Sonntag, Oktober 6

Die Finanzhilfen des Bundes sind in nur zehn Jahren um ein Drittel gestiegen. Mächtige Lobbys sorgen dafür, dass sich dies nicht so schnell ändern wird.

Wer Benzin oder Diesel tankt, muss jeweils auch die Mineralölsteuer von fast 80 Rappen pro Liter berappen. Nicht so die Bäuerinnen und Bauern in diesem Land. Gegen 40 000 Betriebe reichen jedes Jahr ein entsprechendes Rückerstattungsgesuch ein. Und sie sind nicht die Einzigen. Der Steuerrabatt steht auch Förstern, Berufsfischern, Skigebieten und konzessionierten Verkehrsbetrieben zu. Rund 65 Millionen Franken richtet der Bund auf diese Weise jährlich für die Verbilligung des Treibstoffs aus.

Eigentlich wollte der Bundesrat diese klimaschädliche Subvention abschaffen. Doch die Bauernlobby leistete erbitterten Widerstand. Landwirtschaftsminister Guy Parmelin hielt aufgrund der Proteste an den umstrittenen Rückerstattungen fest. Wieder einmal zeigte sich: Einmal beschlossene Finanzhilfen sind kaum mehr wegzubekommen – und sind sie noch so widersinnig und veraltet.

Im vergangenen Herbst kündigte der Bundesrat an, er wolle die Werbung für den Fleischkonsum nicht länger mit 5 Millionen Franken pro Jahr unterstützen. Doch dass die Absatzförderung tatsächlich gestrichen wird, glauben in Bundesbern die wenigsten. Subventionen sind gerade en vogue. Anfang Jahr beschloss das Parlament bereits, den Vermarktungsorganisationen des Schweizer Weins mit 9 Millionen Franken unter die Arme zu greifen. Warum nicht auch weiterhin der Fleischwirtschaft TV-Spots und Anzeigen sponsern?

Energiebereich wird mit Geld geflutet

Auch der Umwelt- und Energiebereich wird mit immer grösseren Mengen an staatlichen Geldern geflutet. 3,2 Milliarden Franken gehen ab 2025 zusätzlich in den Klimaschutz – erhalten sollen die Zuschüsse nicht nur Hauseigentümer, die auf erneuerbare Energien umstellen, sondern auch Unternehmen, die einen Fahrplan für das Netto-Null-Ziel vorlegen. Ein «gewaltiger Schritt» in Richtung Subventionierung sei das, sagt Andreas Lienhard, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht am Kompetenzzentrum für Public Management und am Institut für öffentliches Recht der Universität Bern. Im vergangenen Jahr gab der Bund bloss rund 600 Millionen Franken für den Bereich «Umwelt und Raumordnung» aus.

Längst ist die Schweiz zu einem Land der Subventionen mutiert – einem Land auch, in dem die Politik das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger mehr und mehr mit dem Geldhahn lenkt. «Anreize statt Abgaben» lautet auch die Devise bei Bundesrat Albert Rösti – man könnte sie auch «Gschänkli»-Politik nennen.

Wohin das führt, zeigen neue Zahlen der Finanzverwaltung: Waren es vor zehn Jahren noch 36 Milliarden Franken, die der Bund verteilte, sind es heute bereits 48 Milliarden Franken. Gestiegen ist auch der Anteil der Transferzahlungen an den Bundesausgaben. Sie machen inzwischen nicht weniger als 60 Prozent aus. Dabei sind indirekte Subventionen wie etwa Steuerabzüge für die zweite und die dritte Säule der Altersvorsorge nicht einmal mitgezählt.

Gemäss Subventionsgesetz darf der Bund Finanzhilfen und Abgeltungen nur gewähren, wenn eine Aufgabe ohne diese Unterstützung nicht hinreichend erfüllt würde. Ausserdem müssen die Subventionen wirtschaftlich und wirksam eingesetzt werden, und es müssen die zumutbaren Selbsthilfemassnahmen ausgeschöpft sein. Doch in der Realität dürften diese Kriterien in vielen Fällen nicht erfüllt sein. Hinzu kommt, dass Subventionen teilweise dysfunktional sind: «Subventionen rufen häufig ungewollte Verhaltensweisen hervor, die mit den gesetzten Zielen nicht im Einklang stehen», sagt der Experte Lienhard. Er weist etwa auf die Beihilfen an die Milch- und Viehwirtschaft hin, die zu einer stärkeren Belastung mit Stickstoff und Treibhausgasen führen.

