen Erzrivalen von Hotelplan.
Nun teilen Tui, das grösste Touristikunternehmen der Welt, und Dertour den Schweizer Reisemarkt grösstenteils unter sich auf. Zählt man die Swiss und die Ferien-Airline Edelweiss, die unter dem Dach der deutschen Lufthansa sind, zur Branche, dann drängt sich der Schluss auf: Kaum ein anderes Konsumgut in der Schweiz ist so deutsch geprägt wie das Reisen. Aber wie konnte es so weit kommen? Hotelplan, einst vom Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler höchstpersönlich ins Leben gerufen, ist eine Legende in der Schweizer Unternehmenslandschaft. Die noble Kuoni ebenso. Beide leben zwar weiter – aber nur als Marke und nicht mehr als Firma.
Begonnen hat der Niedergang vor ziemlich genau zwanzig Jahren. Die deutsche Tui sicherte sich 100 Prozent der damaligen Nummer drei im Markt, Imholz Reisen. Diese vollzog ein radikales Rebranding. Nicht nur übernahm man quasi den ganzen Katalog vom deutschen Mutterhaus. 2006 liess man die Marke Imholz sterben und setzte voll auf den Namen Tui.
Verantwortlich dafür war der Berner Oberländer Tui-Suisse-Manager Martin Wittwer, heute Präsident der Branchenorganisation Schweizer Reise-Verband (SRV). Öffentlich äussern zu den damaligen Vorgängen möchte er sich nicht mehr.
Er sagt aber: «Die Veränderung im Schweizer Reisemarkt kommt letztlich von den Kunden her. Deutsche, international ausgerichtete Reiseveranstalter haben viel grössere Skaleneffekte und können deshalb auch die besseren Preise anbieten.»
Kuoni und Hotelplan fielen wie Dominosteine
Mit anderen Worten: Hätte er damals nicht voll auf die günstigen Tui-Produkte gesetzt, hätte er die Schweizer Sonnenhungrigen verloren. Sie wären entweder über die Grenze in deutsche Reisebüros gefahren, oder sie hätten über die damals aufkommenden Online-Portale gebucht.
Beobachter sagen, dass Tui damit den Anfang vom Ende der unabhängigen Schweizer Reiseveranstalter einläutete. Wie Dominosteine fielen sie im Zehn-Jahres-Takt. Gegen die international aufgestellten Konkurrenten kamen sie schlicht nicht an.
Ähnlich wie der Detailhandel ist das Badeferien-Geschäft ein Business der kleinen Erträge. Wer die grösste Marktmacht hat, bekommt im Einkauf den besten Preis. Kleinere Konkurrenten sind immer im Dilemma: dasselbe Hotel teurer anbieten und Kunden verlieren oder preislich mit der Konkurrenz gleichziehen und dafür Marge preisgeben.
Zuerst erwischte es die öffentlich gehandelte Kuoni, die schon mehrere Jahre am Schlingern war. Nach einem chaotischen Verkaufsprozess übernahm Dertour 2015 das Reiseveranstaltergeschäft der Schweizer Traditionsfirma. Kuoni verschwand von der Schweizer Börse.
Auch Hotelplan hätte zuschlagen und damit seine Marktposition verbessern können, sah aber davon ab. Als Migros-Tochterunternehmen war Hotelplan damals vorerst sicher, obwohl es auch keine berauschenden Zahlen lieferte.
Beobachter sagen, dass Hotelplan spätestens ab dem Zeitpunkt sein Geschäft strategisch hätte neu denken müssen. Zum Beispiel in Form einer Kooperation mit einem grossen, internationalen Reiseveranstalter, um die Wettbewerbsnachteile des zu kleinen Schweizer Heimmarkts zu kompensieren. Solche Möglichkeiten hätten bestanden, sagen Brancheninsider, die namentlich nicht genannt werden möchten.
Doch die – damals noch selbstbewusste – Migros wählte den Alleingang. Hotelplan sollte nicht nur schweizerisch bleiben. Ein bisschen wie die Swissair vor ihrem Untergang kaufte man sogar noch zu: 2019 übernahm Hotelplan die deutsche Vtours, um auf mehr Volumen zu kommen.
Doch es half nichts. Sechs Jahre und eine Pandemie später kam der orange Riese zu dem Schluss, dass man sich das Reisebusiness nicht länger antun wolle. Zu gering waren die Aussichten auf nachhaltigen Erfolg. Mit einer Kooperation wäre Hotelplan zumindest teilweise schweizerisch geblieben. Doch die Migros wählte die Radikallösung: Verkauf. Somit landet nun auch der Marktführer Hotelplan bei Dertour, der neuen Nummer eins in der Schweiz.
Tui und Dertour: komplett unterschiedliche Strategien
Auffällig: Tui und Dertour haben in der Schweiz komplett unterschiedliche Herangehensweisen. Während Tui dem weltbekannten Firmennamen alles unterordnet, tritt Dertour unter dem eigenen Brand in der Schweiz kaum auf. Stattdessen setzt man auf bereits etablierte Marken wie Kuoni, Kontiki, Helvetic Tours und neu auch Hotelplan oder Migros Ferien. Ähnlich wie Lufthansa, die in der Schweiz auf die Marken Swiss und Edelweiss setzt.
«In Deutschland hat man längst gemerkt, dass man mit dem Markennamen Schweiz viel verdienen kann. So zum Beispiel die Lufthansa mit der Swiss», sagt André Lüthi, Präsident der auf Individualreisen spezialisierten Globetrotter-Gruppe. Diese ist nun mit grossem Abstand die Nummer drei im Markt und noch voll in Schweizer Hand.
Dertour sei wie alle anderen deutschen Veranstalter in der Produktion einfach etwas günstiger aufgrund des tieferen Lohnniveaus, sagt Lüthi. «Nun wird es interessant zu beobachten sein, wie sich die Preise entwickeln. Wird Hotelplan etwas günstiger, oder bleibt der ‹Schweiz-Zuschlag›?»
Aber warum ausgerechnet Deutschland? Gibt es nicht auch grosse Reiseunternehmen in anderen Ländern?
Hier kommt die kulturelle und sprachliche Nähe zum Tragen. Auch wenn sie es vielleicht nicht gerne hören: Schweizer verhalten sich als Touristen sehr ähnlich wie Deutsche. Sie wählen tendenziell die gleichen Hotels und die gleichen Kreuzfahrtschiffe.
«Ich war gerade auf einem Antarktis-Expeditionsschiff mit 60 Schweizern und 120 Deutschen. Das hat wunderbar funktioniert», sagt André Lüthi.
Es gibt jedoch einen Unterschied: Schweizer wählen tendenziell bessere Kategorien. Meersicht und kurze Wege zum Strand. Deutsche Touristen nehmen schon einmal fünf oder zehn Minuten Fussweg in Kauf und zahlen dafür weniger.
Den wohlhabenden Schweizern teure Hotelzimmer verkaufen machen nun halt deutsche Reisebüros. Eidgenosse sein muss man dafür nicht.
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