Die Privatklinikgruppe Hirslanden behandelt inzwischen mehrheitlich Grundversicherte. Zugleich kämpft sie mit einem Kostenschub. Offen ist, welche Absichten die beiden schwerreichen Familien verfolgen, die hinter der südafrikanischen Mutterfirma von Hirslanden stehen.

Grössere Zimmer, mehr Auswahl beim Essen, teurere Medikamente und vor allem Zugang zu leitenden Ärzten oder gar zum Chefarzt: Zusatzversicherte Patienten profitieren während Spitalaufenthalten von diversen Vorzügen im Vergleich mit solchen, die nur grundversichert sind. Doch in der Schweiz leisten sich immer weniger Leute Versicherungen, die die Kosten für halbprivate oder private Behandlungen übernehmen.

Diesem Trend ist auch der mit Abstand grösste Schweizer Spitalbetreiber Hirslanden ausgesetzt. Vor drei Jahren waren erstmals mehr als die Hälfte der Patienten, die in den 17 Privatkliniken der Gruppe behandelt wurden, Grundversicherte. Mittlerweile liegt ihr Anteil bei mehr als 52 Prozent.

Wozu noch eine Spitalzusatzversicherung?

Seitdem auch die meisten Privatkliniken in der Schweiz Listenspitäler sind und damit auch Grundversicherte aufnehmen, verzichten immer mehr Versicherte auf Spitalzusatzversicherungen. Die Zürcher Klinik Hirslanden, die der Gruppe ihren Namen gegeben hat, gelangte 2012 auf die Spitalliste des Kantons Zürich. Damals waren in diesem Betrieb Zusatzversicherte noch beinahe unter sich. Inzwischen werden auch dort zu mehr als 40 Prozent Grundversicherte behandelt.

Grundversicherte sind für Spitäler deutlich weniger einträglich als Patienten mit Zusatzversicherung. Wie man bei Hirslanden offen eingesteht, sind sie aufgrund nicht kostendeckender Tarife oft ein Verlustgeschäft. Bestenfalls wird mit ihnen eine geringfügige Marge erwirtschaftet.

Pflegepersonal drückt hohe Lohnsteigerungen durch

Zugleich beanspruchen Grundversicherte zu einem grossen Teil dieselbe Infrastruktur wie Patienten mit Zusatzversicherung – in einem Umfeld, wo die Kosten zurzeit für fast alles nach oben gehen.

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie sei Hirslanden wie alle Spitalbetreiber von einem starken Kostenschub erfasst worden, sagt ihr Chef Daniel Liedtke. Am meisten verteuerten sich für die Gruppe die Löhne des Pflegepersonals. Laut Liedtke bewegen sich die Gehaltssteigerungen nicht selten im zweistelligen Bereich.

Weil während Jahren zu wenig Nachwuchs ausgebildet wurde und zugleich den Spitälern wegen der hohen Arbeitsbelastung Jahr für Jahr viele bestehende Fachkräfte abhandenkommen, ist die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmenden gross. Besonders zeigt sich dies bei Temporärkräften, deren Kosten jene von Festangestellten inzwischen um 40 bis 50 Prozent übersteigen können.

Betriebsmarge fällt erneut

Inflationsbedingt haben sich für Spitäler in den vergangenen drei Jahren auch viele andere Aufwendungen, beispielsweise diejenigen für Energie, medizinische Apparate und Verbrauchsmaterial, verteuert. All das lastet auf der Profitabilität von Hirslanden.

Im zurückliegenden Geschäftsjahr (per Ende März 2024) fiel laut Zürcher Kantonalbank (ZKB) die Umsatzrendite auf Stufe Ebitdar (Betriebs-Cashflow vor Mietkosten, die bei Spitälern gerne herausgerechnet werden) um weitere 1,4 Prozentpunkte auf 13,3 Prozent. Vor sieben Jahren sei diese Kennziffer noch bei 22,5 Prozent gelegen, gibt die ZKB zu bedenken.

Im Vergleich mit anderen Schweizer Spitalbetreibern kann sich die Profitabilität von Hirslanden dennoch sehenlassen. Die meisten öffentlichen Spitäler in der Schweiz sind jüngst in noch schwereres Fahrwasser geraten und erwirtschaften nicht selten hohe Verluste. Die Analysten der ZKB weisen darauf hin, dass von den 14 öffentlichen Spitälern, deren Bonität sie begutachteten, der Spitalverbund Limmattal mit einer Ebitdar-Marge von 7,3 Prozent am besten abschneide.

