In der Schweizer Milchwirtschaft läuft vieles besser als in anderen Ländern. Trotzdem schadet sie Klima, Biodiversität und Gesundheit. Eine mögliche Lösung liegt in der Landschaft, die die Schweizer am meisten lieben.

Die Schweiz und die Kühe sind eigentlich ein Traumpaar. Sie passen gut zusammen, sie haben vieles gemeinsam: Beide leisten viel und in hoher Qualität, mögen grüne Wiesen und fühlen sich eher in den Bergen zu Hause als am Strand.

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Jahrhunderte-, ja jahrtausendelang ging das gut, sie waren füreinander da. Die Schweiz passte auf, dass die Kühe nicht vor der Zeit zu Schaden kamen. Die Kühe liessen sich im Gegenzug von der Schweiz melken. Sie versorgten diese mit Milch und, das gehörte zum Deal (dem die Kühe allerdings nie zugestimmt hatten), mit Fleisch. Die Beziehung war stabil. Doch in den vergangenen Jahrzehnten ist sie aus dem Gleichgewicht geraten.

Es gibt zu viele Kühe, und sie geben zu viel Milch, sie rülpsen nach dem Essen und verschmutzen die Landschaft mit Fäkalien. Nichts davon, das müsste jeder Paartherapeut bestätigen, ist die Schuld der Kühe. Trotzdem ist es schlecht für die Biodiversität, für das Klima und für die Gesundheit – der Kühe und der Schweiz.

Die Beziehung ist toxisch geworden. Hat sie noch eine Perspektive? Hier sind drei mögliche Szenarien, wie es weitergehen könnte.

1. Szenario: Weiter so

Die Schweiz ist ein Grasland. Das betonen der Bauernverband und Interessenvertreter der Milchwirtschaft immer wieder, und das bestätigen auch Wissenschafter. Ein Grossteil der landwirtschaftlichen Fläche ist nicht als Ackerland nutzbar.

Die einzige Möglichkeit, die für die menschliche Ernährung nutzlose Ressource Gras in Nahrungsmittel umzuwandeln, sind demnach Wiederkäuer. In der Schweiz sind das vor allem: Kühe. Es klingt nach einer Vernunftehe.

Doch die Wirklichkeit sieht anders aus.

Das Futter der Milchkühe in der Schweiz besteht zwar tatsächlich vor allem aus Gras.

Von diesem Gras vertilgen Schweizer Kühe im Sommer im Schnitt etwa 100 Kilogramm pro Tag, im Winter als Heu 20 Kilogramm.

Aber sie bekommen nicht nur Gras in verschiedenen Formen. 20 Prozent ihrer Ration sind sogenanntes Kraftfutter: eiweissreiche Pflanzen wie Getreide, Maiskörner oder Hülsenfrüchte, vor allem Soja.

Und damit fällt ein Teil der Argumentation für Kühe in sich zusammen. Denn Getreide, Mais und Soja für die Milchkühe kommen von Feldern in der Schweiz oder anderswo, auf denen auch Getreide, Mais oder Soja für die menschliche Ernährung wachsen könnten.

Zwar ist der Anteil von Kraftfutter niedriger als in anderen Ländern; in Deutschland oder Italien bekommen die Kühe mehr als doppelt so viel davon wie in der Schweiz. Trotzdem sind die Wiederkäuer nun nicht mehr die einzige Möglichkeit, auf sonst landwirtschaftlich nicht nutzbarem Grasland Lebensmittel zu erzeugen. Ihre Fütterung steht in direkter Konkurrenz zur Erzeugung von Nahrung für Menschen.

«Der Bund hat eine grundsätzliche Richtung formuliert, in die das Agrarsystem sich entwickeln soll», sagt Robert Finger, Agrarökonom an der ETH Zürich, bei einem Gespräch in seinem Büro. «Dazu gehören Verbesserungen für die Umwelt. Wenn man die erreichen will, ohne den Selbstversorgungsgrad zu reduzieren, wäre es zielführend, mehr Ackerfläche für die menschliche Ernährung direkt zu nutzen.»

Und dann ist da noch ein Problem. Die Vorstellung vom Alltag der Kühe ist verklärt.

Wer an die Schweiz und ihre Kühe denkt, stellt sich glockenbehängte Tiere auf saftig grünen Hängen vor atemberaubender Alpenkulisse vor, bevorzugt mit einer Hütte aus braunem Holz im Hintergrund, wo ein sonnengegerbter Senn in weissem Leinenhemd und Gilet den ganzen Sommer lang Käselaibe formt.

