Beim 2:0 gegen den Europameister überzeugen die Nationalspieler mit einem dominanten, starken und souveränen Auftritt. Fünf Fussballer und der Trainer sind besonders aufgefallen.

Manuel Akanji: Der vielleicht beste EM-Verteidiger

Wenn es Zweifel gegeben haben sollte an seinem Stellenwert für das Nationalteam, hat sie Manuel Akanji an dieser Europameisterschaft ausgeräumt. Ohne jeden Zweifel. Der Schweizer Abwehrchef ist bis jetzt der vielleicht beste EM-Verteidiger, das beweist er auch beim 2:0 im Achtelfinal gegen Italien.

Akanji dominiert den überforderten italienischen Stürmer Gianluca Scamacca, tritt souverän und erhaben auf, leitet die Angriffe präzise und entschlossen ein. Man könnte jetzt mäkeln, dass die Italiener derart harmlos sind, dass es für die Schweizer Abwehrreihe ein angenehmer Abend sei. Mag zweifellos sein. Und dennoch: Akanji ist an der Europameisterschaft genau jener Leader, der er in den letzten Jahren in der Schweizer Auswahl nicht immer war.

Akanji hat bei Manchester City gelernt, dass es in jedem Spiel darum geht, es zu gewinnen. Diese Einstellung lebt er an dieser EM vor. Und er hat noch lange nicht genug. Akanji würde sich sehr auf das Duell im Viertelfinal mit England und einigen City-Teamkollegen freuen, die sich ab und zu lustig machen sollen über die kleine Schweiz. «Es wäre ein unglaubliches Gefühl, gegen sie zu gewinnen», sagt Akanji. England trifft im Achtelfinal am Sonntag auf die Slowakei.

Akanji geht in seiner Analyse so weit, den Erfolg an dieser Europameisterschaft über jenen vor drei Jahren zu stellen, als die Schweiz im Achtelfinal immerhin den damaligen Weltmeister Frankreich ausschaltete. «Das hier ist sicher der Höhepunkt meiner Zeit im Nationalteam», sagt Akanji. «Wir zeigen noch einmal dominantere Leistungen.» Der 28-Jährige vermittelt nur einen Eindruck: Die Schweizer haben an der EM 2024 noch lange nicht genug.

Granit Xhaka: Kronfavorit als «Spieler des Turniers»

Akanji in der Abwehr, Granit Xhaka im Mittelfeld: Gibt es eine bessere Achse an dieser EM? Vielleicht nicht. Xhaka ist gegen Italien sehr gut, er ist aber nicht der beste Spieler, weil es das gar nicht benötigt. Die Italiener sind so krass unterlegen, wie es sich niemand hätte vorstellen können. Und Xhaka ist – natürlich – der Chef im Zentrum des Geschehens.

Der 31-Jährige ordnet den Aufbau, dirigiert die Mitspieler, leitet die Angriffe und Tore ein, beisst auf die Zähne, als er Schmerzen verspürt. Und er schafft es, diesmal im siegreichen Achtelfinal nicht verwarnt zu werden wie vor drei Jahren gegen Frankreich – und danach im Viertelfinal gesperrt zu sein. Einmal hat er gegen Italien bei einer Intervention Glück, keine Gelbe Karte zu erhalten, das ist früh in der Begegnung. Es ist der heikelste Moment für Xhaka, der in der Form seines Lebens ist.

Auch Granit Xhaka würde den Engländern nur zu gerne zeigen, wie stark die Schweiz ist. Jahrelang spielte er bei Arsenal, nicht immer lief es wie am Schnürchen. Seit seinem Transfer zu Bayer Leverkusen vor einem Jahr aber überzeugt Xhaka auf und neben dem Rasen. Seine Versöhnung mit dem Nationaltrainer Murat Yakin nach sehr komplizierten Zeiten ist das wichtigste Kapitel in dieser Schweizer Erfolgsgeschichte. Und Xhaka äussert sich an der Europameisterschaft bisher ausgesprochen stilsicher, er hat mit sich eine «Challenge» vereinbart und dürfte nicht von seinem Credo abrücken, wie mit Leverkusen Match für Match nehmen zu wollen. Bisher ist er der Kronfavorit für die Auszeichnung des Spieler des Turniers.

Fabian Rieder: Yakins Vertrauen zahlt sich aus

Es ist die vielleicht überraschendste Schweizer Geschichte an dieser EM: Wie Fabian Rieder alle überrascht. Vor einem Jahr standen ihm die Türen in der Fussballwelt offen, der Transfer als Schlüsselspieler von YB zu Rennes in die Ligue 1 war die Belohnung für eine ausgezeichnete Entwicklung. Nach einer äusserst schwierigen Saison mit Verletzungen und wenig Spielzeit beim französischen Klub hätte es allerdings niemanden überrascht, wenn der 22-Jährige nicht im Schweizer EM-Aufgebot gestanden hätte. Aber Murat Yakin zählt auf Rieder, weil er weiss, was er vom spielintelligenten, passgenauen, erstaunlich kämpferischen Mittelfeldspieler bekommt.

