Aussenminister Ignazio Cassis hofft auf ein baldiges Ende des Krieges in der Ukraine. Bewahrheitet sich sein Wunsch, schlägt die Stunde der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa – und dies unter Schweizer Führung.
Die Schweiz übernimmt 2026 den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Das hat der amtierende Vorsitzende, der maltesische Aussenminister Ian Borg, am Montag bekanntgegeben. Die Schweiz, die in stiller Wahl gewählt wurde, wird das Gremium nach 1996 und 2014 bereits zum dritten Mal präsidieren. Wie der Mitteilung der OSZE zu entnehmen ist, nimmt die Schweiz bereits ab dem 1. Januar erste Leitungsfunktionen wahr. Die Leitung besteht aus den Vorsitzländern 2024 (Malta), 2025 (Finnland) und 2026 (Schweiz).
«Dialog und Zusammenarbeit unabdingbar»
Die Schweiz übernehme die Leitung der OSZE in einer Zeit, in der zwei Mitgliedsstaaten gegeneinander Krieg führten, schreibt das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Die geopolitischen Spannungen schränkten den Handlungsspielraum der Organisation stark ein. Die Schweiz sei jedoch überzeugt, dass Dialog und Zusammenarbeit angesichts der sicherheitspolitischen Herausforderungen unabdingbar seien, um Lösungen zu finden.
Indem die Schweiz die OSZE zum dritten Mal innert knapp zwanzig Jahren präsidiert, beweist sie Verantwortungsgefühl für Europa. Denn die Übernahme des OSZE-Vorsitzes bedeutet viel Aufwand für verhältnismässig wenig Erfolg. Die Organisation hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren und ist wegen ihres Konsensprinzips häufig Blockaden ausgesetzt. Als die deutsche Generalsekretärin Helga Schmid ihr Büro Mitte September nach Ende ihrer Amtszeit verliess, waren mehrere Schlüsselpositionen unbesetzt, und die Vereinigung stand ohne ordentliches Budget da.
Doch die OSZE ist die letzte Regionalorganisation, wo der Westen und Russland vertreten sind: Der Europarat hat Moskau nach dem Angriff auf die Ukraine verbannt, und der Nato-Russland-Rat und die Kooperation EU-Russland sind faktisch inoperativ.
Dass Finnland 2025 den Vorsitz übernimmt, wurde bereits vor längerer Zeit bestimmt. Doch auf den Vorsitz im Jahr 2026 konnte man sich lange nicht einigen. Russland hatte klargemacht, dass es kein Nato-Land wählen würde. Damit kamen mehr als die Hälfte der Mitglieder nicht mehr in Betracht, worauf die Wahl auf die Schweiz fiel.
«Ein Waffenstillstand in der Ukraine – die Bedingungen könnten gegeben sein»
Der Erfolg des Schweizer OSZE-Vorsitzes hängt wesentlich davon ab, ob es gelingt, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Der EDA-Vorsteher Ignazio Cassis jedenfalls scheint halbwegs optimistisch, dass es gelingen kann, wenigstens die Kriegshandlungen einzustellen. In einem Interview mit den Zeitungen von Tamedia sagte er am Montag: «Ein Waffenstillstand in der Ukraine – die Bedingungen könnten gegeben sein. Vielleicht ist es Wunschdenken, aber für das nächste Jahr brauchen wir auch Optimismus. Ein Waffenstillstand wäre nur der Anfang; die schwierige Frage bleibt, wie daraus ein Friedensabkommen entstehen könnte. Denken Sie an Nord- und Südkorea: Nach 70 Jahren herrscht dort formal immer noch Krieg, aber zumindest sterben keine Menschen mehr. Das ist mein grösster Wunsch für die Feiertage.»
Die OSZE mit Sitz in Wien ist mit ihren 57 Teilnehmerstaaten die weltweit grösste regionale Sicherheitsorganisation. Ein Ziel der OSZE ist die Sicherung von Frieden und der Wiederaufbau nach Konflikten. Die Schweiz gehört der OSZE seit 1973 an.