Donnerstag, Januar 23

Es ist Zeit, über eine neue Strategie für den Staatskonzern nachzudenken. Unser Land funktioniert auch, wenn es die Post in ihrer heutigen Form nicht mehr gibt.

Letzte Woche hat der Postchef Roberto Cirillo überraschend seinen Rücktritt bekanntgegeben. Damit ist der ideale Moment gekommen, um innezuhalten. Der Bund, der die Post besitzt, und die Politik müssen sich jetzt fragen, ob das Unternehmen noch auf dem richtigen Weg ist.

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Diese Diskussion wird kaum geführt, weil Politik und viele Medien die Bedeutung der Post für die Schweiz in den letzten Jahren aufgebauscht haben. Sie glorifizieren das Unternehmen als eine der letzten Institutionen, welche unser Land noch zusammenhalten können. Dort, wo das Postauto fährt, wo der gelbe Briefkasten an der Hauswand hängt, wo man sich in der Postfiliale zu einem Schwatz trifft – dort ist die Schweiz noch Schweiz. Doch wenn die Post für das Funktionieren und den Zusammenhalt der Schweiz so entscheidend ist: Warum nutzt die Bevölkerung ihr Angebot dann immer weniger?

Die Zahlen sprechen eine unerbittliche Sprache. Die Briefmenge ist in den letzten zehn Jahren um ein Drittel gesunken, die Post rechnet damit, dass ihr bis 2030 weitere 30 Prozent verlorengehen. Noch dramatischer entwickeln sich die Besucherfrequenzen der Poststellen. Allein im Jahr 2023 sanken die am Schalter erledigten Zahlungen um 18,4 Prozent.

Trotzdem löst jeder abgebaute gelbe Briefkasten einen Entrüstungssturm aus. Gibt die Post bekannt, sie wolle die Zahl der von ihr selbst betriebenen Poststellen reduzieren, schiebt ihr die Politik einen Riegel. Das ist ungefähr so, als zwänge man Restaurants dazu, weiterhin Aromat-Streudosen auf die Tische zu stellen. Weil die Schweizer doch jahrzehntelang damit ihr Essen würzen wollten.

Mit ihrem Verharren in der Vergangenheit zwingt die Politik der Post eine Strategie auf, die nicht aufgehen kann. Die Post versucht etwa, ihre zunehmend leeren Filialen mit Leben zu füllen, indem sie Anbieter wie Versicherungen, Krankenkassen oder Banken zu sich lockt. Eine Trendwende bei den Besucherfrequenzen ist dennoch nirgends abzusehen.

Um die wegbrechenden Gewinne zu kompensieren, drängt die Post auch in neue Geschäftsfelder – von Software zur Verwaltung von Sozialhilfefällen über Cloud-Lösungen bis hin zur Vermarktung von Werbung. Der gelbe Staatskonzern hat in solchen Geschäftsfeldern aber nichts zu suchen. Zum einen konkurrenziert er dort Privatunternehmen. Zum anderen ist die Post in diesen Geschäften nur eine Anbieterin unter vielen. Die Vorteile, die sie mitbringt – etwa der vertrauenswürdige Name –, werden durch eine Reihe von Nachteilen aufgewogen. Der gelbe Riese ist kein agiles Startup, sondern ein in vielen Bereichen noch immer träger Konzern in Staatsbesitz.

Mit dem Rücktritt von Roberto Cirillo kann die Schweiz nun darüber diskutieren, welche Post sie tatsächlich noch braucht. Ideen gibt es zuhauf, denn alle anderen Industrieländer habe das gleiche Problem. Norwegen hat seinen Briefmarkt bereits 2016 vollständig geöffnet und beschlossen, nicht mehr jeden Tag Briefe zuzustellen. So weit muss die Schweiz nicht gehen. Aber sie könnte zum Beispiel die im Grundversorgungsauftrag festgeschriebene Zustellung von Briefen auf abgelegene Gebiete beschränken. Diesen Auftrag könnte sie dann öffentlich ausschreiben und wenn nötig subventionieren.

Viele ausländische Postunternehmen betreiben schon längst keine eigenen Filialen mehr, sondern arbeiten nur mit sogenannten Agenturlösungen, bei denen die Postgeschäfte in Läden oder Apotheken erledigt werden können. Dieses Modell wird auch in der Schweiz längst angewendet – es kann problemlos ausgeweitet werden.

Eine so veränderte Strategie würde bedeuten, dass die Post schrumpft und an Bedeutung verliert. Das ist schade, so wie es schade ist, dass Marken wie Ovomaltine, Sugus und übrigens auch Aromat heute ausländischen Konzernen gehören. Den Zusammenhalt der Schweiz wird es aber nicht gefährden, wenn die Post auf die richtige Grösse zurechtgestutzt wird.

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