Donnerstag, März 6

Er gehört zu den international am besten vernetzten Persönlichkeiten in Bern, hat für drei Bundesräte gearbeitet und kennt sich im Nachrichtendienst aus. Gabriel Lüchinger passt perfekt ins Jobprofil.

Es ist ein Job, in dem das Scheitern praktisch programmiert ist. Im Januar 2025 warf Christian Dussey den Bettel hin. Er ist gescheitert mit seiner Mission, den Nachrichtendienst zu reformieren und gleichzeitig das Tagesgeschäft zu garantieren.

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Zermürbt von der Kritik, die von allen Seiten, nicht zuletzt von den eigenen Mitarbeitern, auf ihn als Direktor des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) einprasselte. Vier Jahre wird der ehemalige Diplomat im Amt gewesen sein, wenn er seine rekordverdächtig lange Restarbeitszeit tatsächlich bis März 2026 absitzt. Sein Vorgänger Jean-Philippe Gaudin brachte es auf etwas mehr als drei Jahre, bevor ihn Verteidigungsministerin Viola Amherd im Mai 2021 vor die Tür setzte.

Die Liste möglicher Kandidaten für dieses exponierte und oft undankbare Amt dürfte nicht allzu lang sein. Das wird der künftige Verteidigungsminister, ob er nun Martin Pfister oder Markus Ritter heisst, in dieser heiklen Personalfrage schnell merken. Umso wichtiger ist es, möglichst rasch eine Persönlichkeit zu finden, die das anspruchsvolle Anforderungsprofil erfüllt. Der neue Chef des Schweizer Geheimdienstes muss zudem ein Gespür für Menschen haben. Nur eine Frau oder ein Mann mit diesen Qualitäten kann rasch Ruhe in den NDB bringen, der in seiner jetzigen Verfassung selber zum Sicherheitsrisiko zu werden droht.

«Eigentlich kann er alles»

Die NZZ sprach mit einem Kenner der Szene über mögliche Kandidaten. Ohne lange zu überlegen, nennt der Geheimdienstexperte Gabriel Lüchinger als seinen klaren Favoriten. Lüchinger ist derzeit Chef der Abteilung Internationale Sicherheit im Aussendepartement EDA. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde der 48-Jährige letztes Jahr bekannt, als er die Task-Force leitete, welche die hochrangige Friedenskonferenz zur Ukraine auf dem Bürgenstock organisierte.

Der FDP-Ständerat Josef Dittli reagiert mit Begeisterung auf diesen Vorschlag. «Wenn Gabriel Lüchinger zusagen würde als NDB-Chef, dann könnte man die Suche gleich abbrechen», sagt Dittli, der Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK) ist. «Es wäre eine absolut hochkarätige Wahl. Momentan gibt es in der Schweiz nur ganz wenige, die ähnlich qualifiziert für diesen Posten sind.» Der ehemalige Instruktionsoffizier hat Lüchinger in den vergangenen Jahren als «anständigen Menschen mit grossen Führungsqualitäten» schätzen gelernt.

Noch besser als Dittli kennt sein Ratskollege Werner Salzmann den potenziellen neuen NDB-Direktor. Beide kommen aus dem Kanton Bern und gehören der SVP an. Von 2016 bis 2018 war Gabriel Lüchinger unter Albert Rösti Generalsekretär der SVP Schweiz. «Im Zusammenhang mit dem frei gewordenen Chefsessel beim Nachrichtendienst habe ich seinen Namen bisher noch nicht gehört», sagt Salzmann. «Doch er wäre eine sehr gute Wahl.»

Lüchinger sei im Sicherheitsbereich ausgezeichnet vernetzt, verfüge über internationale Erfahrung und eine hohe Sozialkompetenz. Gerade eine gute internationale Vernetzung sei für den NDB von existenzieller Bedeutung. «Eigentlich kann er alles», sagt Salzmann. Genau dies könnte gegen eine Tätigkeit als NDB-Direktor sprechen. «Gabriel Lüchinger hat zahllose Möglichkeiten, Karriere zu machen. Ich weiss nicht, ob er sich ausgerechnet für diesen Job entscheidet.» Tatsächlich wurde Lüchinger immer wieder für Chefpositionen in der Bundesverwaltung gehandelt. So nominierte ihn die SVP 2023 als Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers.