Das gibt es, plus/minus Leinenhemd und Gilet, durchaus noch. Der Agrarökonom Finger legt eine Grafik auf den Tisch. Sie zeigt: Die Zahl der Grossvieheinheiten – das sind Kühe oder auf das Gewicht einer Kuh umgerechnete Schafe und Ziegen –, die den Sommer auf Bergweiden verbringen, hat sich in den vergangenen 20 Jahren kaum verändert. «Aber es werden auch nicht mehr», schickt er hinterher.

Die Wahrheit ist: Statt auf saftig grünen Hängen vor atemberaubender Alpenkulisse stehen viele Kühe das ganze Leben im Tal. Immer weniger Berghänge werden bewirtschaftet, weder beweidet noch gemäht. In den vergangenen 25 Jahren sind etwa 300 Quadratkilometer aufgegeben worden, eine Fläche von der Grösse des Kantons Schaffhausen. Viele dieser Alpweiden sind schwer zugänglich und zu steil, um sie maschinell zu bearbeiten.

Vor 100 Jahren war das egal, menschliche Arbeitskraft war billig, und jedes Fitzelchen Land musste genutzt werden, sonst gab es nicht genug zu essen. Heute sind die Verhältnisse ganz anders. «Es ist rentabler, die Kühe in den tiefer gelegenen Bergzonen I und II zu halten», sagt Matthias Meier, Umweltwissenschafter von der Berner Fachhochschule, am Telefon. Die Bergweiden, artenreiche Wiesen auf nährstoffarmen Böden, verbuschen. Der Wald breitet sich aus.

Wald klingt erst einmal gut. Aber wenn er eine Alpweide überwächst, bedeutet das: Biodiversität geht verloren.

Die Kühe, die im Bergland fehlen, sind im Tal zu viel. Sie produzieren Unmengen Gülle. Weil sie auf insgesamt zu wenig Fläche stehen, verfetten die Weiden, das heisst, sie bekommen zu viele Nährstoffe, wie Meier erklärt. Zudem wird die Gülle gezielt als Dünger auf die Felder und Wiesen ausgebracht, übrigens auch im Biolandbau. Im Stall versickern Kot und Urin erst gar nicht. Das darin enthaltene Ammoniak gelangt in die Luft und wird auf nährstoffarme Flächen geweht. Die ökologisch wertvollen Pflanzen, denen es dort gutgeht, sterben aus.

Der in Ammoniak enthaltene Stickstoff wandelt sich im Boden durch verschiedene natürliche Prozesse in Nitrat, das das Grundwasser belastet.

2008 beschloss der Schweizer Bundesrat eine Deckelung der Ammoniak-Emissionen. Trotzdem sind sie seitdem kaum gesunken und betragen immer noch 42 000 Tonnen statt der maximal angestrebten Menge von 25 000 Tonnen.

Bei der Verdauung produzieren Kühe Methan, das sie vor allem durch Rülpsen aus dem Körper befördern. Es kursieren Zahlen dazu, wie viel es genau ist, doch sie sind nicht verallgemeinerbar, sondern stark abhängig von Rasse und Haltungssystem.

Zwar gibt es verschiedene praktikable Ansätze, mit Futterzusätzen den Methanausstoss zu verringern, und die «werden auch lebhaft genutzt», wie Finger sagt. Allerdings können sie möglicherweise die Milchmenge verringern, die das Tier gibt. Dann werden pro Liter Milch gar nicht weniger Treibhausgase ausgestossen. Die Idee, den Kuhdung zur Methanreduzierung mit künstlichen Blitzen zu behandeln, hat sich ebenfalls noch nicht durchgesetzt. Der grösste Regler, an dem man drehen kann, bleibt die Zahl der Kühe. Je weniger Kühe, desto weniger Methan wird frei.

Trotzdem ist es für Bauern im derzeitigen System gut, viele Kühe zu halten. Denn Milcherzeugung ist «kein Zuckerschlecken», sondern «viel Arbeit für wenig Geld», wie der Umweltwissenschafter Meier sagt. Wenn die Bauern für ihre Milch mehr Geld bekämen, könnten sie auch von weniger Kühen gut leben.

Weiter wie bisher, das ist ein riskantes Szenario. Die toxische Beziehung hält noch, weil ihr Gift in die Umwelt abfliesst. Langfristig aber entzieht sie sich selbst die Existenzgrundlage.

2. Szenario: Mit Töten aufhören

Die Schweiz ist ein Grasland. Und das finden viele Menschen schön. Die Frage ist: Welchen Preis sind sie bereit, dafür zu zahlen? Und: Könnten sie eine Beziehung ohne Gewalt führen?