Wie viel in der Subventionspraxis des Bundes im Argen liegt, stellte unlängst ein Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) fest. Er kam zu dem Schluss, dass der Bund zu einem grossen Teil Leistungen bezahlt, die der Empfänger ohnehin ausgeführt hätte. Bei der Einmalvergütung für Solarpanels etwa schätzt sie die sogenannten Mitnahmeeffekte auf etwa 50 Prozent. Mit anderen Worten: In der Hälfte der Fälle wäre die Anlage auch gebaut worden, wenn es keinen Rappen an Fördergeldern gegeben hätte.

Auch stellte die EFK wiederholt fest, dass Organisationen vom Bund unterstützt werden, die gar nicht auf Förderbeiträge angewiesen sind. So erhielten etwa in der Landwirtschaft finanzstarke Tierzuchtverbände Zuschüsse, deren Eigenkapital eine Jahresausgabe mehrfach überstieg. Dabei versäumten es die zuständigen Behörden, die finanzielle Tragfähigkeit der Empfänger zu überprüfen und eine höhere Eigenleistung von den Empfängern zu verlangen.

Wer hat, dem wird gegeben

Generell gilt: Hat es ein Empfänger einmal auf die Subventionsliste des Bundes geschafft, kann er ziemlich sicher sein, dass die Gelder bald noch üppiger fliessen. Die Sportverbände zum Beispiel erhielten im Jahr 2008 noch Zuschüsse von 5,7 Millionen Franken, 2013 waren es bereits 13,0 Millionen, 2023 dann sogar 42,8 Millionen Franken. Schweiz Tourismus erhielt im zurückliegenden Jahr 70 Millionen Franken – im Jahr 2013 waren es noch 55 Millionen Franken gewesen.

Systematisch durchleuchtet hat die Subventionen des Bundes im vergangenen Jahr das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) an der Universität Luzern. Es kam dabei zu dem Schluss, dass in fast allen Aufgabenbereichen des Bundes – in den Bereichen Wirtschaft oder Landwirtschaft und Ernährung ebenso wie in den Gebieten Gesundheit, Verkehr, soziale Wohlfahrt oder Kultur – Subventionen ausbezahlt würden, die für die Wohlfahrt fragwürdig oder gar schädlich seien. Unter dem Strich könnten laut den Ökonomen nicht weniger als 14 Prozent glattweg gestrichen werden – die sich abzeichnenden finanziellen Engpässe beim Bund könnten damit locker behoben werden.

Als Beispiele nannten die Ökonomen des IWP etwa direkte Branchenhilfen an die Landwirtschaft in Höhe von 3,3 Milliarden Franken, bei denen es sich vornehmlich um industriepolitische Subventionen handle, «die eine starke Verzerrungswirkung nach sich ziehen». Auch der Sinn und Zweck der 43 Millionen Franken, die jährlich in die Filmförderung fliessen, beurteilte die Studie kritisch. «Warum sollten Filme gegenüber anderen Freizeitaktivitäten wie Joggen bis Kegeln bevorzugt werden?», fragen sich die Wissenschafter.

Allerdings wird die Aussagekraft des IWP-Reports in Fachkreisen angezweifelt. «Es greift zu kurz, Subventionen nach rein ökonomischen Kriterien zu bewerten», sagt Andreas Lienhard. Das wirtschaftliche Wachstum sei nicht das allein bestimmende Merkmal für die Begründung von Finanzhilfen. Vielmehr gebe es zahlreiche andere öffentliche Interessen, die eine Förderung ebenfalls rechtfertigen würden – der Erhalt der Sozialwerke und der kulturellen Vielfalt etwa, Bildung und Forschung, ein gut funktionierender Service public oder die Sorge zur Umwelt. Ob zum Beispiel auf die Filmförderung verzichtet werden solle, sei nicht nur eine volkswirtschaftliche Frage. Schliesslich sei der Schweizer Film ein Kulturgut, das schon in der Bundesverfassung als förderungswürdig bezeichnet werde.

Doch wo dann den Sparstift ansetzen?

Finanzministerin Karin Keller-Sutter lässt diese Frage derzeit abklären. Weil in den nächsten Jahren Engpässe in der Bundeskasse drohen, lässt sie sämtliche Abgeltungen und Finanzhilfen von externen Gutachtern überprüfen. Die FDP-Bundesrätin hat dafür eigens eine Gruppe von Experten eingesetzt. Nicht weniger als 4 Milliarden Franken sollten eingespart werden, lautet die Vorgabe der Finanzministerin. Gelingt das Vorhaben, könnte die Magistratin das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt eliminieren.