Wer von bürgerlichen Politikern Applaus erhält, hat bei den Linken oft schlechte Karten. Nicht so Lüchinger. «Gabriel Lüchinger, warum nicht?», sagt die SP-Sicherheitspolitikerin Priska Seiler Graf. «Ich habe ihn als sehr kompetente Persönlichkeit kennengelernt, die bestens vernetzt ist.» Seine Parteizugehörigkeit habe Lüchinger in seiner Arbeit nie durchblicken lassen.

Einige Politiker wollen sich nicht zitieren lassen, weil sie befürchten, der Name Lüchinger könnte «verbrannt» werden, wenn er in den Medien zu früh als möglicher Geheimdienstchef genannt würde. Auch von ihnen – und das ist in Bern sehr selten – hört man kein negatives Wort über den Spitzendiplomaten. Auch Personen, die im Rahmen der Bürgenstock-Konferenz mit ihm zusammengearbeitet haben, sind voll des Lobes über seine Fähigkeiten.

Doch wer ist dieser Mann, dem die Politik in dieser schwierigen weltpolitischen Lage den Nachrichtendienst anvertrauen will? Lüchinger ist im Kanton Bern aufgewachsen und hat an der Universität Bern und in Helsinki Rechtswissenschaften studiert. Zudem absolvierte er ein Nachdiplomstudium in internationalen Beziehungen an der Universität Uppsala (Schweden).

Erfahrung im Nachrichtendienst

Seine Karriere beim Bund startete er als Jurist im Bereich der Informations- und Objektsicherheit im Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), wo auch der Nachrichtendienst angesiedelt ist. Im Militär bekleidet er den Rang eines Obersten. Von 2010 bis 2016 war Lüchinger als Militärattaché in Ägypten und in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Einsatz. «Ein diplomatischer Brückenkopf der Schweiz für Militär, Nachrichtendienst und Rüstungsindustrie», wie SRF in einem Porträt festhielt. Lüchinger verfügt also über einschlägige Erfahrung in diesem diskreten Geschäft.

Nach seinem Intermezzo bei der SVP wechselte er als persönlicher Mitarbeiter und diplomatischer Berater von Bundesrat Guy Parmelin zuerst ins Verteidigungsdepartement und folgte seinem Chef schliesslich ins Volkswirtschaftsdepartement. Im Alter von 44 Jahren vollzog Lüchinger 2022 einen Wechsel, der in Bundesbern für Aufsehen sorgte. Er bewarb sich als Chef der Direktion für internationale Sicherheit, nur zwei Hierarchiestufen unter Aussenminister Ignazio Cassis.

Dieser Um- und Aufstieg sorge im EDA für Unruhe, berichteten die Zeitungen von Tamedia. Dies, weil sich Diplomaten normalerweise viele Jahre gedulden müssten, bis sie eines Tages Botschafter werden. Lüchinger hingegen erhalte als Abteilungsleiter sofort den Botschaftertitel, verbunden mit einem Jahreslohn von rund 240 000 Franken. Mit seiner umgänglichen Art und seiner Fachkompetenz konnte er diese Bedenken offenbar rasch zerstreuen. Auch seine in diesem multilateralen Umfeld ungewöhnliche Parteizugehörigkeit gab nie Anlass zu Diskussionen.

Über Lüchingers Privatleben ist nur bekannt, dass er verheiratet ist und zwei Kinder hat. Sonst lässt der Spitzenbeamte nichts nach aussen dringen. Diskretion ist für den Chef eines Nachrichtendienstes eine nicht zu unterschätzende Eigenschaft.

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