Samstag, September 28

Gegen die Schweiz bekunden die Deutschen grosse Probleme. Das Spiel kommt noch früh genug, um vor dem Achtelfinal am Samstag in Dortmund Schlüsse daraus zu ziehen.

Für einen Augenblick wirkte das, was Julian Nagelsmann, der deutsche Nationaltrainer, nach dem 1:1 gegen die Schweiz erzählte, ein wenig kryptisch: «Die Schweiz hat uns gut präpariert, aber wir haben anders gespielt, als die das vorbereitet haben. Damit hatten sie brutale Probleme, die beiden Halbverteidiger.»

Hätte ein Nationaltrainer einen Bildungsauftrag, dann hätte Nagelsmann ihn mit diesem öffentlichen Auftritt glatt verfehlt. Denn das, was er eigentlich formulieren sollte und vielleicht auch wollte, hätte lauten müssen: Die Schweizer hatten den Deutschen grosse Probleme bereitet, weil Nagelsmann ihren Auftritt vielleicht nicht ganz so erwartet hatte.

Hatte der Trainer sich verschätzt?

Nur hätte eine solche Aussage auch bedeutet, einzugestehen, dass er sich als Trainer ein bisschen verschätzt habe – und genau diesen Eindruck konnte man in diesem Spiel gegen die Schweizer gewinnen. Immerhin entstand kein Schaden dank dem späten Ausgleich. Die Deutschen schliessen die Gruppe als Sieger ab, und vielleicht hat es auch Vorzüge, schon früh im Turnier Probleme überwinden zu müssen.

Es war ein äusserst intensiver Match, der auch zugunsten der Deutschen hätte ausgehen können, etwa, wenn Robert Andrichs Treffer aus der Distanz in der 18. Minute anerkannt worden wäre. Aber dem war ein Foul vorausgegangen. Nur selten hatte Andrich überhaupt die Gelegenheit, sich einmal offensiv zu orientieren.

Das lag daran, dass die Schweizer den Deutschen das Mittelfeld äusserst versiert zustellten. Für einmal wurde sie beantwortet, die Frage, wie sich Toni Kroos stören lässt – und mit ihm der gesamte Spielaufbau. Überzahl zu schaffen im Mittelfeld: Das verstanden die Schweizer blendend, und die Deutschen hatten kaum ein Mittel, um sich dem zu entziehen. Die berüchtigte Passquote von Toni Kroos, die im Eröffnungsspiel gegen Schottland bei 99 Prozent lag, fiel in diesem Spiel rapide ab, zumal es den Deutschen nicht gelang, ihren Gestalter effektiv, abzuschirmen.

Xhaka dominiert das Mittelfeld

Diese Aufgabe hätte eben Robert Andrich gehabt, der im Zivilleben vermutlich den Beruf des Leibwächters ergriffen hätte. Im Klub, bei Bayer Leverkusen, sicherte er Granit Xhaka ab – und der war im Mittelfeld der grosse Rivale von Kroos. Anders als der Deutsche hatte Xhaka eine äusserst spektakuläre Szene, mit der er den Match hätte entscheiden können: Aus der Distanz kickt er den Ball wuchtig aufs Tor, beinahe eine Kopie seines Siegtores im Cup-Final gegen Kaiserslautern. Doch Manuel Neuer, der deutsche Goalie, drehte den Ball mit den Fingerspitzen noch um den Pfosten.

Dass Xhaka dieses Duell gegen den sechsmaligen Champions-League-Sieger für sich entscheiden würde, ist gewiss keine Sensation. Aber es zeigt eben auch, dass Kroos alleine das deutsche Spiel nicht tragen kann, wenn es an anderen Stellen harzt.

Es gab allerhand Defizite. Zum Beispiel, dass die Mannschaft überhaupt kein Mittel gegen die tief gestaffelte Defensive fand, und sich immer wieder festrannte. Jamal Musiala trickste sich zwar immer wieder durch den gegnerischen Strafraum, doch fehlte, anders als zuletzt, im entscheidenden Augenblick die Courage, um es selber zu versuchen. Und wenn er abspielte, dann waren seine Mitspieler oft einen Augenblick zu spät aufgerückt.

Man kann den Deutschen nicht vorwerfen, dass sie in diesem Spiel nicht präsent waren. Und dennoch wirkten sie gedanklich ein wenig träge. Ihr Spiel hatte eine ziemliche Unwucht über die linke Seite, was daran lag, das Joshua Kimmich sich auf der rechten Aussenbahn kaum in den Angriff einschaltete.

Im Strafraum waren die Deutschen nicht robust genug

Einige Male gab es Situationen, in denen ein Flankenwechsel sofort eine Überzahl und somit eine gefährliche Situation geschaffen hätte. Und wenn die Deutschen im Strafraum waren, dann waren sie nicht robust genug, um sich durchzusetzen.

Kai Havertz, nominell die einzige Sturmspitze, ist eben kein Stürmer mit grosser körperlicher Verdrängung, sondern einer, der sich in seine Räume schleichen muss. Im Grunde liegt ihm die Position hinter den Spitzen viel besser, die Aufstellung, die Nagelsmann gewählt hat, war vor allem eines: ein Kompromiss.

Den Deutschen fehlt der Angreifer, der über 90 Minuten stets Gefahr ausstrahlt. Nun ist Nagelsmann Kompromiss allerdings kein schlechter: Wenn es nicht läuft, bringt er Niclas Füllkrug ins Spiel. Kein Mann für die erste Stunde, aber wenn er frisch ins Spiel kommt, ist er gefährlich genug, um einen viel gerühmten Innenverteidiger wie Manuel Akanji zu überwinden.

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