Die Bundesanwaltschaft wartet seit anderthalb Jahren auf einen Entscheid im Fall Rieter/Usbekistan. Das Bundesgericht rüffelt nun das Zwangsmassnahmengericht Bern.

Die Schweiz ist nicht nur stolz auf ihre im internationalen Vergleich geringe Korruptionsrate. Sie preist sich auch als verlässliche Partnerin bei der internationalen Zusammenarbeit im Kampf gegen die Korruption. Zwei Urteile des Bundesgerichts machen aber deutlich, dass Ermittlungen in internationalen Korruptionsaffären hierzulande immer noch auf schwierig zu überwindende Hürden stossen. Als Flaschenhals erwies sich in beiden Fällen das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Bern.

Die Zwangsmassnahmengerichte sind grundsätzlich für die Anordnung der Untersuchungshaft während der Strafuntersuchung durch die Staatsanwaltschaft zuständig sowie für die Anordnung oder Bewilligung von anderen Massnahmen, die in die Grundrechte von Beschuldigten eingreifen. Dazu gehört auch das sogenannte Siegelungsverfahren, das in Artikel 248 der Strafprozessordnung geregelt ist.

Von Durchsuchungen Betroffene können dem Artikel gemäss verlangen, dass sichergestellte Beweismittel versiegelt und damit vorläufig von der Staatsanwaltschaft nicht ausgewertet werden können. Die Untersuchungsbehörde muss ein Entsiegelungsgesuch stellen, über das das Zwangsmassnahmengericht entscheidet, mit einer Möglichkeit des Weiterzugs ans Bundesgericht.

Die Siegelung führt regelmässig zu Verzögerungen bei Strafverfahren. Sie habe sich von einem Recht der Beschuldigten zum beliebten Verschleppungsmittel entwickelt, kritisierten Staatsanwälte. Das Parlament versuchte mit der kürzlich revidierten Strafprozessordnung dieser Kritik Rechnung zu tragen, indem es das Verfahren straffte und neue Fristen setzte.

Gerade in komplexen internationalen Wirtschaftskriminalfällen stossen aber die Zwangsmassnahmengerichte an ihre Grenzen. Exemplarisch führen dies zwei internationale Korruptionsaffären vor Augen, in denen das Bundesgericht das Zwangsmassnahmengericht Bern rügte.

Verfahren wegen Schmiergeldern blockiert

In einem Fall geht es um Mitte 2018 eröffnete Ermittlungen der Bundesanwaltschaft (BA) wegen des Verdachts, dass der Winterthurer Textilmaschinenkonzern Rieter in Usbekistan Schmiergelder bezahlt und betrügerische Transaktionen von Geschäftspartnern ermöglicht hat. Das Verfahren ist ein Nebenprodukt der Karimowa-Affäre, des Geldwäschereiskandals um die Tochter des verstorbenen Präsidenten Usbekistans, gegen die die Bundesanwaltschaft Anklage in Bellinzona erhoben hat.

Am 5. November 2020 nahm die Bundeskriminalpolizei bei Rieter in Winterthur eine Hausdurchsuchung vor und stellte zahlreiche Aufzeichnungen und Unterlagen sicher. Gleichentags verlangte Rieter die Siegelung der Unterlagen. Die BA stellte 20 Tage später ein Entsiegelungsgesuch beim Zwangsmassnahmengericht Bern. Mehr als ein Jahr später, am 4. Februar 2022, wies das Gericht das Gesuch ab und ordnete die Rückgabe der versiegelten Asservate an.

