Ein unerwarteter Chefwechsel soll die Neuorientierung des Herstellers von Stromzählern beschleunigen. Doch wenn Trump Wort hält, gibt es ein Problem.
Landis + Gyr ist eines der traditionsreichsten Schweizer Unternehmen. Die Wurzeln reichen zurück bis in das Jahr 1896. Damals gründete Adelrich Gyr in Zug eine Firma zur Produktion von Stromzählern, die später der Ingenieur Heinrich Landis übernahm. Heute ist Landis + Gyr führend in Europa bei den digitalen Stromzählern, auch Smart Meter genannt. Angeboten wird aber mehr: Die Firma entwickelt auch Geräte und Anwendungen zum Management von Stromnetzen.
Damit wäre Landis + Gyr theoretisch perfekt positioniert, um von der Auftragsflut in der Energiewende zu profitieren. So, wie es zum Beispiel dem Elektrifizierungsbereich des Industriekonzerns ABB gelingt. Doch bisher konnte die Firma aus dem Megatrend kaum Kapital schlagen. Der Aktienkurs steht niedriger als beim Börsengang im Sommer 2017, der Umsatz kam jahrelang kaum vom Fleck.
Die USA sind der viel attraktivere Markt
Das soll sich ändern: mit einem Fokus auf die USA, einen grossen Markt mit grossem Investitionsbedarf, wo aber mit Donald Trump in den kommenden vier Jahren ausgerechnet ein Protektionist und Verfechter der Erdöl- und Erdgasbranche wieder Präsident wird. Wenn Trump das umsetzt, was er versprochen hat, muss Landis + Gyr reagieren.
Für die Konzentration auf Nordamerika stellt Landis + Gyr das Europa-Geschäft zur Disposition, wie das Unternehmen vor drei Wochen mitgeteilt hatte. Jetzt doppelt es nach: Der seit 2020 amtierende CEO, Werner Lieberherr, hat seinen Posten per sofort geräumt. Nachfolger ist der vier Jahre jüngere Peter Mainz, ein Manager mit grosser Erfahrung in der Stromausrüstung in den USA.
Dass Lieberherr bald abtreten würde, war zu erwarten. Im kommenden Frühjahr erreicht er das Pensionierungsalter. Doch der abrupte Wechsel überrascht. Landis + Gyr wollte eigentlich nichts überstürzen und sich bis zu 18 Monate Zeit lassen, um über die Form der Neuausrichtung zu entscheiden. Manche Beobachter bemängelten diesen vagen Zeitplan.
Jetzt wird es möglicherweise schneller Klarheit geben. Nachdem die Führungsfrage geklärt wurde, kann sich Landis + Gyr ganz der Arbeit an der neuen Strategie widmen. Denn mit Trump gibt es einen potenziellen Pferdefuss: Landis + Gyr hat ein Werk in Reynosa, Mexiko, und bedient von dort den Markt in den USA. Wie viele andere Firmen nutzt das Unternehmen die niedrigen Produktionskosten in Mexiko und den Freihandel mit den USA, um von dort die amerikanischen Kunden zu beliefern.
Trumps Zölle wären ein Problem
Allerdings möchte Donald Trump die Bedeutung Mexikos zurückdrängen – nicht nur als Herkunftsland und Zwischenstation von Einwanderern, sondern auch als Produktionsstandort. Ähnlich wie China hat Trump auch Mexiko einen Zoll auf alle Einfuhren in die USA angedroht. Konkret nannte er einen Wert von 25 Prozent. Selbst wenn der künftige Präsident nicht gezielt gegen das Nachbarland vorgehen würde, steht der angekündigte Zoll von 10 Prozent auf alle Einfuhren aus dem Ausland im Raum.
Das würde auch die Kalkulation von Landis + Gyr verändern. Sollte Trump seine Zollversprechen wahr machen, stünde die Firma vor der Frage, ob die Produktion in die USA verlagert werden müsste. Gegenwärtig hat das Unternehmen dort kein Werk. Ähnliche Probleme sind derzeit einer der Gründe für den Überlebenskampf des Solarmodulherstellers Meyer Burger, der Solarzellen aus Deutschland in die USA einführen wollte, um sie dort weiterzuverarbeiten.
Der neue CEO Peter Mainz bringt das nötige Wissen mit, um sich mit der Variable Trump zu befassen. Er sitzt seit 2018 im Verwaltungsrat von Landis + Gyr und war zuvor unter anderem Chef und Präsident von Sensus, einem amerikanischen Anbieter von Stromzählern. Ausserdem sass er im Aufsichtsgremium von Itron, dem Hauptkonkurrenten der Schweizer in den USA.
Die Fokussierung auf die USA ist konsequent, denn dort spielt für Landis + Gyr längst die Musik: 60 Prozent des Umsatzes von insgesamt 925 Millionen Dollar hat das Unternehmen von April bis September im amerikanischen Raum erwirtschaftet. Die Rechnungslegung erfolgt bereits in der US-Währung. Ausserdem stammten 89 Prozent des bereinigten Betriebsgewinns (Ebitda) von dort. Das liegt unter anderem daran, dass Landis + Gyr sich auf der anderen Seite des Atlantiks leichter tut.
Ein Verkauf des Europa-Geschäfts ist möglich
Das Stromnetz im Flächenland USA ist veraltet, der Bedarf an Investitionen ist gross. Landis + Gyr gelingt es, mit den Produkten und Dienstleistungen zum Strommanagement zu punkten. Zwar werden die Modernisierungen auch staatlich gefördert, was für die Zukunft unter einem neuen Präsidenten Trump nicht garantiert ist. Doch Werner Lieberherr zeigte sich Ende Oktober im Gespräch mit Journalisten überzeugt, dass unter Trump die Nachfrage gross bleiben wird.
Hingegen ist das Zählergeschäft in Europa national, kleinteilig, langwierig, von engen Kriterien der Ausschreibungen geprägt – und in der Summe viel weniger rentabel. Landis + Gyr muss nun auch entscheiden, was damit passieren soll. Neben einer Schrumpfung ist auch der Verkauf von Teilen oder aller Aktivitäten möglich.
In der Schweiz produziert Landis + Gyr ohnehin nicht mehr. Allerdings könnte das Unternehmen auch in seinem neuen Zuschnitt den Sitz in Cham im steuergünstigen Kanton Zug behalten, obgleich eine mittelfristige Börsenkotierung in den USA wahrscheinlich ist. Vor ähnlichen Überlegungen steht derzeit der Zementriese Holcim, der sein Nordamerika-Geschäft abspalten will.