Das Subventionsdickicht auszudünnen, ist allerdings eine Aufgabe, an der sich schon Keller-Sutters Vorgänger die Zähne ausgebissen haben. Letztmals führte der Bundesrat 2008 eine umfassende Überprüfung durch. Nach Abschluss der Arbeiten publizierte Finanzminister Hans-Rudolf Merz einen 436 Seiten starken Bericht. Reformbedarf stellte er bei gut 70 von 228 Subventionen fest. Das finanzielle Entlastungspotenzial schätzte er auf über 100 Millionen Franken. Von den vorgeschlagenen Massnahmen setzte das Parlament dann die wenigsten um. Nur bei knapp einem Fünftel der Finanzhilfen wurden am Schluss Entlastungen realisiert, wie die EFK später in einem Bericht feststellte. Im Gegenzug aber stieg das Volumen der 70 Subventionskredite um 2,8 Milliarden Franken.

Auch offenbart ein Blick in die Subventionsdatenbank des Bundes, wie schwierig es sein wird, den Auftrag der Finanzministerin zu erfüllen. Grösster Brocken in der Datenbank, die 500 Einträge zählt, sind mit 10,1 Milliarden Franken die Leistungen des Bundes an die AHV – es folgen die Einlagen des Bahninfrastrukturfonds, die Leistungen an die IV und die individuellen Prämienverbilligungen. Es handelt sich bei diesen Beihilfen ausschliesslich um gebundene Ausgaben. Gemeint sind damit insbesondere Ausgaben, die rechtlich auch bezüglich ihrer Höhe bereits festgelegt sind und nur mit Gesetzesänderungen reduziert werden können. Insgesamt gelten rund zwei Drittel der jährlichen Ausgaben des Bundes als gebunden – Tendenz steigend.

Herkulesarbeit für Karin Keller-Sutter

Obwohl das Parlament mit dem Voranschlag ein Instrument besitze, um die Höhe der Subventionen zu steuern, sei der finanzpolitische Handlungsspielraum damit beschränkt, sagt der Staatsrechtler Lienhard. Hinzu komme, dass durch geschicktes Lobbyieren meist erreicht werde, dass umstrittene Subventionen letztlich doch ausgerichtet würden.

Was Lienhard anspricht: Die Bezüger der Bundesgelder finden stets einen Grund, warum von einem Sparbeschluss abzusehen ist. Sie geben Studien und Gutachten in Auftrag, die vor den desaströsen Konsequenzen der Streichung warnen. Oder sie engagieren professionelle PR-Firmen und spannen Parlamentsmitglieder ein, um den Geldfluss am Laufen zu halten. Umso schwieriger sei es, im politischen Prozess Sparpotenziale zu realisieren, so Lienhard.

Um Fehlanreize und Verzerrungen möglichst zu vermeiden, schlägt Lienhard vor, dass die Subventionsmechanismen optimiert werden, etwa mittels eingehender Folgeabschätzungen beim Erlass von neuen Subventionsbestimmungen. Auch soll der haushälterische Umgang mit den öffentlichen Mitteln verbessert werden, indem bei häufig ausgerichteten Finanzhilfen ein wettbewerbliches Verfahren zur Anwendung gelangt. Schliesslich müsse auch die Transparenz gestärkt werden – etwa mit einer Subventionsdatenbank, welche auch die Kantone und Gemeinden sowie die indirekten Subventionen einschliesse.

Ob Bundesrat und Parlament bereit sind, die Vergabepraxis zu überdenken, ist jedoch höchst fraglich. Und das Vorhaben von Keller-Sutter, Subventionen zu streichen, gleicht einer Herkulesaufgabe. An dieser Tatsache ändert auch die Praxis der Verwaltung wenig, Förderprogramme wenn möglich zeitlich zu befristen. Spätestens wenn diese auslaufen, werden Bundesrat oder Parlament für eine Weiterführung besorgt sein.

So wie es etwa bei der Förderung für erneuerbare Energien geschah, die eigentlich 2023 hätte auslaufen sollen, dann aber bis 2031 verlängert wurde. Solange in Bundesbern die Spendierlaune anhält, dürften denn auch sämtliche Bestrebungen, das inländische Subventionsregime einzudämmen, erfolglos bleiben.

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