Donnerstag, November 7

Nach einem starkem Start franste ihr Konzert aus: Fontaines D. C. aus Dublin kämpften gegen ihre eigenen Erwartungen.

Ihr Konzert ist seit Wochen ausverkauft, im Internet angebotene Karten sind innert Minuten weg. Vier Alben haben die Musiker aus Dublin in acht Jahren Karriere herausgebracht, jedes von ihnen erklomm Spitzenplätze der irischen und britischen Charts, auch in Deutschland kamen sie weit. Ihre Songs sind von schimmernder Schönheit, die Musik tönt bald kraftvoll und dann fein, aus den Texten weht surrealistische Schwermut. Die Band Fontaines D. C. wurde mit Preisen behängt, die Konzertkritiken klingen ekstatisch.

Als dazu noch Liam Gallagher, der notorisch schlechtgelaunte Sänger von Oasis, die Kollegen aus Dublin beschimpfte, hatten die fünf Musiker endgültig zu jenen Bands aufgeschlossen, die von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Ein Mitglied von Fontaines D. C. hatte es gewagt, das Comeback von Oasis mit dem Satz «couldn’t really give a shit, to be honest» zu kommentieren, was man vornehmer mit «ist uns so was von egal» übersetzen könnte. Daraufhin hielt Liam Gallagher den Kollegen vor, er habe schon Roadies gesehen, die besser angezogen seien als sie.

Verstrickt in Widersprüche

Das braucht die Konzertbesucher im «X-tra» am vergangenen Dienstagabend nicht zu kümmern, die vom ersten Song der Band an mitgehen. Die Leute stehen dicht gedrängt und stossen nach vorne, strecken ihre Handys in die Luft, halten sich am Bierglas fest, singen mit.

Die Band beginnt mit «Romance», dem Titelstück ihres letzten Albums. Das Cover zeigt ein Ballonherz, das in seiner rosaroten Aufdringlichkeit dermassen billig aussieht, als wolle es den Titel des Albums verhöhnen. Aber diese Ambivalenz passt zu dieser Band, deren Name auf eine Figur in Francis Ford Coppolas «Der Pate» anspielt. D. C. meint Dublin City.

Je mehr man sich mit Songs und Texten der Fontaines befasst, desto stärker bekommt man den Eindruck, die Musiker verstrickten sich in Widersprüche oder verspürten zumindest starke Ambivalenzen. Das fängt schon bei ihrer Hassliebe zu Dublin an, ihrer Heimatstadt, die sie zu Boden zieht und der sie trotzdem nicht entkommen. Zudem scheinen sie ihrem eigenen Ruhm zu misstrauen, den sie zugleich anstreben. Selbst das Begehren wird bei ihnen in düsteren Zeilen überbracht. «Death Kink» zum Beispiel handelt vom Terror einer missbräuchlichen Beziehung.

Ihr Hang zum Dröhnen

Das Konzert fängt stark an, die Gruppe betreibt eine kalkulierte Entfesselung. Was zunächst klingt wie der angelernte Lärm einer jungen Band fast vierzig Jahre nach den ersten Detonationen des Punk, erweist sich als sorgfältig appliziertes Song-Handwerk. «Televised Mind» ist so ein trügerisch einfacher Song, der im Konzert eine ekstatische Intensität entwickelt, weitere intensiv vorgetragene Lieder wie «Roman Holiday» aus dem vorletzten Album folgen, wir sind also gut unterwegs.

Dann aber, in der zweiten Hälfte, verliert die Musik ihre Dringlichkeit. Die Songs hören sich jetzt beliebig, geradezu formlos an. Bezeichnenderweise ist es das Stück «Big», das die kommenden Probleme dieser Band vorwegnimmt. «My childhood was small / But I’m gonna be big», skandiert der Leadsänger Grian Chatten eins ums andere Mal, doch was er sich als Ziel setzt, tönt eher nach einer Belästigung. «Stadium awaits», titelte der «Guardian» einen hymnischen Artikel über die Band, es war als Kompliment gemeint, lässt sich aber auch als angekündigte Enttäuschung lesen.

Denn genau so klingen die fünf, je länger ihr Konzert dauert: wie eine Stadion-Band, die sämtliche Nuancen ihrer Songs dem Dröhnen der Masse zuliebe aufgeben muss. Auf Platte wirken ihre Songs gefühlvoll und ausdrucksstark, im Konzert verlieren sie an Konturen. Als hätten die Musiker die Gefahr erkannt, revanchieren sie sich mit drei grossartig gespielten Zugaben, darunter einer exaltierten Version von «Starbuster» aus dem letzten Album. Aber selbst da kann man sich vorstellen, wie sich das im Letzigrund anhören wird, wo sie vermutlich einmal auftreten werden.

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