Nirgendwo sind Medikamente teurer als in den USA. Vor lauter Verkaufserfolgen in Amerika haben Hersteller in der Schweiz andere Exportmärkte vernachlässigt. Das droht sich nun zu rächen.
Der US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, dass er am 2. April eine Welle von Zöllen bekanntmachen wird. Auf die Details warten insbesondere Pharmaunternehmen gebannt, denn neu sollen selbst Medikamente nicht mehr zollfrei in die USA eingeführt werden können.
Krude protektionistische Politik
Bis anhin waren Arzneimittel überall von Zöllen befreit – mit gutem Grund: Die Versorgung kranker Menschen hat oberste Priorität. Doch selbst mit diesem Prinzip will die krude protektionistische Politik des Weissen Hauses nun brechen.
Die USA sind für die Pharmabranche mit Abstand der lukrativste Absatzmarkt. In keinem anderen Land werden höhere Preise für Medikamente bezahlt.
Das amerikanische Schwingen der Zoll-Keule sorgt in den Führungsetagen von Pharmafirmen für entsprechende Hektik. Seit Wochen werden Pläne dazu gewälzt, wie sich die Belastung wegen der Zölle am effektivsten minimieren lässt.
Ein naheliegender Schritt ist, möglichst grosse Teile der Medikamentenproduktion in den USA zu konzentrieren. Der Pharmariese Pfizer hat bereits Verlagerungen zugunsten amerikanischer Standorte in Aussicht gestellt. Man besitze in den Vereinigten Staaten ausreichend freie Kapazitäten, um Teile der Fertigung aus anderen Weltregionen dorthin zu transferieren. Das Management des Konkurrenten Eli Lilly gab öffentlichkeitswirksam unter dem Titel «Lilly in America» bekannt, noch dieses Jahr mit dem Bau von vier neuen «Mega-Fabriken» in den USA zu beginnen.
Produktionsverlagerungen zulasten der Schweiz
Dass sich amerikanische Medikamentenhersteller um die Trump-Administration scharen und versuchen, deren Erwartungen möglichst gut zu erfüllen, ist nicht verwunderlich. Doch auch die beiden Schweizer Schwergewichte Roche und Novartis dürften alles versuchen, um das Maximum aus ihren US-Produktionsstätten herauszuholen und dadurch Importzölle zu vermeiden.
Eine schlechte Kunde ist all dies für den Schweizer Pharmastandort. Er lebte bis anhin prächtig von Geschäften mit dem weltgrössten Abnehmer von Medikamenten. Der Exportüberschuss mit den USA betrug 2024 rekordhohe 28 Milliarden Franken.
Dabei profitierten nicht nur Roche und Novartis von stetig steigenden Lieferungen in die Vereinigten Staaten. Auch US-Firmen machten sich die zentrale Lage der Schweiz, ein stabiles Rechtssystem und vor allem die Verfügbarkeit hochspezialisierter Arbeitskräfte zunutze, um hierzulande im grossen Stil Medikamente zu fertigen.
Auch US-Unternehmen auf dem falschen Fuss erwischt
Dem weltgrössten Gesundheitskonzern Johnson & Johnson wird nachgesagt, mit seinem riesigen Abfüllwerk in Schaffhausen 15 Prozent der Wirtschaftsleistung des Nordostschweizer Kantons zu erwirtschaften. Die US-Biotechfirma Biogen betreibt im solothurnischen Luterbach und ihr Konkurrent Incyte in Yverdon eine bedeutende Produktionsstätte. Beide Fabriken wurden erst vor wenigen Jahren eröffnet und beliefern zu wesentlichen Teilen den amerikanischen Markt.
Im jetzigen Umfeld sind solche Investitionsentscheide schwer vorstellbar geworden. Trotzdem besteht kein Grund, nun den Untergang der Schweizer Pharmaindustrie heraufzubeschwören. Es gibt andere Märkte, die hiesigen Medikamentenherstellern reizvolle Perspektiven bieten.
Wachstumschancen locken in Asien
Angesichts der grossen Erfolge im US-Geschäft hat die Schweizer Pharmabranche Exporte in Zukunftsmärkte vernachlässigt. Das ist eine verpasste Chance, denn im Nahen Osten, in Indien, China und Südostasien locken dank steigenden Ansprüchen an die Gesundheitsversorgung weiterhin erhebliche Wachstumschancen. Ein Trumpf sind für Hersteller in der Schweiz die Freihandelsabkommen, die in den letzten Jahren mit verschiedenen asiatischen Ländern abgeschlossen wurden.
Generell nicht zu unterschätzen ist der ausgezeichnete Ruf, den die Schweiz in Sachen Qualität und Verlässlichkeit geniesst. Er kann ihr als Handelspartner nur nützen. Dies gilt erst recht zu einer Zeit, in der die USA als führender Pharmaproduzent der Welt nur noch für sich zu schauen scheinen. Diese Chance muss die Schweizer Pharmaindustrie nun ergreifen.