Sonntag, Oktober 6

Linke Politik funktioniert ganz anders als bürgerliche Politik. Erkenntnisse aus dem Transparenzbericht über das Jahr 2023.

Das Zentralsekretariat der SP ist der grösste parteipolitische Apparat der Schweiz. Beschäftigt werden zweiundfünfzig Personen: Campaigner und Mediensprecherinnen, Fundraiser und sogenannte Langzeitpraktikanten. In den vergangenen Jahren ist der gesamte Parteiapparat massiv gewachsen. Als Cédric Wermuth und Mattea Meyer im Jahr 2020 das Präsidium übernahmen, führten sie neue Gremien ein, Themenkommissionen, Arbeitsgruppen, einen Parteirat. Die sozialdemokratische Politikmenge stieg kontinuierlich: mit zusätzlichen Kampagnen, Initiativen, Referenden.

Parallel dazu stieg auch das Personalbudget, einmal von einem Jahr aufs andere um mehr als eine Million Franken. Mattea Meyer sagte: «Wir haben viele Projekte. Und jeder Franken, den wir in Mitarbeitende investieren, generiert zusätzliche Bewegung.» So gesehen, ist jede Anstellung eine Wette darauf, dass jeder zusätzliche Lohn durch zusätzliche Spenden überkompensiert wird.

Und so ist die SP nicht ein Milizverein, sondern eine Profipartei: Man trifft sich nicht zum Föppeln und Fluchen inklusive Fleischkäseplausch, sondern an der Sommertagung zu einem Workshop unter dem Titel «Wie weiter in der Friedensbewegung?». Versammlungen anderer Parteien sind ein zweistündiges Spektakel mit Feuerwerk und Tanzgruppe, bei der SP wird zwei Tage lang über Europa diskutiert. Und wer sich besonders engagiert, kann auf eine Anstellung in der Partei hoffen. Das Zentralsekretariat führt und verkörpert gleichzeitig die vielleicht grösste permanente Kampagne in der Schweizer Politik.

Das ist ein Eindruck, der durch den neusten Transparenzbericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle bestätigt wird. Für das vergangene Jahr mussten die Parteien erstmals ihre Einnahmen offenlegen: Spenden, Mitgliederbeiträge, Einnahmen durch Veranstaltungen. Gemäss diesem Bericht verfügte die SP über so viel Geld wie keine andere Partei, mit grossem Abstand. Im Jahr 2023 nahm sie etwas mehr als neun Millionen Franken ein, es folgt die SVP mit knapp sechs und die FDP mit gut vier Millionen Franken. Es war ein eidgenössisches Wahljahr, die Zahlen dürften deshalb ungewöhnlich hoch sein.

Die SP – die reichste Partei der Schweiz? «Es stimmt uns zuversichtlich, dass sich fast 40 000 Kleinspenderinnen und Kleinspender mit uns zusammen einsetzen», schreibt Co-Präsident Cédric Wermuth.

Die Zahlen aus dem neusten Transparenzbericht erzählen nicht die ganze Wahrheit – weil jede Transparenzregel neue Intransparenz schafft. So müssen etwa kommunale oder kantonale Parteisektionen ihre Finanzierung nicht offenlegen. Und doch lässt sich aus dem Bericht herausdestillieren, wie fundamental verschieden linke und bürgerliche Politik in der Schweiz funktioniert.

Die Partei hat immer recht

Die SP ist der Grossapparat der linken Parteipolitik – und im Zentralsekretariat läuft alles zusammen. Mehr als zwei Millionen Franken an Mitgliederbeiträgen fliessen dahin, die kantonalen Sektionen beziehen Dienstleistungen aus der Zentrale, Kampagnen führt und finanziert man selbst (abgesehen davon, dass man von den gut ausgestatteten Gewerkschaften unterstützt wird). Im Jargon gesprochen: Die Partei hat immer recht. «Die SP wird getragen von ihren Kleinspender:innen und Mitgliedern», schreibt Mediensprecher Nicolas Haesler. Zudem gibt, wer ein bezahltes Amt hat, einen beachtlichen Teil der Bezüge an die Partei ab. Links ist die Politik zentralistisch organisiert.

Die bürgerlichen Parteien funktionieren anders, sie sind Apparate mit Satelliten. Im Generalsekretariat der SVP arbeiten laut eigenen Angaben nur gerade fünfzehn Personen. Peter Keller, der stellvertretende Generalsekretär der SVP, sagt: «Wir haben eine straffe und starke Parteileitung. Das führt zu schnellen Entscheidungen und dazu, dass wir die Mittel fokussiert für die Politik einsetzen können.» Mitgliederbeiträge gehen an die Ortsparteien, für Kampagnen arbeitet man mit externen Agenturen oder Komitees zusammen.

Während man auf linker Seite das Grundsätzliche unterstützt, die ideelle Arbeit der Partei, unterstützt man rechts einzelne Projekte. Christoph Blocher, der berühmteste Spender der SVP, hat sein Prinzip mehrfach erklärt. Er gibt nur Geld für bestimmte Kampagnen und wenn er weiss, was damit passiert. In der «Rundschau» von SRF sagte er zuletzt: «Wenn sie nur Schabernack damit machen, bekommen sie nichts.»

Die FDP wiederum zählt in ihren Kampagnen auf ein historisch gewachsenes Umfeld: auf Wirtschaftsverbände oder Handelskammern. Als die Jungfreisinnigen im Februar ihre Renteninitiative an die Urne brachten, wurden sie nicht von der FDP, sondern von der UBS, von Swiss Re, den Freunden der FDP oder der Bonny-Stiftung unterstützt. Auf bürgerlicher Seite ist die Politik nicht zentralistisch, sondern satellitenhaft organisiert.

Links die Partei, rechts die Verbände

Beispielhaft zeigen sich die Unterschiede in der Abstimmungskampagne zur BVG-Reform – auf bürgerlicher Seite wird sie finanziert von der «Allianz ‹Ja zur BVG-Reform›» und von Swissmem, dem Verband der Maschinenindustrie, links von der SP und den Gewerkschaften. Die Bürgerlichen weisen ein Budget von 3,4 Millionen Franken aus, die Linken eines von 1,5 Millionen Franken – hinzu kommt eine bürgerliche Nein-Allianz mit 350 000 Franken.

Während die SP die reichste Partei der Schweiz ist, besser finanziert als die bürgerlichen Parteien, sind die bürgerlichen Kampagnen teilweise massiv besser finanziert als die linken.

Als die Parteien im vergangenen Jahr die Einnahmen im Eidgenössischen Wahlkampf 2023 transparent machen mussten, zeigte sich: Die Kandidatinnen und Kandidaten der FDP erhielten am meisten Geld (12,9 Millionen Franken), es folgte die SVP (11,6 Millionen Franken) – und erst dann die SP mit 7,9 Millionen Franken.

Während die Parteien auf bürgerlicher Seite also der Macht von Verbänden, Stiftungen, Sponsoren ausgesetzt sind, konzentriert sich die Macht auf linker Seite in den Führungsgremien der Gewerkschaften und im Grossapparat der SP.

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