Im Jahr 2023 haben die 532 319 Milchkühe in der Schweiz 3,7 Milliarden Tonnen Milch produziert. Wie viel die Menschen pro Kopf tatsächlich konsumieren, lässt sich nicht ermitteln; Import, Export, Auswärtsessen und weggeworfene Lebensmittel machen jede Rechnung unseriös. Die entscheidende Kennzahl ist das Angebot an Milchprodukten. Diese Menge schwankte in den vergangenen Jahren kaum, Hafermilch-Trend hin oder her.

Milch gibt es nur, wenn die Kuh ein Kalb hat. In den allermeisten Betrieben werden die Kühe deshalb ab einem Alter von 15 Monaten jedes Jahr geschwängert. Für die Kälber, vor allem die männlichen, gibt es in diesem System keine Verwendung, sie werden teilweise für wenig Geld verscherbelt und getötet.

Nach der Geburt geben Kühe etwa 300 Tage lang Milch, dann muss ein neues Kälbchen kommen. Deshalb werden sie schon bald nach der Geburt wieder trächtig gemacht; empfohlen sind etwa 55 Tage, in der Praxis sind es durchschnittlich 89.

Wenn sie im Alter von etwa vier bis acht Jahren anfangen, weniger Milch zu geben und weniger fruchtbar zu sein, werden sie geschlachtet. Denn der Gewinn aus dem Milchertrag ist geringer als die Kosten für Futter, Unterkunft und Pflege. Von den wenigen sogenannten Lebenshöfen abgesehen darf keine der Milchkühe in der Schweiz ihre natürliche Lebensspanne ausleben.

Auch wer sich vegetarisch ernährt, also zwar kein Fleisch, aber Milchprodukte konsumiert, befördert dieses System. Milchproduktion bedeutet, dass gesunde Tiere getötet werden. Viele Menschen mögen den Gedanken nicht. Im Moment verdrängen ihn die meisten aber und konsumieren weiter wie bisher. Sozialpsychologen sprechen vom «Fleisch-Paradox». Ginge es auch anders?

Der Agrarwissenschafter Stefan Mann ist davon überzeugt. Er glaubt, dass die Gesellschaft irgendwann entscheiden könnte, das Töten von Tieren nicht mehr zu akzeptieren.

«Ethiker streiten eigentlich über alles, aber bei der Frage, ob man Tiere töten darf, um sie zu essen, sind sie sich – mit ganz wenigen Ausnahmen – einig: Ethisch ist das unhaltbar», sagt Mann am Telefon. Und dass es sowohl aus gesundheitlicher wie aus ökologischer Hinsicht sinnvoll sei, den Konsum tierischer Lebensmittel zu reduzieren, darüber bestehe auch unter Naturwissenschaftern breiter Konsens. Alle diese Aspekte führen seiner Meinung nach auf einen Punkt zu: ein System zur Lebensmittelerzeugung, in dem Tiere nicht mehr getötet werden. Stefan Mann nennt es: «postletale Landwirtschaft».

Mann selbst isst Fleisch, und er will keine Prognosen aussprechen, wann so ein System Wirklichkeit werden könnte. Es klingt mehr als nur ein bisschen utopisch. Aber wenn er recht hat: Gäbe es dann also keine Kühe mehr in der Schweiz? Und was bedeutete das für die Schweizer Landschaft?

Verhungern, das ist sicher, müsste auch ganz ohne tierische Lebensmittel jedenfalls niemand. Eine Studie hat gezeigt: Sogar global betrachtet liesse sich die Menschheit auf der vorhandenen landwirtschaftlichen Fläche vegan ernähren. Auf die Schweiz bezogen gibt eine Simulation Aufschluss, die Stefan Mann und Kollegen im Auftrag des Bundes durchgeführt haben. Es ging um die Frage, ob die Schweiz sich im Notfall komplett selbst mit Lebensmitteln versorgen könnte. Das Ergebnis: Das Angebot wäre knapper als heute, aber es ginge.

Entscheidend ist, wie das zu erreichen wäre: «Die Produktion von Getreide und anderen pflanzlichen Nahrungsmitteln würde steil nach oben gehen», erklärt Mann. «Das Rechenmodell hat sofort alle Grünland- und sonstigen Futterflächen ausserhalb der Berge in Ackerflächen umgewandelt.» Zwar lässt sich nicht pauschal davon ausgehen, dass jede momentan als Grasland genutzte Fläche auch zum Ackerland taugte. In den niedrigeren, produktiven Lagen sei das aber in den meisten Fällen plausibel, schreibt Mann in einem Aufsatz.

