Die KI-Firma wirft Pläne über den Haufen, sich zu einer profitgetriebenen Unternehmung umzubauen. Es ist ein Sieg für Kritiker wie Elon Musk und Regulatoren – und kommt zu einer Zeit, da Chat-GPT populärer ist als je zuvor.

Die KI-Firma Open AI hat am Montag mitgeteilt, Pläne für eine Umstrukturierung über den Haufen zu werfen. Man werde dem Nonprofit-Arm des Unternehmens nun doch nicht die Kontrollmehrheit entziehen, teilte der Vorsitzende des Aufsichtsrats Bret Taylor bei einer Pressekonferenz mit.

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Um das Ausmass dieses Entscheids zu verstehen, muss man einen Schritt zurückgehen. Seit seiner Gründung 2015 ist Open AI ein ungewöhnliches Startup: nicht nur, weil sich dort einige der klügsten Köpfe der KI-Industrie zusammenfanden, sondern auch, weil es dezidiert nicht profitgetrieben sein wollte. Von den Errungenschaften der Firma sollte «die gesamte Menschheit profitieren», versprach man im Gründungsstatut.

Bald mussten die Gründer jedoch feststellen, dass künstliche Intelligenz mehr Geld erforderte als die eine Milliarde Dollar, die man an Kapital gesichert hatte. Als Altman 2019 CEO wurde, verpasste er Open AI eine neue Firmenstruktur: Ergänzend zum Nonprofit-Arm wurde eine Capped-for-Profit-Organisation geschaffen. Dieser Firmenbereich sollte vor allem Geld einnehmen – allerdings wurde die Möglichkeit einer Rendite beim Hundertfachen des Investments gedeckelt. Wer also 1 Milliarde Dollar in Open AI investierte, dürfte maximal 100 Milliarden Dollar zurückbekommen.

Im Silicon Valley sind solche Renditedeckel, auch wenn sie sehr hoch sind, ungewöhnlich – und angesichts einer Schlüsseltechnologie wie KI auch unbeliebt. Je populärer und erfolgreicher Chat-GPT wurde, desto mehr liebäugelte Altman damit, diese Firmenstruktur aufzuweichen, um Grossinvestoren wie Nvidia und Softbank umgarnen zu können.

Im vergangenen Oktober präsentierte Altman deswegen erneut eine Änderung in der Firmenstruktur, diesmal tiefgreifender: Open AI werde sich zur For-Profit-Firma mausern. Investoren sollten nun unbeschränkt Gewinne machen können. Der einstige Nonprofit-Arm werde noch einen Anteil, aber keine Kontrollmehrheit mehr an der neu geschaffenen Firma halten. Innerhalb von zwei Jahren werde der Strukturwandel abgeschlossen, versprach er, man brauche noch die Zustimmung der zuständigen Behörden.

Chat-GPT hat 500 Millionen Nutzer wöchentlich

Welche Rechtsform ein Startup hat, mag technisch und nebensächlich wirken, aber im Fall von Open AI hätte dies womöglich weitreichende Auswirkungen. Die Firma hat mit Chat-GPT die KI-Revolution über Nacht losgetreten und zählt nach wie vor zu den treibenden Kräften; manche Beobachter sehen sie als die führende KI-Firma schlechthin.

Ihr erklärtes Ziel ist die Entwicklung von Artificial General Intelligence (AGI), also allgemeiner künstlicher Intelligenz: der Zustand, in dem Computer so denken, tun und fühlen, dass sie nicht mehr von Menschen zu unterscheiden sind. AGI könnte für die Menschheit jedoch weitreichende Auswirkungen haben – und solche Entscheidungen sollten nicht profitgetrieben getroffen werden, argumentieren Kritiker.

Tatsächlich läuft es für Open AI sehr gut: Mit einer Bewertung von zurzeit 300 Milliarden Dollar spielt die KI-Firma in einer Liga mit Traditionsmarken wie Coca-Cola und zählt zu den wertvollsten nicht kotierten Firmen weltweit. Eine halbe Milliarde Menschen nutzen den Chatbot Chat-GPT zurzeit wöchentlich.

Entsprechend hagelte es Kritik, nachdem Altman die Pläne zur Umstrukturierung vorgestellt hatte. Elon Musk, geschasster Mitgründer von Open AI und inzwischen Konkurrent mit seinem KI-Chatbot Grok, verklagte Altman. Auch die Generalstaatsanwälte von Kalifornien und Delaware, wo Open AI seinen Firmensitz beziehungsweise seinen juristischen Sitz hat, verfolgten die Entwicklungen kritisch. Ihre Zustimmung wäre aber Voraussetzung für die geplante Umstrukturierung.

Die gemeinnützige Organisation wird die Mehrheit behalten

Am Montag hat der Aufsichtsrat von Open AI dem Druck nun nachgegeben: Open AI werde doch nicht profitgetrieben, teilte der Vorsitzende Bret Taylor mit, sondern werde zu einer Public Benefit Corporation – einer zweckorientierten Unternehmensstruktur, die sowohl die Interessen der Aktionäre als auch das Gründungsstatut berücksichtigen muss.

Entscheidend dabei ist, dass die gemeinnützige Sparte von Open AI weiterhin Anteile an der Public Benefit Corporation halten und auch deren Aufsichtsrat wählen wird. Wie hoch diese Anteile seien, wisse man noch nicht, sagte Taylor, aber «die gemeinnützige Organisation wird die Kontrolle über Open AI behalten». Es gehe darum, sicherzustellen, dass die Firma ihre Aufgabe, den Nutzen künstlicher Intelligenz für die gesamte Menschheit zu gewährleisten, effektiv erfülle.

Taylor sagte, man habe diese Firmenstruktur nach Gesprächen mit den beiden Generalstaatsanwälten und Vertretern der Öffentlichkeit getroffen. Ob Elon Musk damit auch die Klage gegen Open AI fallen lassen wird, ist unklar. Sein Anwalt Marc Toberoff erklärte jedenfalls laut Medienberichten am Montagabend, Musk werde die Klage fortsetzen. Ebenso ist nicht bekannt, was die neue Struktur für Investoren wie Nvidia und Softbank bedeutet, denen man bereits die neue, profitgetriebene Firmenstruktur in Aussicht gestellt hatte.

Altman liess am Montag keine Enttäuschung darüber erkennen, dass seine Pläne nun durchkreuzt wurden. «Das bedeutet, dass wir sehr bald mit dem Einsatz von Kapital aus der gemeinnützigen Organisation beginnen können», sagte er im Telefonat mit Journalisten. «Wir haben eine lange Liste von Dingen, von denen wir glauben, dass sie sehr viel verändern werden.»

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