Sonntag, April 20

Der inhaftierte ukrainische Oligarch hat vergeblich den Ausstand des Bundesstrafgerichts beantragt.

Es geht um die grösste Bankpleite in der Ukraine und um die Rolle des ehemaligen Hauptaktionärs Ihor Kolomoiski. Der Oligarch ist ein einstiger Förderer von Wolodimir Selenski. Inzwischen liess ihn der ukrainische Präsident fallen und verhaften. Nun erhält die ukrainische Justiz weitere Bankunterlagen aus der Schweiz über verdächtige Finanztransaktionen Kolomoiskis.

Der 61-Jährige, dessen Kontakte mit der Aussenwelt nach Angaben seiner Anwälte strikt eingeschränkt sind, wehrte sich vor Bundesstrafgericht vergeblich gegen den Vollzug der Rechtshilfe. Kolomoiski beantragte unter anderem den Ausstand des dreiköpfigen Gerichts und des Gerichtsschreibers. Denn diese hatten in gleicher Zusammensetzung im Fall der 2016 vom Staat mit 4,4 Milliarden Dollar geretteten PrivatBank bereits früher Rechtshilfe an die Ukraine bewilligt.

Dies könne kein Grund für den Ausstand sein, erklärte das Gericht. Andernfalls müsste in solchen Fällen nicht nur in Bellinzona stets ein neues Richterkollegium eingesetzt werden, sondern auch neue Gremien auf Stufe des Bundesamts für Justiz, der ausführenden Organe bis zum Bundesgericht. Dies würde den Justizapparat organisatorisch und finanziell überfordern.

Transaktion von 5 Millionen Dollar aus Zypern im Visier

Das Bundesstrafgericht wies auch die Rüge des mangelnden rechtlichen Gehörs zurück. Zu den angeblichen Lücken im ukrainischen Rechtshilfegesuch hielten die Richter fest, Kolomoiski würden Delikte vorgeworfen, die nach schweizerischem Recht der ungetreuen Geschäftsbesorgung und der Veruntreuung entsprächen. So sollen Kolomoiski und sein Geschäftspartner Hennadi Boholiubow als Mehrheitsaktionäre die systemrelevante PrivatBank durch betrügerische Darlehen geplündert haben, statt diese zu sanieren. Der ukrainische Staat rettete das Institut 2016 mit einer Finanzspritze von 4,4 Milliarden Dollar.

Bei der nun gewährten Rechtshilfe geht es um einen vergleichsweise kleinen Betrag. Am 13. Mai 2014 flossen 5 Millionen Dollar von der zypriotischen Filiale der PrivatBank auf Kolomoiskis Konto bei einer Bank in der Schweiz. Kolomoiski lebte lange in Genf und wurde dort pauschalbesteuert. Das Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine (Nabu) erhält nun die Unterlagen zum fraglichen Bankkonto.

Das Bundesstrafgericht bestätigte, dass es sich beim Nabu um eine ukrainische Justizbehörde handelt, die für Rechtshilfegesuche legitimiert ist. Das Nabu sei auch ohne vorgängigen Gerichtsentscheid zum Erhalt von Unterlagen berechtigt. Weil das Urteil des Bundesstrafgerichts inzwischen rechtskräftig ist, kann die Rechtshilfe nun vollzogen werden.

Im Fall eines Geschäftspartners von Kolomoiski, des in Genf lebenden Mikhail Kiperman und seiner Firma Nordwind Trade SA, hatte das Bundesgericht bereits Mitte Februar ein Rechtshilfegesuch des Nabu gutgeheissen und die Sperre von 36 Millionen Dollar bestätigt. Kipermans Anwalt sprach auf Anfrage des Justizportals Gotham City von einem willkürlichen Verfahren, das die ukrainischen Behörden erst nach dem Beginn des russischen Kriegs eingeleitet hätten, um seinen Klienten zu enteignen.

Kritik gibt es auch am Vorgehen der ukrainischen Justiz. Präsident Selenski wolle an seinem einstigen Förderer ein Exempel dafür statuieren, dass es ihm mit dem Kampf gegen die Korruption ernst sei. Die Schweizer Anwälte Kolomoiskis kritisieren, wie die hiesige Justiz mit dem Fall umgeht. So habe man zum Beispiel aus den Medien erfahren, dass die Bundesanwaltschaft bereits seit Februar 2020 gegen Kolomoiski ein Geldwäschereiverfahren führe.

Sippenhaftung gegen Kolomoiskis Schwester?

Fragen wirft ausserdem das Vorgehen der Behörden gegen Kolomoiskis Schwester Larissa Chertok auf. Die israelische Staatsangehörige lebt mit ihrem Ehemann seit Dezember 2005 in der Schweiz. Die beiden haben drei Kinder, von denen zwei in der Schweiz eingebürgert wurden. Ende 2017 stellten das Ehepaar und das dritte Kind ein Einbürgerungsgesuch in Genf. Das dortige Migrationsamt erteilte ihnen das Kantonsbürgerrecht unter Vorbehalt der eidgenössischen Einbürgerungsbewilligung.

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) lehnte dies 2019 jedoch ab. Denn die Gesuchsteller unterstützten den unter Geldwäschereiverdacht stehenden Bruder von Larissa Chertok mit Geldern illegaler Herkunft. Zudem hätten sie Zugang zu russisch-ukrainischen Kreisen der organisierten Kriminalität. Eine Beschwerde der Familie Chertok gegen das SEM lehnte das Bundesverwaltungsgericht im Januar 2022 ab. Dem Entscheid ist zu entnehmen, dass das SEM auch den Nachrichtendienst des Bundes konsultiert hatte.

Ende 2022 stiess das Bundesgericht den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts jedoch um. Die Vorinstanz habe es versäumt, die Beschwerdeführer zu den Vorwürfen anzuhören. Zudem genüge eine familiäre Beziehung zur Begründung eines Sicherheitsrisikos nicht. «Etwas anderes liefe auf eine rechtsstaatlich unzulässige Sippenhaftung im Einbürgerungsverfahren hinaus», heisst es im Urteil. Der Fall liegt nun zur Neubeurteilung beim Bundesverwaltungsgericht.

Urteil RR.2023.170 des Bundesstrafgerichts vom 7. 3. 24.

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