Was in den höheren Lagen ohne Weidewirtschaft passiert, sieht man heute schon an den aufgegebenen Bergweiden: Sie verbuschen zunächst, irgendwann wachsen auf den Flächen Bäume. Das wäre auch in einer postletalen Landwirtschaft so, erklärt Mann.

Es sei denn, die Gesellschaft entschlösse sich, etwas dagegen zu tun und die offenen Flächen zu erhalten. Viele Menschen finden grüne Weiden in den Bergen nämlich schön und betrachten sie als zum traditionellen Landschaftsbild der Schweiz gehörig. Diese Flächen sind ausserdem wichtig für die Biodiversität. Pflanzen, Insekten, Vögel und Säugetiere brauchen eine abwechslungsreiche Landschaft, überall Wald ist für die Artenvielfalt kein Gewinn. Auch zum Ski fahren braucht es übrigens offene Flächen ohne Bäume.

Die Gesellschaft könnte sich also darauf einigen, was ihr der Erhalt des Landschaftsbildes wert ist. Und das schliesst die Kühe, die auf den Weiden stehen, mit ein. Wissenschafter von Agroscope, dem Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung, haben ausgerechnet, wie teuer es ist, eine Hektare Grasland zu erhalten – und zwar, wenn das nicht wie momentan durch Milch- oder Fleischproduktion sozusagen nebenbei geschieht. Dann müssten die Landwirte für Mähen oder Beweidung extra bezahlt werden. Das Ergebnis: Vor allem bei Hangneigungen über 40 Prozent und auf kleinen Parzellen sind Tiere wie Kühe der günstigste Weg, sie offen zu halten.

Diese Kühe könnten gemolken werden, dürften aber auch nach dem Ende ihrer produktivsten Phase weiterleben. Das würde die Milch um ein Vielfaches teurer machen als heute. Ein bereits existierender postletaler Betrieb in England verkaufte zeitweise den Liter Milch für umgerechnet fünf Franken.

Das Angebot an Milch und Milchprodukten pro Kopf läge in der Schweiz bei weit weniger als 306 Kilogramm im Jahr. Aber auch in einer postletalen Landwirtschaft könnte es grüne Weiden und Kühe vor Bergkulisse geben.

Dieses Szenario ist für die Kühe die attraktivste Option: Sie dürfen in den Bergen Gras fressen und leben, bis sie umfallen, ebenso wie ihr Nachwuchs. Sie werden nicht mehr jedes Jahr geschwängert. Es ist der andere Partner, die Schweiz, dem diese Version die grösste Veränderung abverlangt. Sie muss ihr Verhalten grundlegend ändern. Die Beziehung wäre eine völlig andere – aber sie wäre gerettet.

3. Szenario: Grasland, konsequent durchgezogen

Die Schweiz ist ein Grasland. Nähme man das ernst und stützte die Produktion tierischer Lebensmittel nur auf diese Flächen, fielen 90 Prozent des Tierbestands der Schweiz weg. Das beträfe Schweine und vor allem Hühner, weil diese beiden Arten nicht mit Gras gefüttert werden können. Die Kühe hingegen bekämen kein Kraftfutter mehr, sondern nur noch Gras, und zwar von Flächen, die nicht anders nutzbar sind – das heisst vor allem von Hanglagen.

Gleichzeitig, sagen sowohl der Umweltwissenschafter Meier als auch der Agrarökonom Finger, stünde viel mehr Ackerfläche für die menschliche Ernährung zur Verfügung als bisher, weil nicht mehr fast 60 Prozent der bestehenden Ackerfläche für den Anbau von Tierfutter in Form von Mais, Soja, Rüben oder Gras verwendet würden.

Wenig überraschend entspricht die reine Grasfütterung auch viel mehr der Biologie: Durch ihre vier Magenkammern sind Kühe – anders als Menschen, Schweine oder Hühner – an die Verdauung von faserreicher Nahrung wie Gras angepasst, nicht aber an grosse Mengen stärke- und zuckerreiche Lebensmittel wie Getreide und anderes Kraftfutter. Eine Studie von Agroscope kommt zu dem Ergebnis, dass es möglich ist, Kühe nur mit Gras beziehungsweise im Winter mit Heu zu ernähren.

Nicht alle Rassen eignen sich. Doch die reine Grasfütterung ist längst nicht mehr bloss Theorie oder ein gutgemeinter Ratschlag: Während beim Heumilch-Siegel bis zu 10 Prozent Kraftfutter erlaubt sind, verzichten viele der etwa 150 Mitglieder der Interessengemeinschaft Weidemilch schon seit Jahren ganz auf Zufütterung und melken im Dezember und Januar nicht.

