Samstag, Oktober 5

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Sotomo legt nahe: Das Sicherheitsbedürfnis in der Schweiz hat sich verändert, und vor allem die Mitte könnte davon profitieren.

Die Schweiz ist in den letzten zwanzig Jahren gefährlicher geworden. Deshalb sollen Gewaltverbrecher länger ins Gefängnis. Bei hohem Rückfallrisiko sogar lebenslang. Zudem soll der Freigang in der Schweiz strenger gehandhabt werden.

Wer diesen Aussagen zustimmt, ist tendenziell älter als 50 Jahre und wählt höchstwahrscheinlich eine bürgerliche Partei. Das legt zumindest eine repräsentative Umfrage zum Schweizer Strafrecht nahe.

Das Meinungsforschungsinstitut Sotomo hat die entsprechenden Daten im Auftrag des «Nebelspalters» zwischen dem 22. und 26. August 2024 erhoben. Befragt wurden insgesamt 1622 stimmberechtigte Personen aus der Deutschschweiz und der Romandie.

Die Umfrage steht in einem tragischen Kontext, ohne diesen explizit zu erwähnen: Anfang August hatte ein verurteilter Straftäter, der an paranoider Schizophrenie leidet, in Basel zum dritten Mal innert zehn Jahren ein Tötungsdelikt verübt. Der mutmassliche Täter befand sich zum Zeitpunkt der Tat auf Freigang. Der Fall hat in der Schweizer Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über das Strafvollzugssystem ausgelöst. Politiker fordern härtere Massnahmen und Reformen im Justizsystem. Die Basler Behörden haben eine externe Untersuchung angekündigt.

Sicherheit ist und bleibt ein Wahlkampfthema

Die Sotomo-Umfrage bestand aus neun Fragen zum Sicherheitsempfinden und zum Schweizer Strafrecht. Darunter waren grundsätzliche Fragen wie: «Fühlen Sie sich in der Schweiz ausreichend vor Gewaltverbrechen geschützt?»

Gegen Ende wurde die Umfrage jedoch zunehmend konkreter, wenn sie etwa gezielt danach fragte, ob die Teilnehmer das Verbot der Todesstrafe kippen wollten oder einer lebenslangen Verwahrung von Risikofällen zustimmen würden.

Grundsätzlich lässt die Umfrage folgenden Schluss zu: Das Sicherheitsbedürfnis in der Schweiz ist gestiegen, härtere Strafen sind teilweise mehrheitsfähig. Möglicherweise hat das Tötungsdelikt von Basel dazu beigetragen. Allerdings zeigt die Umfrage auch: Eine Mehrheit der Befragten sagte, dass sie sich ausreichend oder eher ausreichend vor Gewaltverbrechen geschützt fühle.

Interessant ist dabei die Tatsache, dass 8 Prozent der männlichen, aber nur halb so viele – nämlich 4 Prozent – der weiblichen Befragten sich zu wenig geschützt fühlen. Besonders viele dieser Personen sind Anhänger der SVP, also jener Partei, die seit Jahren mit dem Thema Wahlkampf betreibt.

Die Umfrage deutet darauf hin, dass die SVP mit diesem Kurs weiterhin erfolgreich sein dürfte. Insgesamt gaben 59 Prozent der Befragten an, dass die Schweiz laut ihrem Empfinden in den letzten zwanzig Jahren gefährlicher geworden sei. Diese Empfindung ist vor allem unter Personen, die älter als 36 sind, verbreitet. Und sie ist unter den SVP-Anhängern in der Studie mit 95 Prozent Zustimmung deutlich häufiger als unter den Grünen mit 19 Prozent.

Härtere Strafen, doch wofür?

Neben Unterschieden zeigt die Umfrage allerdings auch einen gewissen Konsens. Quer durch alle Altersgruppen und Parteispektren wollen die Befragten mit einer deutlichen Mehrheit härtere Strafen für Vergewaltigung und sexuelle Nötigung. Insgesamt 78 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus. Zum Vergleich: Härtere Strafen für illegal Eingewanderte forderten 39 Prozent der Befragten.

Bei anderen Delikten brechen die Gräben zwischen den Parteien jedoch wieder deutlich auf. Mehr als zwei Drittel der befragten Grünen- und SP-Wähler fordern härtere Strafen für Hassverbrechen und Drohungen im Internet. Unter den SVP-Wählern sind es 29 Prozent.

Bürgerliche Teilnehmer setzten in der Umfrage andere Schwerpunkte. Wählerinnen und Wähler von der Mitte bis zur SVP wünschten sich härtere Strafen bei terroristischen Aktivitäten. Im Lager der Mitte fand diese Forderung bei 66 Prozent der Befragten Zustimmung, bei den SVP-Wählern waren es 78 Prozent.

Etwas überraschend ist die Tatsache, dass längere Haftstrafen für Gewaltverbrecher weit über das bürgerliche Lager mehrheitsfähig geworden sind. Traditionell ist eine restriktive Law-and-Order-Politik ein Merkmal rechter Parteien. In der Sotomo-Umfrage sprachen sich allerdings auch viele SP-Wähler für härtere Strafen aus.

Vermutlich hat sich der Fall Basel bereits auf die Wahrnehmung des Schweizer Justizsystems ausgewirkt. Denn laut der Sotomo-Umfrage sind 56 Prozent der Befragten der Meinung, der Freigang müsse in der Schweiz strenger gehandhabt werden.

Wenig überraschend sind vor allem Anhänger der bürgerlichen Parteien dieser Meinung. Die Umfrage zeigt allerdings einen interessanten Trend: Mit 80 Prozent ist die Zustimmung zu dieser Forderung bei den Mitte-Wählern am deutlichsten. Unter den SVP-Wählern betrug die Zustimmung 72 Prozent.

Dasselbe Bild bei der Frage, ob Gewaltverbrecher mit einem hohen Rückfallrisiko lebenslang ohne Freigang eingesperrt werden sollen: Bei den Mitte-Wählern betrug die Zustimmung 80, bei jenen der SVP 72 Prozent.

Weiterhin nicht mehrheitsfähig ist der Vorschlag, das Verbot der Todesstrafe aus der Bundesverfassung zu streichen. 65 Prozent der Befragten lehnen dies konsequent ab. Weitere 10 Prozent sind «eher» dagegen. Allerdings: Unter den Wählern der SVP begrüssten 24 Prozent die Streichung des Verbots aus der Verfassung, weitere 12 tendierten zumindest dazu.

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