Am 6. Dezember 2022 stiess das Bundesgericht den Entscheid um und hiess einen Rekurs der Bundesanwaltschaft gut, die sich über eine krass einseitige Würdigung der bisherigen Ermittlungen beschwert hatte. Das Zwangsmassnahmengericht habe sich nicht ausreichend kritisch mit den Behauptungen von Rieter auseinandergesetzt, rügte das Bundesgericht. Zudem habe es die Anforderungen an den Nachweis eines hinreichenden Tatverdachts überspannt. Die Lausanner Richter wiesen den Fall zur «zügigen Prüfung» an das Zwangsmassnahmengericht zurück. Anderthalb Jahre später liegt allerdings noch kein neuer Entscheid vor.

In einem weiteren Strafverfahren wegen Bestechung fremder Amtsträger und ungetreuer Geschäftsbesorgung verlor die Bundesanwaltschaft inzwischen die Geduld. Sie reichte beim Bundesgericht eine Beschwerde wegen Rechtsverzögerung gegen das Zwangsmassnahmengericht Bern ein und erhielt in einem kürzlich veröffentlichten Urteil recht. Die Dauer der Entsiegelungsverfahren – es ging um drei Hausdurchsuchungen – sei mit 34 bis 42 Monaten deutlich zu lang, erklärte das Bundesgericht und forderte das Zwangsmassnahmengericht auf, unverzüglich, spätestens bis Ende 2024 abschliessend über die Entsiegelungsgesuche zu entscheiden.

Gericht erhält vorübergehend zwei neue Stellen

Hans-Ulrich Bühler, Gerichtspräsident und Geschäftsleiter des Zwangsmassnahmengerichts, verwies auf Anfrage der NZZ auf die spezifischen Herausforderungen im Einzelfall. Dazu gehöre die Triage grosser Datenmengen, die nicht maschinell erfolgen könne. Zu Verzögerungen könne auch die generelle Geschäftslast führen.

Der überwiegende Teil von Verfahren, die ein Zwangsmassnahmengericht zu behandeln habe, müsse innert Stunden oder kurzer Tagesfrist abgeschlossen werden. Dies lasse keine Priorisierung zugunsten der Entsiegelungsverfahren zu. Vor diesem Hintergrund seien dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Bern vor wenigen Monaten zwei zusätzliche, befristete Gerichtsschreiberstellen zugewiesen worden. Dies sollte es ermöglichen, pendente Entsiegelungsverfahren beschleunigt zu bearbeiten.

Der Elan im Kampf gegen Potentatengelder erlahmt

bpp. Nach wiederholter Verschiebung hat der Bundesrat am vergangenen Mittwoch seinen Bericht über ein Postulat des Ständerats vom 2019 betreffend die Rückerstattung von Potentatengeldern verabschiedet. Die Lektüre des zwölfseitigen Papiers weckt den Verdacht, dass das federführende Aussendepartement EDA nicht unglücklich war, das Resultat der sechsjährigen Prüfung in der Flut von Entscheidungen an der letzten Sitzung vor den Sommerferien verstecken zu können. «Der Bundesrat will Gesetzesänderungen vorschlagen, um die in den letzten 20 Jahren entwickelte Praxis im Bereich der Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte von ausländischen politisch exponierten Personen (PEP) gesetzlich zu verankern», heisst es im begleitenden Communiqué. Gedacht wird an eine Ergänzung des Potentatengeldergesetzes (SRVG), ohne dass auf die offensichtlichen Mängel dieses Erlasses eingegangen wird. Im Nachgang zur Sperrung der Diktatorengelder im Arabischen Frühling erlassen, blieb das Gesetz seither weitgehend wirkungslos. Offen ist zurzeit, ob Vermögen, die seit dem Sturz des Janukowitsch-Regimes von 2014 hierzulande eingefroren sind, an die Ukraine zurückerstattet werden können. Als Hürde erweisen sich die restriktiven Voraussetzungen für die Anwendung des SRVG, wonach ein Versagen der staatlichen Strukturen im Herkunftsland der fraglichen Vermögenswerte vorliegen muss. Neue internationale Entwicklungen bei der Einziehung krimineller Gelder werden im Bericht des Bundesrats nicht erörtert.

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