Auch IP-Suisse bietet unter dem Namen Wiesenmilch ein Zertifikat an, bei dem ein möglichst hoher Anteil an Gras und Heu und ein möglichst geringer Anteil an Kraftfutter belohnt werden. 65 Prozent der Milchkuhbetriebe beteiligen sich am RAUS-Programm, das den Tieren mehr Auslauf im Freien und damit mehr Gras garantiert. Weitere 13 Prozent bekommen eine Direktzahlung, weil ihre Kühe mehr als gut zwei Drittel ihrer Tagesration durch Weidefutter decken können.

Teilweise wird als Argument gegen die extensive Weidehaltung das Argument angeführt, wegen der niedrigeren Milchmenge seien die Methanemissionen pro Kilogramm Milch viel höher als bei intensiver Stallhaltung. Mehrere Studien haben inzwischen gezeigt, dass das nicht stimmt.

Denn die Haltung im Stall bedeutet einen wesentlich höheren Energieaufwand, um das Futter an- und die Gülle abzutransportieren, und auch die Erzeugung des Kraftfutters trägt zu den Emissionen bei. Bei immer auf der Weide stehenden Kühen hingegen liegt laut Wissenschaftern der Proteinumsatz der Tiere sogar höher als mit Kraftfutter, und die Milch weist einen höheren Gehalt an Omega-3-Fettsäuren auf.

Dass die Tierhaltung mit reiner Grasfütterung positiv zum Klimaschutz beitrüge, wie es Interessenvertreter gerne postulieren, ist laut Wissenschaftern der Universität Oxford allerdings nicht haltbar.

Auch im grasbasierten System bleiben die Bergweiden erhalten. Es ist übrigens sowohl mit als auch ohne Schlachtung der Tiere denkbar. Stefan Mann sagt dazu einen seiner Lieblingssätze: «Tiere können natürlich besser weiden, wenn man sie nicht tötet.»

Bessere Ernährung, mehr Zeit auf der Weide statt im Stall, weniger Dichtestress: Das Gras-Szenario ist für die Kühe vorteilhaft. Die Schweiz aber könnte nicht einfach so weitermachen.

Fazit: Die Paartherapie

Wissenschafter sind keine Paartherapeuten, die eine Anleitung zur Stabilisierung oder Rettung der Beziehung anbieten. Sie sagen nicht: Es wäre gut, wenn die Schweiz an sich arbeiten würde. Sie sagen: Die Schweiz wird sich verändern müssen. Der Klimawandel sowie der Schwund der Biodiversität und der natürlichen Ressourcen werden den Druck immer weiter erhöhen, bis es keine andere Möglichkeit mehr gibt.

Klar ist aber, dass diese Veränderung nicht allein von den Landwirten ausgehen kann. «Es braucht ein Portfolio an Massnahmen sowohl auf Produktions- als auch auf Konsumseite», sagt Finger. «Dazu gehören Regulierung und ökonomische Instrumente, nämlich positive Anreize und Lenkungsabgaben.» Dänemark habe zum Beispiel gerade eine Lenkungsabgabe auf Treibhausgasemissionen eingeführt: Je weniger Betriebe emittieren, desto weniger zahlen sie. Wie sie die Emissionen reduzieren, ist ihnen freigestellt.

Diese Instrumente seien, betont Finger, auf beiden Seiten anwendbar. «Lenkungsabgaben sind ein liberales Instrument. Sie sind freiwillig und bieten einen Anreiz, sich anzupassen, ohne vorzuschreiben, wie», sagt der Ökonom.

Die Zahl der Tiere zwangsmässig zu verringern, ohne am Konsum etwas zu verändern, würde nur zu mehr Import führen, damit wäre nichts gewonnen. Wichtig ist auch: «Diese Änderungen für Landwirte müssen sehr langfristig angekündigt werden. Sie haben investiert, so dass es im derzeitigen System rentiert. Sie können nicht schnell etwas ändern, sie müssen auch Geld damit verdienen können», sagt Finger.

Die Schweiz hat noch ein hartes Stück Arbeit vor sich, wenn sie ihre Beziehung retten will. Aber sie hat auch viele gute Gründe, genau das zu tun.

Wie also geht es weiter mit der Schweiz und ihren Kühen? Eins ist klar: Die Schweiz wird das mit sich selbst ausmachen. Die Kühe wird niemand fragen.

Quellen der Grafiken: Agrarbericht 2024, Schweizer Bauernverband

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