Rieder steht wie gegen Deutschland auch gegen Italien in der Startelf – und zeigt eine brillante Performance. Er ist ballsicher, laufstark und oft nur mit Fouls zu stoppen. Zudem bewegt er sich schlau in den Zwischenräumen und tritt starke Standards. Einen Freistoss von ihm kann der grosse Goalie Gianluigi Donnarumma gerade noch so an den Pfosten lenken. In dieser Form ist Rieder nicht aus dem Schweizer Team wegzudenken. Der Trainer Yakin wird immer einen Platz für ihn finden. Und in der nächsten Saison will Rieder als Leihspieler auch beim VfB Stuttgart voll angreifen.

Remo Freuler: Ausgerechnet gegen Italien

Im Schweizer Team stimmt an dieser Europameisterschaft vieles. Es ist in dieser Zusammenstellung so stark wie nie, es mangelt auch nicht an Erfahrung in bedeutenden Spielen. Remo Freuler ist seit Jahren ein Fixpunkt, er sorgt für die notwendige Balance, stopft Löcher, erledigt die Arbeit im Hintergrund und lässt andere glänzen. Gegen Italien ist es Freuler, der dank einem klugen Laufweg das 1:0 erzielt. Wie es seine Art ist, schwärmt er danach vom Spirit in der Schweizer Auswahl und davon, wie sich auch die Ersatzspieler über Tore freuen würden.

Ausgerechnet gegen Italien gelingt Freuler das wohl beste seiner bisher 71 Länderspiele mit neun Toren. Mittlerweile siebeneinhalb Jahre hat er in der Serie A verbracht, mit 32 Jahren ist der Bologna-Spieler so wertvoll wie nie für die Schweiz. Dabei gab es noch vor einigen Monaten nicht wenige Beobachter, die den Eindruck gewonnen hatten, Freulers Zeit im Nationalteam sei abgelaufen. Es ist lange her – wie so viele Debatten, Probleme und Unstimmigkeiten im Schweizer Nationalteam.

Ruben Vargas: Vor einem verdienten Karrieresprung

Gegen Deutschland im letzten Gruppenspiel sass Vargas vorerst auf der Bank, gegen Italien ist er offiziell der «Man of the Match»: Assist zum 1:0, Traumtor zum 2:0. Vielleicht wird Vargas in der Schweiz ab und zu unterschätzt, sein Klub heisst Augsburg und nicht Inter Mailand, Manchester City, Bayer Leverkusen oder zumindest Bologna.

Aber Vargas ist auf einem guten Weg, er hat an Härte gewonnen und an Torgefahr – und er ist mit seinem Fleiss ein äusserst mannschaftsdienlicher Spieler. Er ist an dieser EM besser und wichtiger als alle anderen Offensivspieler wie Breel Embolo, Xherdan Shaqiri, Zeki Amdouni oder Noah Okafor.

Und spätestens seit Samstagabend dürfte Ruben Vargas nicht mehr unterschätzt werden. Er könnte bald zu einem grösseren Klub wechseln, seinen Transferwunsch hat er vor ein paar Wochen zur Sicherheit gleich öffentlich geäussert. An der EM in Deutschland sammelt der 25-Jährige wie der gleichfalls auffällige Dan Ndoye munter Argumente für einen weiteren Karrieresprung.

Murat Yakin: Den Europameister kaputtgemacht

Der Nationaltrainer Murat Yakin ist der unbestritten grösste Schweizer Gewinner dieser EM. Und er ist auch in der NZZ zuletzt ausführlich gelobt worden für seine Arbeit, seine taktischen Überlegungen, sein ruhiges Auftreten, die ausgeklügelten Matchpläne. Dennoch darf Yakin keineswegs fehlen, wenn es um die grossen Schweizer Figuren im EM-Achtelfinal gegen Italien geht. Alleine schon wegen seiner wunderbar authentischen Aussage, wonach es für ihn klar gewesen sei, dass die Schweizer die Italiener kaputtmachen würden, wenn diese mit einer Viererkette in der Abwehr antreten würden.

Was soll man sagen? Die Schweizer haben die Italiener und deren Viererkette kaputtgemacht und nach Hause geschickt. Und Yakin sagt: «Unsere Reise an diesem Turnier ist noch nicht zu Ende.» Er ist aktuell sogar Topkandidat für die Besetzung des Trainers im EM-Allstar-Team. Wer hätte das im letzten Herbst gedacht?

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