Schwesterfirmen im Ausland arbeiten profitabler

Weniger schmeichelhaft fällt die operative Leistung von Hirslanden im Vergleich mit den beiden Schwestergesellschaften in Südafrika und den Vereinigten Arabischen Emiraten aus. Hirslanden befindet sich seit 2007 im Besitz der internationalen Privatklinikgruppe Mediclinic, die ausser in ihrem Heimmarkt Südafrika auch in den Emiraten tätig ist. Im zurückliegenden Geschäftsjahr erreichte das Unternehmen mit seinen Spitälern in Südafrika und in den Emiraten eine Ebitdar-Marge von 18,2 beziehungsweise von 14,6 Prozent. Das Schweizer Geschäft bildet mit einem Umsatzanteil von 47 Prozent das grösste Standbein der Gruppe.

Hirslanden steht unter Druck, den Margenschwund möglichst schnell zu stoppen. Um die verbliebenen Zusatzversicherten halten zu können, muss das Unternehmen laufend seine Infrastruktur erneuern. Hirslanden wirbt beispielsweise damit, Zusatzversicherten robotergestützte Operationen anzubieten, deren Kosten die Grundversicherung nicht oder nur in gewissen Fällen übernimmt. Um sich solche Investitionen leisten zu können, ist das Unternehmen auf eine ausreichend hohe Marge angewiesen, zumal es anders als öffentliche Spitäler keine Defizitgarantien vom Staat erhält.

Stellenabbau in der Zentrale in Opfikon

Wegen des hohen Kostendrucks hat Hirslanden beschlossen, sich neu aufzustellen. «Wir müssen uns für die nächste Dekade fit machen», sagt Liedtke. Dabei will der Spitalbetreiber verstärkt auf Automatisierung in der Administration setzen. Anfang März 2024 kündigte das Unternehmen an, bis zu 80 Mitarbeitenden in der Zentrale in Opfikon zu kündigen. Laut Liedtke wurden mittlerweile 56 Personen entlassen. Sie waren zuvor als Projektleiter, im Marketing oder im Personalwesen tätig gewesen.

Während das Unternehmen vor allem in der Verwaltung Einsparungen umsetzt, ist es zugleich gefordert, die Bettenauslastung rasch wieder auf einen höheren Stand zu bringen. In den vergangenen zwei Jahren blieben wegen Personalmangel ganze Stationen geschlossen. Die Bettenbelegung erreichte jüngst nur noch 66 Prozent.

Ziel müsse es sein, diese Kennziffer gruppenweit auf 80 Prozent zu erhöhen, sagt der Chef der Spitalgruppe. Wie Liedtke durchblicken lässt, lahmt bei unter 70 Prozent der Betrieb, weil Mitarbeiter zu bummeln beginnen. Quoten von mehr als 90 Prozent bei der Bettenbelegung, wie sie auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie in vielen Spitälern erreicht wurden, erzeugen hingegen rasch Stress, der für Patienten und das Personal gefährlich wird.

«Inspirierender» neuer Hauptaktionär

Offen ist, welche konkreten Erwartungen die beiden Eigentümer von Mediclinic gegenüber Hirslanden haben. Die Spitalgruppe steht seit dem vergangenen Jahr im alleinigen Besitz des Finanzvehikels Manta Bidco, das seinerseits je zur Hälfe von der kotierten südafrikanischen Investmentgesellschaft Remgro und der Genfer Reederei MSC kontrolliert wird. Hinter Remgro steht als Mehrheitseigentümer die Familie Rupert, die unter anderem auch den Uhren- und Schmuckkonzern Richemont beherrscht, hinter MSC die italienischstämmige Familie Aponte.

Remgro erklärt auf Anfrage, sich als langfristigen strategischen Partner von Mediclinic zu definieren. MSC wollte sich zum Engagement nicht äussern. Die Familie Aponte hält die Zügel bei der weltgrössten Containerschifffahrt-Gesellschaft, die auch gross im Geschäft mit Kreuzfahrten ist, fest in der Hand. Bei Hirslanden wird ihre Rolle als «inspirierend» wahrgenommen. Sie wisse, wie das Geschäft von Privatkliniken funktioniere, heisst es in der Zentrale in Opfikon.

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